DIGITALISIERUNG Agile Entwicklungsmethoden an die regulatorische Leine gelegt: Neben Reg-Techs aus der Start-up-Branche sind auch erfahrene Lösungsanbieter am Start. Startschuss eingehend auf Herz und Nieren zu prüfen. Vor allem, um die grobe Zielrichtung nicht zu verfehlen oder unerwünscht in eine Kostenfalle hineinzugeraten, eine technologische Sackgasse, aus der sich später nur durch nachträgliche Investitionen wieder herausfinden lässt. Herausforderungen adressieren Vor Beginn jeder Initiative steht deshalb das maßgeschneiderte Design der relevanten Geschäftsprozesse im Vordergrund, die sich exakt in den abgebildeten Strukturen niederschlagen. Es handelt sich unabhängig von den Werkzeugen um möglichst klar umrissene Grundlagen aus dem IT-Projektmanagement, die gerade im Umfeld der agilen Regulatorik eine besondere Herausforderung darstellen. Nicht ohne Grund sprechen Experten hier von einer „dynamischen Komplexität“, um negative Rückkoppelungseffekte und nicht-lineare Interaktionen zu verhindern. Gerade in der frühen Konzeptionsphase sind drastische Fehlanreize in die falsche Richtung zu vermeiden. Worin liegt nun der Vorzug der agilen Methoden aus dem Projektmanagement? Ihr Vorteil liegt zum einen in einem fortlaufenden Feedback aus unterschiedlichen Berichtssystemen und der hohen Selbstorganisation, aus den in der Regel dezentral aufgestellten Strukturen. Die agile Methodik sollte dazu beitragen, die Integration aller relevanten regulatorischen Anforderungen und Prozesse so zu gestalten, dass es gelingt, Risiken effizienter zu managen und jederzeit die relevanten Berichtsergebnisse verbindlich abzusichern. Kostenreduktion als Fernziel Während sich in Deutschland erst rudimentäre Strukturen zu dieser sich global neu formierenden RegTech-Szene abzeichnen, adressieren andere Spieler bereits seit geraumer Zeit dieses Terrain. Aktuelle Vertreter sind beispielsweise Alyne, Cloudmargin oder Kyolab. Die jungen Wachstumsunternehmen werben mit dem Argument von effizienten Lösungen, um die regulatorischen Anforderungen beispielsweise an das Risikomanagement oder spezielle Compliance-Funktionen besser zu adressieren. Die geschäftliche Notwendigkeit liegt auf der Hand: Angesichts einer hochdynamischen Regulierung sind Finanzinstitute unabhängig von ihrer Größenordnung dazu aufgefordert, das Anforderungsprofil an die Umsetzung gesetzlicher Initiativen ständig zu erweitern bzw. zu skalieren. Die RegTechs führen ihrerseits den Vorteil auf, im modus operandi gegenüber traditionellen Unternehmenslösungen nicht nur deutlich rascher, sondern auch erheblich kostengünstiger zu arbeiten. In der Endbetrachtung lässt sich das Kostenargument allerdings nicht immer einlösen, etwa im Vergleich mit etablierten Softwareanbietern. Somit gilt es, hochgesteckte Leistungsversprechen kritisch zu hinterfragen, etwa wenn es sich um eine Softwarelösung handelt, die verspricht, Unternehmen bei Verstößen gegen Regulierungsauflagen automatisch auf Fehlerquellen und Verstöße hinzuweisen (inklusive Echtzeit-Reporting an das Management). Jedes System ist nur so gut, wie das schwächste Glied in der Kette. Mehr Verantwortung für dezentrale Geschäftseinheiten Unter Umständen lassen es kreativ improvisierende Start-ups an einer breiten Abdeckung aller Anforderungen vermissen. Eine selektiv erfolgreiche agile Lösung zieht eben noch nicht automatisch den Erfolg an anderer Stelle nach sich. So kommen neben den RegTechs aus der Start-up-Szene als Lösungsanbieter auch erfahrene Softwarespezialisten in Betracht. Beispiel GFT: Auch der international operierende Lösungsanbieter ermöglicht es Finanzinstituten, das Themenfeld der agilen Regulatorik über die gesamte Prozesskette zu betrachten und zu adressieren. Die Lösung basiert auf einem Softwarewerkzeug und adressiert nach Auskunft des Anbieters kostengünstig diverse Anforderungen, wie beispielsweise BCBS 239, Mi-FID II, EMIR, FRTB, SMR sowie Dodd-Frank. Der Ansatz fußt auf Best Practices, um die jeweiligen Anforderungen exakt zu spezifizieren – und hernach funktionale Designs bereitzustellen. Die Lösung sieht vor, alle wesentlichen Informationen zum Status der Implementierung in einem übersichtlichen Berichtswesen (Dashboard) zusammenzuführen. Dazu gehören beispielsweise Content Feeds, Taxonomie und Repository. Von hoher Bedeutung sind in diesem Kontext unabhängig von der Lösung eines Anbieters möglichst klar definierte Rollen und Zuständigkeiten, um die passenden Handlungsempfehlungen für das Kerngeschäft anhand eines funktionalen Lösungsdesigns zu identifizieren, inklusive integriertem Workflow- und Task-Management. Die softwarebasierte Lösung von GFT verknüpft dazu drei Komponenten: Ein Dokumentenmanager bündelt die Informationen aus Hunderten von Publikationen und Quellen – und liefert so aktuelle Updates zu regulatorischen Änderungen. Dies soll den Nutzer in die Lage versetzen, die Auswirkungen jeder einzelnen Bestimmung eigenständig zu bewerten, daraus resultierende Aktivitäten abzuleiten und Statusfunktionen fortlaufend zu überwachen. Dies unterstreicht 60 02 // 2017
