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die bank 02 // 2019

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE

BERUF & KARRIERE INTERVIEW Gefragt ist konsequente Selbsterneuerung Agilität entwickelt sich für immer mehr Unternehmen zu einem zentralen Faktor, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Hans-Joachim Gergs, Experte für Change Management, erläutert im Interview, was agile Firmen inspiriert und was das Konzept den Belegschaftsmitgliedern abverlangt. die bank: Herr Gergs, Agilität ist das neue Schlüsselwort der Unternehmensführung. Woran liegt das? Gergs: Der Begriff Agilität bringt betriebliche Offenheit und Kreativität zum Ausdruck. Er beschreibt zudem die Fähigkeit, mit der ökonomischen Entwicklung mitgehen zu können. Große und kleine Unternehmen müssen dem Wettbewerbsdruck standhalten können. Die betriebliche Umwelt verändert sich laufend. Mit dieser Geschwindigkeit Schritt halten zu können, wird zur Voraussetzung, um sich auf den Märkten zu behaupten. Die Digitalisierung verändert in hohem Tempo die Spielregeln des Wettbewerbs. In Angebot, Angebotsgewohnheit und Geschäftsmodell muss dem Rechnung getragen werden. Was gestern noch den betrieblichen Erfolg garantierte, kann morgen schon ins betriebliche Desaster führen. Sich vorausschauend von gewohnten, bislang Erfolg garantierenden Denk-, Auftritts- und Handlungsgewohnheiten zu lösen und sich proaktiv in das fortlaufend Neue einzuklinken, sich also agil verhalten zu können, ist zu einem der zentralen Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung geworden. die bank: Was genau charakterisiert nun das agile Unternehmen? Gergs: Hierzu gehört der Mut, sich dem Zug der Zeit nicht zu verschließen; die Bereitschaft, sich vom Herkömmlichen und vom Gewohnten zu lösen; der Mut und die Bereitschaft, so vorzugehen, dass sich das Unternehmen entwickelt, ohne sich dabei zu überfordern und sich dadurch in die Krise einer überstürzten Veränderung zu manövrieren. Deshalb versteht das agile Unternehmen Entwicklungsprozesse nie als Knopfdruckprozesse. In sich stabil und gleichzeitig agil ist ein Unternehmen nur in der Kombination von Bewahren und Verändern. Beide Komponenten bilden die optimale Voraussetzung dafür, eine Unternehmenskultur kontinuierlicher betrieblicher Selbsterneuerung zu entwickeln und zu pflegen, die sinngemäß das ermöglicht, was der große französische Mikrobiologe Louis Pasteur einmal so gesagt haben soll: „Die Keime großer Entdeckungen schwirren unablässig um uns herum, doch nur in einem Geist, der gut auf sie vorbereit ist, können sie auch Wurzeln schlagen.“ die bank: Was inspiriert das agile Unternehmen? Gergs: Entscheidend ist der Geist des Hauses, aus dem heraus sich jeder auf seine Weise und dem eigenen Können gemäß mit wachen Sinnen inspirierend in die betriebliche Zukunftsgestaltung einbringt – und einbringen kann! Kontinuierliche betriebliche Selbsterneuerung erwächst aus der laufenden Arbeit heraus, aus Gedankenspielen, die die Arbeit begleiten, auf welche Weise, wie und womit der Betrieb im Strom der Zeit gehalten werden kann. Dazu braucht es den ununterbrochenen Kommunikationsprozess aller mit allen. Dieser fortlaufende Gedankenaustausch bis in alle betrieblichen Verästelungen hinein ist gleichzeitig Anstoß und Grundlage eines fortlaufenden ungehinderten Kooperationsgeschehens, mit dem Gewohntes hinterfragt und Neues angestoßen wird. Der Geist-Motor im agilen Unternehmen ist das gemeinsame Denken und Nachdenken, nicht das hierarchische Anordnen. die bank: Die Zeitspannen, in denen neue Angebote oder Produkte auf den Markt kommen, werden immer kürzer. Wie geht das agile Unternehmen damit um? Gergs: Es folgt dem Leitsatz „Liefere neue Angebote, funktionierende Produkte oder technische Lösungen regelmäßig innerhalb kurzer Zeitspannen ab“. Noch beschäftigen sich die meisten Unterneh- 64 02 // 2019

BERUF & KARRIERE men häufig lange mit der Analyse und mit der Frage, wo sie am besten anfangen sollen und wie es weitergehen soll. Das ist heute ein stark gefahrengeneigtes Verhalten. „Das Geheimnis des Vorwärtskommens besteht darin, den ersten Schritt zu tun“, sagte der amerikanische Schriftsteller Mark Twain. Diese Aufforderung beschreibt das Wesen der Agilität präzise: Das agile Unternehmen ist ein Unternehmen im steten Anfangen. Das unterscheidet es vom herkömmlichen Entwicklungsverständnis, das auf den in sich begrenzten Neuanfang setzt. Stetes Anfangen ist immer von Irrtümern, Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen begleitet. Das ist das Risiko der Agilität. Aber dieses Risiko lässt sich eingrenzen, etwa mithilfe von Feedbackschleifen, die in die Entwicklungsprozesse fest eingebaut werden und die nicht zu lange auseinanderliegen dürfen. Dr. Hans-Joachim Gergs ist Experte für Change Management und arbeitet als Senior Consultant und Organisationsentwickler im Veränderungsmanagement beim Autobauer Audi in Ingolstadt. Außerdem lehrt er an der TU München und an der Universität Heidelberg. die bank: Betriebliche Agilität gibt es also nicht ohne Fehlertoleranz? Gergs: Grassieren in einem Betrieb Sprüche wie „Wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt“ oder „Erst mal abwarten, was von Oben gewünscht wird.“ zeigt dies, dass der Geist der Agilität in diesem Unternehmen nicht zu Hause ist. Versuch und Irrtum sind die Eltern neuer Erkenntnisse, neuer Möglichkeiten und neuer Erfolge. Wo das eine wie das andere sofort verdammt und verdonnert und als Ausweis von Unfähigkeit diffamiert wird, steht sich das Unternehmen in seiner Entwicklung selbst im Weg. Ohne positive Fehlerkultur ist das agile Unternehmen, das sich aus der täglichen Arbeit heraus fortlaufend selbst erneuert, schlicht undenkbar. Grundlage einer positiven Fehlerkultur sind die Feedbackschleifen; sie sind die Besinnungsstationen im immerwährenden betrieblichen Lernen. die bank: Was macht der betrieblichen Agilität sonst noch zu schaffen? 02 // 2019 65

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