DIGITALISIERUNG ROUND TABLE DIGITALISIERUNG III: BANKEN UND FINTECHS Sie brauchen einander In den bisherigen Round-Table-Gesprächen zur Digitalisierung standen vor allem die Chancen und Bedrohungen des digitalen Wandels sowie der bisher erreichte Umsetzungsstatus aus Sicht verschiedener etablierter Institute des Bankensektors im Fokus 1 wie aber beurteilen FinTechs die aktuellen Entwicklungen? Welche Strategien verfolgen sie und wie wird die digitalisierte Bankenwelt 2025 aussehen? Über diese und weitere Fragen diskutierten Robert Henker (Co-Founder und CEO von Cashboard), Johann Horch (CEO von niiio), Dr. Tim Sievers (Gründer und Geschäftsführer von Deposit Solutions) sowie Dr. Tim Thabe (Gründer und Geschäftsführer) und Dr. Lukas Friedrich Lang (Vertriebsleiter) von Creditshelf mit Andreas Lukic, (Vorsitzender der Business Angels FrankfurtRheinMain), Prof. Dr.-Ing. Dr. Oec. Thomas Schildhauer (Geschäftsführender Direktor des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft)sowie mit den Partnern der Managementberatung Skubch & Company, Dr. Martin Deckert und Dr. Daniel Pehle. die bank: Wie beurteilen FinTechs aktuell die Bankenwelt? Was kritisieren Sie an den etablierten Banken und deren Geschäftsmodell? Thabe: Wir kommen selbst aus der Bankenwelt. Würden die etablierten Banken einen super Job machen, gäbe es uns nicht. FinTechs gibt es, weil Banken heute aus verschiedensten Gründen die Kundenseite nur lückenhaft bedienen. Die meisten etablierten Banken sind in rigiden Strukturen und veralteten Systemen gefangen und entsprechend schwerfällig. Sehr teure Prozesse in Banken führen dazu, dass Kundenbedürfnisse außerhalb dessen, was die Banken als Standard definiert haben, nicht hinreichend berücksichtigt werden können. Die Etablierten sind weder innovationsfreudig noch -fähig, da eigentlich benötigte Entwicklungsressourcen von regulatorischen Anforderungen absorbiert werden. Lang: Für den einzelnen Manager gibt es keine Anreize, innovative Initiativen umzusetzen, und lange Entscheidungswege führen dazu, dass innovative Ansätze irgendwo versanden. Gute Ideen gibt es in jeder Bank, entweder von den Mitarbeitern selbst oder als Feedback von der Kundenseite. Wenn es an die Umsetzung geht, wird es allerdings schwierig. Sievers: Die etablierten Spieler im Finanzmarkt beschäftigen sich häufig noch zu sehr mit den eigenen Interessen und Strukturen, statt ihr Geschäft konsequent vom Kunden her neu zu denken. Viele sehen sich gezwungen, bestehende Margen auch in Bereichen zu verteidigen, die möglicherweise nicht zukunftsfähig sind. FinTechs haben demgegenüber weder geerbte Strukturen noch Bestandsgeschäft zu berücksichtigen. Ihr großer USP ist eine radikale Fokussierung auf den Kunden und seine Bedürfnisse. die bank: Verkrustete Strukturen verhindern also eine bessere Kundenorientierung. Gilt diese Einschätzung nur für die technische Seite oder betrifft das auch die Kultur? Thabe: Beides hängt zusammen. Wer in einer großen Bank einen Prozess ändern will, bekommt als erstes immer die Antwort: das geht nicht, das können wir gar nicht anders machen, weil da zig Abhängigkeiten dranhängen. Die Erkenntnis, dass man etwas ändern müsste, ist bei den Banken ja durchaus vorhanden. Die Mitarbeiter wollen Änderungen. Der Vorstand auch. Aber in der Mitte, da trifft man oft auf eine Betondecke. Und diese Betondecke müsste man aufbrechen, aber das funktioniert nicht. Wir haben