Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 02 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

SCHWERPUNKT

SCHWERPUNKT DATENMANAGEMENT Provisionsüberschuss. Nicht zuletzt könnten Filialbanken hierüber ganz neu die Beziehung zu ihren Kunden stärken. Warum nicht gezielt Kunden, die sich in Filialnähe aufhalten, mobil zu einem Gespräch einladen, solange die Berater gerade Zeit haben? Natürlich wird sich der Kunde fragen, warum seine Bank gerade jetzt bei ihm anklopft. Aber bei einem guten Gesprächsanlass und einem konkreten Vorteil aus dem Spontanbesuch – und sei es nur eine kleine Aufmerksamkeit – wird sich der Kunde hierfür weiter öffnen. Vorausgesetzt natürlich, die Bank bittet offen und ehrlich darum, die Daten für echte Mehrwertleistungen nutzen zu dürfen. „Datensparsam“ – weniger ist hier mehr Im Kern ist dies ein Appell, die bereits gewonnenen Daten nur sehr selektiv und möglichst zielgenau zu verwenden. Das ist ein bewusster Kontrapunkt zu vielen Data-Mining-getriebenen Geschäftsmodellen, die auf häufige, halbgezielte Streuschüsse setzen. Alles was den Anschein erweckt, man begebe sich auf den gleichen Weg wie manch amerikanische Datenkrake, ist für die Finanzbranche gefährlich. Umso merkwürdiger erscheint es, wie schnell in der Diskussion auch Bank-Manager Quervergleiche zu Online-Handel, Suchmaschinen oder Sozialen Netzwerken ziehen. Dabei werden Kunden ihre Daten dann schrittweise umso eher freigeben, je restriktiver, sparsamer und wertstiftender die Datenquellen genutzt werden. Das wäre dann ein nachhaltiger Umgang mit dem „neuen Öl“ des Digitalzeitalters. Denn für Daten wie Öl gilt: Zu gieriges Bohren kann zu Blow-Outs führen, die erhebliche Schäden für die Reputation einer Bank haben können. Gezieltes und maßvolles Bohren hingegen bringt höheren Nutzen und verhindert, dass die Quellen versiegen. Denn wenn mehr und mehr Kunden sich für diesen schonenden Umgang begeistern, können die Quellen sogar wachsen. Das unterscheidet Daten dann doch vom „alten Öl“. Robuste Umsetzung erfordert Partnerschaften Banken verfügen schon heute über Abermillionen Kundendaten-Sätze, die sich für eine automatisierte Exploration aber oft noch nicht eignen. Hinzu kommen neue Datenquellen, die Banken gerade erschließen. Neben den Standortdaten des Mobile Banking ist dies auch der digitale Kundendialog zum Beispiel mittels Chat-Bots. Hier lassen sich nicht nur Produktinteresse oder veränderte Lebenssituationen erkennen, sondern auch die Stimmungslage, mit der Kunden ihrer Bank gegenübertreten. Das eröffnet neue Chancen für Retention- Maßnahmen zur Kundenbindung. Auch entstehen vermehrt Angebote für digitale Dokumenten-Safes, in denen unter anderem Vertragsdokumente zu Lastschriftmandaten hinterlegt werden können. Das wäre ein wahrer Datenschatz für Vergleichsangebote, die gemeinsam mit Partnerunternehmen erstellt werden. Das zunächst notwendige Schaffen einheitlicher und auswertbarer Datenpools ist eine komplexe, teure Aufgabe. Im Kampf um knappe IT-Budgets unterliegen solche Vorhaben regelmäßig den kurzfristigen Anforderungen aus Regulatorik & Co. Ein Data-Mining-getriebenes CRM und Cross-Selling blieben eine Utopie. Es gibt aber auch andere Wege zum Ziel. Drei Stoßrichtungen helfen bei der Umsetzung: 1. Verwendung einfacher Heuristiken, wo immer möglich Komplexe Mustererkennung ist immer aufwendiger, aber selten besser. Wie auch im stationären Vertrieb, sind viele Verkaufsanlässe in der digitalen Welt offensichtlich und einfach. Urlaubsreisen, Wohnortswechsel, Produkt-/Filialsuche, Autokauf, besondere Mobilitätsausgaben und vieles mehr bieten Ansatzpunkte für eine einfache, regelbasierte Ansprache. Diese kann sogar wesentlich zielgenauer und für den Kunden plausibler sein, als statistisch ausgefeilte Zielgruppensegmentierungen. Auch für den hauseigenen Datenschützer ist dieses Vorgehen transparenter und leichter abzustimmen. Und sollte die Kundenansprache nicht digital sondern persönlich durch einen Berater erfolgen, ist auch für diesen das Gespräch leichter zu führen, wenn er das Zustandekommen der Kunden-Selektion nachvollziehen kann. 2. Mit wenigen, ökonomisch belastbaren Maßnahmen starten Viele Data-Mining-Modelle sind noch im Entstehen und zu vielschichtig, um sie in einem gesamthaften Umsetzungsfahrplan fest zu verankern. Wer an Smart Data 46 02 // 2018