DIGITALISIERUNG das Grundprinzip der agilen Regulatorik, denn dezentrale Geschäftseinheiten erhalten mehr Verantwortung. Nicht nur sind bestehende Geschäftsprozesse mit regulatorischen Anforderungen zu verknüpfen und daraus automatisiert funktionsübergreifende Umsetzungsanforderungen und Vorschläge abzuleiten. Hinzu treten statusbasierte Managementfunktionen, um den jeweiligen Fortgang in der Umsetzung via Dashboard anhand von umfangreichen Konfigurationsmöglichkeiten sichtbar zu machen. Derartige Softwarelösungen sollen vor allem global operierende Finanzinstitute dabei unterstützen, die Fülle an international komplexen Herausforderungen zu meistern. Klar ist dabei innerhalb des agilen Gestaltungsmodells, dass die Lösungsansätze für alle Nutzer je nach Priorisierung zugänglich sein müssen. Dadurch ließen sich – so zumindest das Credo der Anbieter – sowohl die Gesamtkosten als auch das Risiko deutlich verringern. Hybrides Gestaltungsmodell Im Zuge von Cloudanwendungen, Big Data, Mobile Computing und damit verbundenen hybriden Gestaltungsoptionen nimmt der Umbau der IT-Infrastrukturen in allen Branchen weiter an Fahrt auf. Die Lösungsansätze der RegTechs wirken hier zunächst als belebendes Element am Markt, entweder seitens etablierter Softwareanbieter oder durch Startups. Ob die agile Regulatorik eine breite Anwendung findet, ist derzeit noch offen. Zunächst einmal steht der Oberbegriff der agilen Regulatorik für ein neues Marktsegment, das sowohl für bereits vorhandene als auch neu implementierte IT-Lösungen im Bereich des regulatorischen Umfelds und der Compliance beansprucht, eine übergreifende Gesamtschau darzustellen. All dies zu deutlich reduzierten Gesamtkosten. Der wesentliche Vorteil einer flexiblen und offenen Vorgehensweise im Zuge des agilen IT-Projektmanagements besteht darin, kurzfristige Änderungen und Anpassungen (Customizing) in einem dynamischen Umfeld bei einzelnen Parametern nahezu jederzeit berücksichtigen und einarbeiten zu können. Fest steht aber auch: Für Banken und Finanzdienstleister sind die im Zuge der Regulatorik in Eigenverantwortung abzuleistenden Hausaufgaben kaum weniger geworden. FAZIT Neue bankenaufsichtlich getriebene Services stellen keine automatische Gewähr dar, die regulatorische Effizienz von Banken kostengünstig und effizient optimieren zu können. Nachhaltig profitieren dürfte die Finanzwirtschaft in den kommenden Jahren allerdings unter der Prämisse, dass es gelingt, die technologischen Konzepte der RegTechs auf der Basis deutlich vereinfachter IT-Architekturen in den Banken zu implementieren. Im Idealfall würden sich so alte und neue Vorgehensweisen aus dem IT-Projektmanagement in einer sinnvollen „hybriden Mixtur“ ergänzen. Auf der Habenseite der agilen Methodik stehen am Ende vor allem ein besserer Informationsfluss und kürzere Entscheidungswege zwischen IT- und Fachabteilungen. Nicht zuletzt kann sich dieser strategische Vorteil auch auf der Kosten- und Effizienzseite manifestieren. Eine sorgsam implementierte Lösung könnte den rascheren Rückfluss des eingesetzten Kapitals und eine stärkere Bindung der Stakeholder an das jeweilige Vorhaben ermöglichen. Zusammengefasst: Die agile Regulatorik stellt unter bestimmten konzeptionellen und organisatorischen Voraussetzungen ein noch junges Anwendungsgebiet mit neuen Chancen, aber auch inhärenten Risiken dar. Sie bedeutet einerseits die Abkehr von einer isolierten Betrachtung einzelner Teilprozesse, und andererseits die Hinwendung zu relevanten Kerngeschäftsprozessen über aussagekräftige Berichtssysteme in Echtzeit. Autor: Lothar Lochmaier 16. März 2017 Le Méridien München Die Welt der Finanzdienstleister wird nicht einfacher. Digitalisierung, Niedrig- - - Jetzt anmelden unter www.cibi.de 02 // 2017 61
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