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die bank 02 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

THEMENSCHWERPUNKT

THEMENSCHWERPUNKT ZAHLUNGSVERKEHR DER KAMPF UM DEN KUNDEN Konsolidierung der europäischen Zahlungsverkehrsbranche In der europäischen Payments-Industrie zeigt sich eine rege Übernahmetätigkeit. 2017 hat sich die Geschwindigkeit deutlich beschleunigt, weitere Transaktionen sind bereits absehbar. Haupttreiber ist die Ambition mehrerer Player, dominante europäische Anbieter mit Skalenvorteilen zu bilden und neue attraktive Segmente der Wertschöpfungskette abzudecken. Hinzu kommt die starke Präsenz von Private-Equity-Investoren. Der Erhalt der Kundenschnittstelle wird so zu einer strategischen Priorität für Banken. Das Jahr 2017 war im Payments-Sektor von zahlreichen Übernahmeaktivitäten geprägt. Beispiele dafür sind die Übernahme von Worldpay durch Vantiv, wodurch der größte Anbieter von Payments in Europa entstand, oder der Erwerb des führenden skandinavischen Anbieters Nets durch Hellmann & Friedmann. Auch im deutschsprachigen Raum fand eine erhebliche Bewegung statt. So erwarb die schweizerische SIX Payment Services das Acquiring-Geschäft von Aduno und den girocard-Netzbetrieb von der VÖB-ZVD. Zudem wurde der Verkauf von Concardis an Bain Capital und Advent International abgeschlossen, und Wirecard hat zahlreiche Akquisition kleinerer und mittlerer Größe durchgeführt. Hohe Preise Dies hat zu einer deutlichen Erhöhung der Bewertung sämtlicher Anbieter von Zahlungsverkehrsdienstleistungen geführt. ÿ 1 Insbesondere Private-Equity-Häuser verfügen heute über eine sehr hohe Zahlungsbereitschaft für Payments-Unternehmen in jeder Position in der Wertschöpfungskette. Sie greifen besonders gern zu, wenn mit einer Akquisition ein strategischer Mehrwert geschaffen werden kann, wie der Zugang zu einem bestimmten Markt, zu Vertriebskapazitäten, einer transferierbaren Technologie oder das Angebot einer attraktiven Mehrwertdienstleistung wie z. B. die Integration von Endkunden- Bindungsprogrammen. Hintergrund der steigenden Übernahmetätigkeit ist der Versuch von mehreren Anbietern, europäische und teilweise globale Champions zu bilden, die in der Lage sind, die pan-europäische Ausbreitung von Händlern zu begleiten. Große Teile der Wertschöpfungskette im Payments sind von erheblichen Skalenvorteilen geprägt (insbesondere Acquiring, Processing und bei Schemes). Zudem haben der Investitionsbedarf und der Innovationsdruck zugenommen, vor allem in Verbindung mit der ständigen Notwendigkeit, neue Technologien zu integrieren und zu beherrschen. Der Wettbewerb hat sich in aufwendig zu entwickelnde Mehrwertdienstleistungen verlagert. Eini- ge Beispiel dafür sind die Felder E-Commerce, Abwicklung von Zahlungsver- kehr im Omnichannel-Um- feld und Instant-Payments- Dienstleistungen. Die aktuellen Übernahmen sind ein Versuch, zu den langfristigen Gewinnern im Markt zu gehören. Die Rolle Deutschlands Deutschland nimmt in der aktuellen Konsolidierungswelle eine Schlüsselposition ein. Der europäische Markt wird dominiert durch wenige nationale Märkte: Großbritannien, Frankreich und – mit erheblichem Abstand – Deutschland, Spanien und Italien. Die erfolgreiche Entwicklung eines Skalen-Champions bedingt zwingend eine starke Präsenz in mindestens einem dieser Märkte. Zum einen, um die bestehenden Plattformen auszulasten, zum anderen aber auch, um den Innovationsdruck in diesen wettbewerbsintensiven Märkten für die Weiterentwicklung des Modells zu nutzen. 14 02 // 2018