SCHWERPUNKT DATENMANAGEMENT neue Perspektive. Reine Eigenentwicklung hingegen führt hier absehbar in eine sehr lange Sackgasse. glaubt, sollte zügig mit einer Handvoll Maßnahmen starten. Und zwar mit solchen, die – wenn der Kunden das Angebot wie erhofft annimmt – einen klar bezifferbaren Ergebnisbeitrag haben. Das ist keine Kapitulation vor der Komplexität, sondern überzeugt nach innen und ebnet den Weg für immer weitere Anwendungen. Nur so kann man das Rennen um die „Plätze an der Sonne“ im Frontend überhaupt bestreiten. Denn hier zählt neben Impact vor allem Geschwindigkeit. 3. Partnerschaften zwingend erforderlich Die neuen Ansätze fruchten nur, wenn sie den Kunden wirklich überzeugen – vielleicht sogar begeistern. Dafür braucht es neuartige Leistungsangebote und neue Formen der Interaktion an der Kundenschnittstelle. Wenn Banken dies komplett aus eigener Kraft erstellen wollen, dauert das in der Regel Jahre. Dabei bieten bereits verschiedene seriöse Dienstleister sowohl Produktangebote als auch Kundenschnittstellen, die weit vor den Kernbankensystemen angesiedelt sind und wesentlich agiler bereitgestellt werden können. Das entspricht zwar ein wenig dem aktuellen Schreckgespenst, wonach Banken die Kunden und Daten haben und Dritte die Lösungen bieten. Aber als Kooperation mit der Bank oder Sparkasse als dem zentralen Spieler ergibt sich eine ganz FAZIT Den Kampf um die Kundenschnittstelle sollten Banken und Sparkassen mutig aufnehmen. Wettbewerbsvorteile sind hierbei das Grundvertrauen der Kunden in den sorgsamen Umgang mit den Daten und die Kompetenzvermutung rund um Finanzthemen. Data Mining bietet mehr denn je Chancen, Wissen über die breite Kundenbasis zu schöpfen und zu nutzen. Da sich die klassischen Bankangebote und Vertriebsansätze hier nur bedingt eignen, werden neue, seriöse Angebote mit Bezug zum Banking benötigt. Die „Make or Buy“-Frage sollten Banken schnell beantworten und klar auf Partnerschaften setzen. Wichtig ist dabei die möglichst sparsame und wirklich überzeugende Nutzung der Kundendaten. Dieser klare Gegenentwurf zum Modell vieler Internet-Giganten wird Kunden und auch Datenschützer weit eher erzeugen. Auf dieser Basis sollten zunächst einige einfache, aber potenziell ertragsstarke Angebote eingeführt werden. Damit positioniert sich ein Haus sichtbar auf dem Weg zu neuen digitalen Geschäftsmodellen, ohne hierfür Jahre mit eigenen IT-Großvorhaben zu verbringen. Autoren Dr. Thomas Nitschke ist Senior Partner bei Berg Lund & Company. Seine Schwerpunkte liegen im Produktmarketing, insbesondere Vertriebskooperationen, auf Pricing-Projekten sowie digitalen Geschäftsmodellen. Dr. Michael Seibold ist Manager bei Berg Lund & Company. Er hat vielfältige Projekte zu Digitalisierung, analytischem CRM, Data Mining und Produktinnovationen begleitet. 02 // 2018 47

die bank