Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 02 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó IT & KOMMUNIKATION

ó IT & KOMMUNIKATION tikanal- und Filialkunden weg. Von den rund 14 Mrd. € haben FinTechs die Chance, einen Marktanteil von 20 Prozent zu erringen, was einem Kreditvolumen von 2,8 Mrd. € entspricht ” 3. Geht man davon aus, dass 20 Prozent aller von klassischen Banken abgelehnten Kreditanfragen im Jahr 2020 durch Fin- Techs vermittelt werden können, ergibt sich ein zusätzliches Marktpotenzial von 1,6 Mrd. € pro Jahr. Zusammen entsprechen die gut 4 Mrd. € einem Marktanteil von 5,5 Prozent. Insgesamt besitzt der Markt bereits eine hohe Reife und verspricht nach wie vor eine gute Marktperspektive, was die hohen Investitionen in diesen Bereich unterstreichen. Der Disruptionscharakter dagegen ist als mittelhoch einzuordnen, da die Gefahr durch bankinterne Maßnahmen stark relativiert werden kann und nur eine mittlere Bedrohungslage für etablierte Banken darstellt. 2 Die Potenziale von FinTechs sind in mehreren Dimensionen zu bewerten Kredit Geldanlage Reifegrad hoch mittel gut gering hoch gut Bedeutung für Banken Insgesamt gehen wir davon aus, dass FinTechs bis 2020 zwischen 0,5 Prozent und 5,5 Prozent der hier betrachteten Märk- Disruptionscharakter Marktperspektive Zahlungsverkehr sehr gering sehr hoch begrenzt Bewertung mit Sternen gibt relative Stellung des jeweiligen FinTech-Markts im Vergleich zu allen FinTech-Märkten in Deutschland an. Quelle: Investors Marketing AG, IM-FinTech-Studie 2016. Geldanlage – Robo Advisor als neues Angebot Nach dem Kreditmarkt ist der zweite wesentliche FinTech-Geschäftsbereich der private Anlagemarkt. Hier finden sich Affiliates, die Geldanlagen vermitteln, Personal Finance Manager, also Plattformen zur Analyse der eigenen Finanzen, Social-Trading- Plattformen, die Anlagen nach dem Peer-to-peer-Prinzip ermöglichen, sowie die Robo Advisors, die Anlageempfehlungen im engeren Sinne, meist auf ETF-Basis, geben. Letztere sind die größte Gefahr für Banken und stehen deshalb hier im Mittelpunkt der Betrachtung. Durch stark vereinfachende Anlageentscheidungen und den Wegfall komplexer Anforderungen aus der Regulatorik adressieren Robo Advisors neben Selbstentscheidern auch beratungssuchende Anleger, insbesondere jene, die aus Zeitgründen bisher auf einen langwierigen Wertpapierberatungsprozess verzichtet haben. Robo Advisors bieten im Rahmen einer stark vereinfachten Risiko- und Zielabfrage des Anlegers eine automatisierte Anlagevermittlung über Modellportfolios. Für die Berechnung des Marktpotenzials für Robo Advisors wurden die Wertpapierbestände in Deutschland aus dem Jahr 2014 herangezogen. Analog zur Berechnung oben wurden nur onlineaffine Kundengruppen als mögliches Potenzial für Robo Advisor herangezogen. Aufgrund des geringen Involvements von Kunden bei Geldangelegenheiten und des hohen Kundenaufwands beim Wechsel eines Depots wird eine aktive Wechselbereitschaft lediglich bei zehn Prozent der potenziellen Kunden angenommen. Daraus ergibt sich für Robo Advisor im Jahr 2020 ein Potenzial von 13,3 Mrd. € Wertpapiervolumen ” 3. Zudem verfügten die privaten Haushalte in Deutschland im vergangenen Jahr über Termin- und Spareinlagen von rund 880 Mrd. €. Nach analoger Rechnung ergibt sich hier ein Potenzial für Robo Advisor von knapp 12 Mrd. €. In Summe addiert sich das Marktpotenzial für das Jahr 2020 auf ein Anlagevolumen von gut 25 Mrd. €. Dies entspricht einem Marktanteil von 2,5 Prozent. Allerdings ist der Disruptionscharakter hoch, was die Banken vor die Herausforderung stellt, ihr Einlagengeschäft, inklusive Terminund Spareinlagen, sowie das Wertpapiergeschäft abzusichern. Schwieriges Terrain Zahlungsverkehr – Fokus Girokonto Eine noch größere (Disruptions-)Gefahr stellen End-to-End-Banking-FinTechs als wichtigste Vertreter im Bereich des Zahlungsverkehrs (neben B2C- und B2B-Payment) dar, welche sich bewusst als Alternative zu etablierten Kreditinstituten positionieren. Ein wirkliches Gefährdungspotenzial für etablierte Finanzinstitute entsteht hier dann, wenn neben dem durchschnittlichen Ertrag von 150 € pro Gehaltskonto, die komplette Kundenverbindung verlagert wird und die Bank nicht mehr als Ansprechpartner für Finanzfragen an erster Stelle steht. Basis zur Potenzialberechnung im Jahr 2020 sind die aktuell 98,6 Millionen Girokonten in Deutschland. Da bei kostenlosen Girokontomodellen nur Erträge bei aktiver Kontonutzung entstehen, werden von diesem Bestand die girokontobasierten Mehrfachbankverbindungen außen vor gelassen, was ein Potenzial von 70 Millionen Gehaltskonten ergibt. Der Wechsel auf insbesondere mobile Girokonten wie bei Number 26 betrifft auf Sicht von fünf Jahren nur den Kreis der Online-Kunden, das entspricht 18,9 Millionen Kunden. Durch die in diesem Bereich sehr träge Wechselbereitschaft der Kunden besteht ein realisierbares Potenzial von 0,5 Millionen Gehaltskonten bei den End-to-End-Banking-Anbietern bis zum Jahr 2020. 56 diebank 02.2016