unserem damaligen Arbeitgeber unsere Idee vorgestellt. Aber das hat nicht funktioniert. Man kommt da aus den unterschiedlichsten Gründen nicht wirklich weiter. Bei einer kleinen Bank oder als Fin- Tech bekommt man Innovationen viel schneller umgesetzt, weil die Entscheidungswege wesentlich kürzer sind. Sievers: Wo neue Angebote bestehende Produkte ersetzen, kannibalisiert Innovation ja auch ein Stück weit bestehendes Geschäft. Seine Margen zu verteidigen, ist ja erst mal logisch und rational. Auf die Erkenntnis zu setzen, dass ein „Weiter so“ nicht nachhaltig wäre und man etwaige Einbußen beim Altgeschäft durch mehr Geschäft mit neuen Angeboten überkompensieren kann, erfordert vorausschauendes Handeln und unternehmerischen Mut. Was die etablierten Banken beim Thema Digitalisierung wirklich falsch machen, ist, dass ihnen die Langfristigkeit im Ertragsdenken fehlt. In vielen Fällen ist es doch so, dass FinTechs in Kooperation mit Banken bestimmte Value Chains ein Stück weit neu strukturieren und dazu beitragen, Kosten einzusparen und neue Dienstleistungen zu schaffen. Henker: Auch wir haben die Erfahrung gemacht, dass bei Kooperationen das Middle Management blockiert. Oft ist es doch so, dass die Banken drei, vier Leute bestimmen, die dann Projekte machen sollen. Auf dieser kleinen Gruppe landet im Prinzip die ganze Wucht der Digitalisierung. Das kann nicht funktionieren. Auffallend ist aus meiner Sicht allerdings, dass sich zumindest auf der oberen Managementebene in den vergangenen zwei, drei Jahren ein Mind Shift vollzogen hat. Als wir angefangen haben und auf der Suche nach einer Partner-Bank waren, da hat uns der Vertriebsleiter eines nicht ganz unbekannten Instituts geantwortet: „Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir mit Ihnen zusammenarbeiten?“ Drei Jahre später hat sich sein CEO auf einer Konferenz verwundert gezeigt, dass man sich noch niemals getroffen habe, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu erörtern. 50 02 // 2017
DIGITALISIERUNG Dr. Martin Deckert Johann Horch Robert Henker die bank: Herr Lukic, Sie setzen sich professionell mit den Perspektiven von FinTechs auseinander… Lukic: Als Business Angel habe ich seit Ende der 1990-er Jahre schon mehrere dieser Wellen erlebt. Interessant ist, dass wir vor zehn und vor zwanzig Jahren in anderen Industrien exakt die gleichen Diskussionen geführt haben. Mich wundert, dass die Banken aus diesen Entwicklungen offenkundig nichts gelernt haben. Am Ende ist es die Digitalisierung, die die Industrien bewegt hat. Fakt ist, dass FinTechs wesentlich agiler und kreativer sind . Was wir aus den anderen Industrien gelernt haben: ein paar Menschen begreifen sehr schnell, was passiert, und die setzen sich an die Spitze. „The winner takes it all“. Und es spricht wenig dafür, dass dies im Finanzbereich nicht auch so sein wird. Schildhauer: Der Leidensdruck ist in dieser Frage bei den Banken auf jeden Fall gestiegen. Und dazu haben die FinTechs das meiste beigetragen. Viele Verantwortliche haben ganz klar erkannt, dass es ganze Teams gibt, die nicht mehr bereit sind zu akzeptieren, wie langsam sie in ihrem etablierten Umfeld vorankommen. Talente, die ausscheren und die inzwischen auch genügend Finanzierungsmöglichkeiten und Menschen finden, die an sie und ihre innovativen Ideen glauben. Bankintern erzeugt das einen enormen Veränderungsdruck. Hinzu kommt, dass sich das durchschnittliche