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die bank 02 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

SCHWERPUNKT

SCHWERPUNKT DATENMANAGEMENT DATA MINING GEZIELT EINSETZEN Zu gieriges Bohren führt zum Blow-Out Banken hüten eine Fülle wertvoller Kundendaten, über die kein Dritter verfügt. Und durch die neuen Wege der Digitalisierung werden diese Daten immer reichhaltiger. Bei der Verwertung tun sich viele jedoch schwer. Reflexhaft werden Vergleiche zu Amazon, Google oder Facebook gezogen – das wäre jedoch ein Irrweg. Vielmehr müssen Finanzinstitute durch Datensparsamkeit und besonders intelligente Angebote Kunden von der Freigabe ihrer Daten überzeugen. Eine robuste Umsetzung datengetriebener Geschäftsmodelle wird nur fokussiert und mit Partnern gelingen. Big Data Analytics – das systematische Durchleuchten großer Datenbestände mit statistischen Methoden – ist nichts Neues im Banking. Bei den Risikomanagern der Banken und Sparkassen etwa ist das Verfahren schon lange etabliert, um Ausfallwahrscheinlichkeiten und andere Risiken präziser zu ermitteln. Zunehmend rückt aber vertriebliches Data Mining in den Fokus vieler Institute. Kaum noch eine Bank, die nicht beabsichtigt, ihre Datenberge nach bisher unbekanntem, nicht einmal geahntem Wissen über die eigenen Kunden zu durchforsten. Hierauf fußend sollen passende vertriebliche Angebote entstehen – überall, in Echtzeit. Eine solche schöne neue Vertriebswelt ist verlockend, nicht zuletzt, weil die Datentöpfe der Banken tatsächlich riesig sind. Sie wissen zumindest näherungsweise, wofür die Deutschen ihr Geld ausgeben und auch, wann und wo sie das tun. Girokonto- und Kreditkartenauszüge spiegeln vieles aus dem Kundenalltag wider. Zusammen mit dem Nutzungsverhalten im Online Banking ergibt sich so ein scharfes Bild über das finanzielle Leben und darüber hinaus. Zu Recht sind beim Thema Datenschutz sowohl die Finanzinstitute als auch die Kunden sehr sensibel. Paradoxerweise befeuert die Regulierung den Run auf die Kundendaten. Spätestens seit der überarbeiteten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) ist der Kampf um die Kundenschnittstelle voll entbrannt. „Beherrsche das Frontend und du beherrschst den Markt“, so die These angesichts drohender Auflösung der klassischen Bank-Kundenbeziehung durch neue Dritt-Anwendungen. Ob die Banken dabei die Hoheit über ihre Daten an wendigere FinTechs verlieren, ist noch offen. Wie wichtig aber allen Beteiligten der Zugang zu den Daten ist, zeigt das Thema Screen Scraping und damit die Frage, auf welche Weise Drittanbieter an die Kundendaten gelangen dürfen: Auch die Veröffentlichung der Regulatorisch Technischen Standards (RTS) durch die European Banking Authority (EBA) hat die hitzige Debatte nicht vollends befriedet. Der gute Datenschutz-Leumund, den Banken und Sparkassen genießen, hat in diesem Wettstreit einen ökonomischen Wert. Das wollen sie sich derzeit gleich mehrfach zunutze machen. Sparkassen, Genossenschaftliche Institute und zuletzt ein Bündnis aus Teilen der alten „Deutschland AG“ unter Beteiligung von Deutscher Bank und Postbank bauen derzeit Identitätsplattformen auf. Damit wollen sie den Single Sign-Ons – bei denen eine einmalige Anmeldung ausreicht, um verschiedenste Online-Dienste zu nutzen – amerikanischer Konzerne Paroli bieten. 370 Millionen Produkte gegen 100 Produkte Amazon oder Google sind in Diskussionen zu diesem Thema oft die vielzitierten Vorbilder, denen Banken nachzueifern scheinen: Viele Daten über die Kunden zusammentragen, daraus Informationen verdichten und dann irgendwie zu Geld machen. Solche – selbst mildere – Ambitionen sind aber alles andere als realitätstauglich. Banken können und sollten solche Big-Data-Phantasien nicht umsetzen. Das Dilemma beginnt mit dem aktuellen Produktangebot: Im Retail Banking haben die Institute nicht rund 370 Millionen Produkte wie Amazon, sondern bestenfalls hunderte, selbst wenn man Dienstleistungen und Partnerangebote wie z. B. Bancassurance einbezieht. Und im Augenblick werden es eher weniger denn mehr: So will die Commerzbank die Anzahl ihrer Produkte von über 400 auf unter 100 reduzieren, weil sich der Rest nicht digitalisieren lasse. Mit diesen Klassikern bei Bestandskunden Cross-Selling-Erfolge zu feiern, ist bislang aber sehr selten gelungen. Denn wenngleich die persönlichen Produktvorschläge von Amazon, Facebook und Co. nicht immer sofort einleuchten, wecken sie manches Mal doch Lust auf Neues. Deren Collaborative Filtering erlaubt Rückschlüsse über die Interessen Einzelner aus den Verhaltensmustern ganzer Benutzergruppen – dadurch erhalten Kunden ganz andere, spannende Sortimente. Besondere Neugierde lässt sich hingegen mit den klassischen Bankprodukten nicht wecken. Und warum sollte der Kunde für personalisierte, aber absehbar langweilige Produktwerbung seine sensiblen Daten bereitstellen? 44 02 // 2018

SCHWERPUNKT DATENMANAGEMENT Ein intelligentes Geben und Nehmen Selbstverständlich sind viele Kunden heute bereit, Informationen preiszugeben, solange sie den Gegenwert erkennen. Sie geben ihre Standortdaten in der Banking-App frei, um Geldautomaten oder Filialen zu finden. Und sie erlauben es ihrer Fluggesellschaft oder Hotelkette Transaktionen auszuwerten, in der Hoffnung auf wirklich attraktive Vorteilsangebote. Wären Banken in der Lage, ihren Kunden vor dem Abflug noch schnell die Bargeldversorgung im Ausland gegen ein günstiges Pauschalentgelt anzubieten oder am Fuß der Berge die Ski- und Unfallversicherung, wären viele Kunden aufgeschlossen. Ähnliches gilt für die Analyse von Zahlungsverkehrsdaten, wenn hieraus ganz neue Angebote für den Kunden entwickelt werden. Wichtig für die Kundenakzeptanz ist ein Einklang mit dem, was sie mit Bankdienstleistungen verbinden: Also Geld sparen, Geld benötigen, finanzielle Absicherung oder auch allgemein Haushaltsrechnung und finanzielle Planung. Das größte Spektrum für neue Angebote mit plausiblem Banking-Bezug wird außerhalb der Finanzdienstleistungen entstehen, im Zusammenspiel mit denjenigen, die einen hohen Anteil der privaten Ausgaben auf sich vereinen. Das reicht von Telekommunikation und Mobilität über Reiseanbieter bis zu Versorgern. Auch Versicherungen – auf bestimmte Lebenssituationen kurzfristig konfigurierbar – bieten hier neues Potenzial und mithin 02 // 2018 45

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