THEMENSCHWERPUNKT ZAHLUNGSVERKEHR 1 | Steigende Bewertung von europäischen Payments-Unternehmen 26 24 22 45 % Prämie 20 18 16 14 0 Jan 14 72 % Prämie Apr 14 Juli 14 Okt 14 Jan 15 Apr 15 Juli 15 37 % Prämie 17 % Prämie Okt 15 Jan 16 Apr 16 Juli 16 Okt 16 Jan 17 Apr 17 Juli 17 STOXX Europe 600 Index Europäischer Payments-Unternehmen 1 1 Beinhaltet Worldpay, Worldline, Wirecard, Ingenico, Paysafe, Paypoint Quelle: Oliver Wyman. Deutschland ist der einzige große Markt, der noch zugänglich ist. Zudem bietet der deutsche Markt enormes Wachstumspotenzial, da im Vergleich zu Großbritannien und Frankreich die Durchdringungsrate mit elektronischen Zahlungsmitteln wesentlich geringer ist. Jedes verfügbare Asset im Payments-Bereich aus Deutschland ist somit im aktuellen Umfeld von enormem strategischem Wert für ambitionierte europäische Anbieter. Die Bedeutung des Zahlungsverkehrs für Banken Payments-Vorgänge sind die häufigste Form der Interaktion sowohl mit Firmen- als auch mit Privatkunden. Sie sind eine Quelle sehr wertvoller Daten und eine Möglichkeit, Mehrwertdienstleistungen zu positionieren. Ein Verlust des Zugangs zum Zahlungsverkehr würde die Position der Banken erheblich schwächen. Deutsche Banken haben bereits teilweise ihre Aktivitäten im Acquiring-Geschäft veräußert. Dies gilt nicht für das Issuing-Geschäft, also die Herausgabe von Debit- und Kreditkarten sowie der Ausgabe anderer Zahlungsmittel. Die Kontrolle über das Issuing wird traditionell als bedeutsam für den Erhalt der Kundenschnittstelle betrachtet. Jedoch erodiert diese Rolle des Issuings. Ein Treiber ist dabei die Regulierung, zum Beispiel zu PSD 2, sowie Instant Payments. Verschärft wird dies durch die Präsenz von alternativen Anbietern wie PayPal, Apple Pay oder SamsungPay. Durch diese wird die traditionelle Bindung des Zahlungsvorgangs an die Kontoführung erodiert. Weitere Treiber sind insbesondere die zunehmende Virtualisierung von Karten und die Erfolge in der Kundenakquisition von zahlungsverkehrsorientierten FinTechs. Es stellt sich die Frage, was die Folge für Banken sein wird. Sie geben einen Großteil des Zahlungsverkehrs – sprich händlerorientierte Aktivitäten – zu einem Zeitpunkt auf, zu dem andere Akteure zur Ausweitung ihrer Positionen tendieren und sinkende Margen auf der kundenfokussierten Issuing-Seite entstehen. Die Entwicklung europäischer Champions wie Worldline, Vantiv-Worldpay oder Adyen sorgen für einen höheren Performance-Druck für alle Akteure im Bereich Zahlungsverkehr. Damit sind alle Marktteilnehmer gefordert, ihre eigene Position zu überdenken. Zwei Möglichkeiten zeichnen sich ab: Entweder massiv zu investieren und dadurch an den Ertragspotenzialen zu partizipieren. Dies kann über Kooperationen erfolgen und wird stark auf Mehrwertdienstleistungen und die Nutzung der Chancen im Omnichannel setzen. Oder aber, wenn diese Bereitschaft fehlt, kann die aktuell hohe Bewertung genutzt werden, um die Aktiva zu einem attraktiven Preis zu veräußern. Losgelöst von dieser Perspektive stellt sich die grundlegende Frage, wie die Kundenschnittstelle am besten erhalten werden kann. Eine erfolgreiche Positionierung im Bereich Instant Payments, die sich gerade in ganz Europa entwickelt, scheint in diesem Zusammenhang besonders wichtig. FAZIT Das Aktivitätsniveau für Übernahmen im Bereich Payments ist sehr hoch und mehrere Anbieter verfügen über die Ambition, einen europäischen Champion zu bilden. Deutschland nimmt dabei eine besondere Rolle ein, mit einer Kombination aus bereits hohem Marktpotenzial und sehr guten Wachstumsmöglichkeiten. Payments ist die am häufigsten genutzte Kundenschnittstelle im Privat- und Firmenkundengeschäft. Ein Verlust dieser Schnittstelle wäre für Banken strategisch gefährlich. Für die künftige Kontrolle dieser Schnittstelle ist mehr als nur die Kontrolle des Karten-Issuings notwendig, es braucht eine besondere Anstrengung der deutschen Banken zum Erhalt und zur Rückgewinnung der Kundenschnittstelle und damit verbundenen Erträgen. Autoren Dr. Roger Stettler ist Principal bei Oliver Wyman in Zürich. Er ist verantwortlich für das Beratungsgeschäft im Retail- und Businessbanking. Martina Weimert ist Partnerin bei Oliver Wyman, Paris. Beide haben an mehreren kürzlich durchgeführten M&A-Transaktionen im Payments-Bereich mitgewirkt. 02 // 2018 15

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