REGULIERUNG bandssanktionengesetz den Unternehmen eigentlich beschuldigtenähnliche Rechte einräumt. Unternehmen sollen nach dem Gesetzesentwurf also nicht verpflichtet sein, sich selbst zu belasten. Finanzinstitute, die den oben beschriebenen Zwangsmaßnahmen der Aufsichtsbehörden ausgesetzt sind, müssen sich jedoch gegenüber den Aufsichtsbehörden zumindest faktisch selbst belasten und mit diesen kooperieren. Die Ergebnisse werden den Strafverfolgungsbehörden übermittelt, die sie gegen das Finanzinstitut verwenden. Verschärft wird die Problematik dadurch, dass die Strafverfolgungsbehörden in Zukunft gezwungen sind, auf der Grundlage der zur Verfügung gestellten Ergebnisse aktiv zu werden. Während die Strafverfolgungsbehörden in der Vergangenheit Ermittlungen gegen die beteiligten Individuen einleiten mussten, konnten sie nach Opportunitätsgründen entscheiden, ob Ermittlungen gegen das Unternehmen geführt werden sollten oder nicht. Schon bei Anfangsverdacht müsste ermittelt werden Der unter Verschluss gehaltene Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht dagegen vor, dass bei einem Anfangsverdacht für eine aus einem Unternehmen heraus begangene Straftat künftig zwingend auch gegen das Unternehmen ermittelt werden muss. Das wäre ein Novum. Die Pflicht zur Ermittlung (sogenanntes Legalitätsprinzip) führt dazu, dass sich Unternehmen und Behörden auf eine Flut von Ermittlungsverfahren einstellen müssen. Finanzinstitute müssen in Zukunft somit mehr als bisher damit rechnen, dass aufsichtsrechtliche Maßnahmen auch zu Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden führen. Der Gesetzgeber räumt dem Verbandssanktionengesetz sogar grundsätzlich Vorrang gegenüber dem Ordnungswidrigkeitenrecht ein, sodass nach der neuen Regelung immer die Strafverfolgungsbehörden zuständig sein sollen. Voraussetzung ist jedoch, dass eine unternehmensbezogene Straftat zugrunde liegt. In Fällen, in denen eine Pflichtverletzung, aber keine unternehmensbezogene Straftat vorliegt, bleibt es bei der Zuständigkeit der BaFin für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem derzeit geltenden Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Bereits die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden zeigen, dass die Bewertung des Verfolgungs- und Haftungsrisikos noch komplexer wird. Aber auch die Sanktionsmöglichkeiten nach dem geplanten Verbandssanktionengesetz verschärfen das Risiko. So sollen beispielsweise zu Sanktionen verurteilte Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen in eine Art behördeninternes Sünderregister aufgenommen werden. Bei der Schädigung einer Vielzahl von Personen sollen Gerichte die öffentliche Bekanntmachung einer Entscheidung anordnen können. Durch die Möglichkeit, das vom Unternehmen strafbar Erlangte einzuziehen und an Geschädigte auszuzahlen, sollen unter anderem Betrugsverfahren effizienter abgewickelt werden. Die Opfer der Straftaten sollen dann nicht mehr selbst klagen müssen, um eine Entschädigung zu erhalten. Ausgestaltung von internen Untersuchungen Der Gesetzgeber hat den Gesetzesentwurf auch zum Anlass genommen, genauere Vorgaben zur Berücksichtigung von internen Untersuchungen aufzustellen. Für fair und transparent durchgeführte interne Untersuchungen, die die Vorgaben des Gesetzes beachten, sollen kooperierende Unternehmen mit Sanktionsmilderungen belohnt werden. Finanzinstitute sollten daher zukünftig auch bei internen Untersuchungen, die im Zusammenhang mit potenziellen aufsichtsrechtlichen Verstößen durchgeführt werden, mögliche Konsequenzen nach dem neuen Unternehmensstrafrecht berücksichtigen. Interne Untersuchungen sollten – wenn möglich – immer so geführt werden, dass sie den Anforderungen des Verbandssanktionengesetzes entsprechen. So können Finanzinstitute sicherstellen, dass sie im Fall einer drohenden Verurteilung nach dem Verbandssanktionengesetz in den Genuss einer Strafmilderung kommen. 52 02 // 2020
REGULIERUNG FAZIT Die Einführung des geplanten Verbandssanktionengesetzes erhöht die Komplexität von internen Untersuchungen im Geflecht der national und international zuständigen Behörden weiter. Haben deutsche Strafverfolgungsbehörden Kenntnis vom Verdacht einer unternehmensbezogenen Straftat, sind sie nach dem neuen Gesetz verpflichtet, Ermittlungen gegen das Unternehmen einzuleiten. Finanzinstitute und andere Unternehmen können daher nicht mehr auf passive Ermittlungsbehörden hoffen, sondern müssen mit deutlich mehr Ermittlungsverfahren rechnen. Ist erstmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, müssen die Finanzinstitute die aufsichtsrechtlichen Verfahren und die Verteidigung in den Ermittlungsverfahren koordinieren. Der Nachweis eines wirksamen Compliance- Systems und die selbstständige Aufklärung der Vorwürfe im Rahmen von fairen internen Untersuchungen sind dabei wichtige Mittel der Unternehmensverteidigung. Auch wenn die angekündigten Strafen vom Gesetzgeber bloß als Sanktionen und nicht als Strafe bezeichnet werden, dürften Sanktionen von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes als Strafe empfunden werden. Durch eine professionelle Unternehmensverteidigung lässt sich diese Höchststrafe in der Regel vermeiden. Autoren Dr. Dirk Seiler ist Partner bei Herbert Smith Freehills, Praxisgruppe Corporate Crime & Investigations. Enno Appel ist als Senior Associate in der gleichen Kanzlei und Praxisgruppe tätig. 1 Das „Multilateral Memorandum of Understanding Concerning Consultation and Cooperation and the Exchange of Information“ kann auf der Seite der IOSCO abgerufen werden. 02 // 2020 53
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