Konsumentenprofil verändert, Kunden gehen nicht mehr so oft in die Filialen. Auch daraus entsteht eine Wirkmächtigkeit, Ressourcen anders zu allokieren. die bank: Warum werden FinTechs im sich weiter dynamisch wandelnden Bankenmarkt erfolgreich sein? Was ist ihr entscheidender USP? Schildhauer: FinTechs werden mit ihren innovativen Lösungen den aktuellen Kundenanforderungen besser gerecht, bieten verbesserte Zugänglichkeit, Komfort und maßgeschneiderte Produkte. Die Kunden haben inzwischen mit Unternehmen wie Google, Amazon und Apple positive digitale Erfahrungen gemacht und erwarten das gleiche Niveau nun auch von ihren Finanzdienstleistern. Auch die neuen Kunden der Generation Y und ihre Vorliebe für Geschwindigkeit und Komfort werden die Einführung von FinTech-Lösungen weiter beschleunigen. Für FinTechs sehe ich insgesamt große Chancen, zukünftig Nischen zu besetzen, deren Unterhaltung sich für etablierte Unternehmen nicht lohnt bzw. für die spezifisches Technologie- und Prozesswissen nötig ist. Horch: Für den Vergleich zwischen Bank und FinTech wird gern das Bild vom Tanker und dem Schnellboot verwendet. Für mich ist das eine falsche Assoziation. Eine Bank gleicht viel eher einem Flugzeugträger, auf dem die FinTechs es sich erlauben, zu landen und wieder wegzufliegen, wie es ihnen passt. Und eins haben die FinTechs inzwischen verstanden: allein können sie nicht erfolgreich sein, sie brauchen dieses Mutterschiff zum Betanken, sei es mit finanziellen Mitteln oder mit Kunden. Die erste Generation der FinTechs hat ihr Heil fast ausschließlich im B2C-Geschäft gesehen. Die zweite Generation beginnt nun zu erkennen: okay, wir brauchen die Banken. Manche haben ihre Plattform als White Label bereits an eine Bank verkauft. Viele setzen jetzt verstärkt auch auf das B2B-Geschäft, um ihre Existenz abzusichern. Damit wächst allerdings die Gefahr, an Eigenständigkeit zu verlieren. Wenn ein FinTech eng mit einer Bank zusammenarbeitet, und die Bank dieses White Label - oder wie auch immer das Modell heißen mag - bezahlt, dann wird dieses FinTech nach fünf Jahren nicht mehr da sein. Wer bezahlt, diktiert die Regeln. die bank: Wollen FinTechs lieber bei einem Etablierten andocken oder trauen sie es sich zu, alleinden Markt aufzurollen? Lukic: Wie sich etwas entwickelt, liegt letztlich an der Finanzierung. In Deutschland gibt es im Augenblick mehrere hundert FinTechs. Aus Investoren-Sicht bedeutet dies, dass bei jedem möglichen Engagement sehr genau hingeschaut wird: Habe ich da einen Exit? Kann ich eine Kooperation dazu nutzen, mehr Kunden zu bekommen, bessere Skaleneffekte zu erzielen? Ähnliche Vorstellungen werden auch die FinTech-Gründer im Kopf haben. Henker: In Europa fehlen disruptive Modelle, weil der Markt das einfach nicht hergibt. Er ist unglaublich fragmentiert, die Bevölkerung altert, ist wenig mobil und für Neues nicht offen genug. Dies alles hat zur Konsequenz, dass es für ein richtig disruptives Modell kein Kapital gibt.Wie sich zeigt, können sehr wohl Innovationen in Form von wertstiftenden Modellen für den Kunden entstehen, die sich monetarisieren lassen. die bank: Warum schließen FinTechs sich nicht zusammen, um eine mächtigere Position zu bekommen? Lukic: Gerade bei FinTechs handelt es sich doch meist um noch recht junge Unternehmer mit sehr ausgeprägten Persönlichkeiten. Da überwiegt 02 // 2017 51
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