IT & KOMMUNIKATION ó te erobern können ” 3. Die monetarisierte Marktmacht der Fin- Techs bleibt damit auf absehbare Zeit hinter der medialen Aufmerksamkeit zurück. Deshalb allerdings von einem kurzfristigen Hype zu sprechen, wäre fahrlässig. FinTechs liefern eine Vielzahl intelligenter Finanzlösungen und kreativer Neuangänge in der Bearbeitung des Privatkundengeschäfts. P2P-Crowdlending, Robo Advisor und digitale End-to-End-Banking-Lösungen sind dabei nur einige sprechreife Ansätze, die Kundenbedarfe unter intelligenter Ausnutzung von technisch Möglichem in optimaler Weise adressieren. Dieser kreative Gründergeist ist gerade dabei, über Jahrzehnte etablierte Ansätze und Strukturen im Privatkundengeschäft aufzurütteln. Auch Kunden fordern diese Veränderung ein – auch aufgrund einer gewissen Resignation im Umgang mit traditionellen Instituten. So hat beispielsweise die IM-Privatkundenstudie 2015 mit einer Befragung von über 1.000 Privatkunden in Deutschland ergeben, dass für 21 Prozent der Befragten im Alltag Banken eine immer geringere Relevanz haben und selten gebraucht werden. Dagegen steigt die Bedeutung neuer, digitaler Wettbewerber: 3 Erwartete Marktanteile FinTechs bis 2020 4 5,5 % 80,8 4,4 Konsumentenkredit (Neugeschäft in Mrd. EUR) Bedeutung der Banken im Alltag nimmt ab – neue Anbieter nehmen inzwischen eine größere Rolle ein Banken haben in meinem Alltag eine immer geringere Relevanz, ich brauche sie nur selten – stimme (voll und ganz) zu Endkunde Neue Anbieter (z. B. Paypal) spielen in meinem alltäglichen Leben eine immer größere Rolle Endkunde 944,1 2,5 % 25,3 Geldanlage (Wertpapierbestand in Mrd. EUR) Gesamt FinTechs 2020 98,6 0,5 Girokonten (Mio. Konten) Quelle: Investors Marketing AG, IM-FinTech-Studie 2016, Prognose Investors Marketing auf Basis Deutsche Bundesbank (Stand Ende 2014). 21 % 26 % 0,5 % Quelle: Investors Marketing AG, IM-FinTech-Studie 2016; Endkundenbefragung N = 1.029. 26 Prozent der befragten Privatkunden geben an, dass neue Anbieter für Finanzdienstleistungen, wie z. B. Paypal, eine immer größere Rolle spielen in ihrem Alltag ” 4. FinTechs tragen also in erster Linie dazu bei, die Kundenerwartungen zu verändern, die unter anderem an Banken herangetragen werden. Aktionistisches Über-Bord-Werfen von Etabliertem und stumpfes Nacheifern der neuen Wettbewerber wäre dabei für Banken und Sparkassen ebenso verheerend wie ein trotziges Verharren in alten Denkmustern – denn beides wäre die sichere Selbstaufgabe. Um die nachhaltige Zukunftsfähigkeit zu sichern, ist vielmehr der externe Impuls für Banken als Chance zu sehen, um einen selbstgesteuerten Erneuerungsprozess anzugehen. Folgende Vorgehensweise in drei Schritten kann empfohlen werden: 1. Einordnen: Im ersten Schritt ist es entscheidend, sich über die wesentlichen Differenzierungsparameter des eigenen Hauses im Vergleich zu den neuen Wettbewerbern bewusst zu werden. 2. Aufschließen: FinTechs sind in vielen technischen Bereichen den etablierten Instituten voraus. Diesem vor allem in der Customer Experience liegenden Vorsprung sollten Banken und Sparkassen durch eine intelligente Vernetzung ihrer Zugangskanäle begegnen. Ein überzeugendes Multikanalangebot auf Basis von vernetzten Leistungsebenen (Filiale, Online, Telefon) setzt hier klare Akzente gegenüber vornehmlich digital positionierten Anbietern. 3. Vorandenken: Der dritte Baustein sichert die langfristige Zukunftsfähigkeit. Auf Basis einer in Schritt 1 klar definierten Positionierung müssen eigene Innovationsstrategien entwickelt und Innovationsstrukturen geschaffen werden, die durchaus Kooperationen mit FinTechs beinhalten können. Fazit Der Hauptprofiteur dieser Entwicklungen ist zuallererst der Kunde, denn er profitiert von einfacheren, schnelleren und bequemeren Lösungen. Von den FinTechs werden maximal fünf Prozent echte Wettbewerber für Banken und Sparkassen sein, 15 Prozent können sich als wertvolle Kooperationspartner und Dienstleister etablieren, aber 80 Prozent werden wieder in der Versenkung verschwinden. Auf Sicht der nächsten zehn Jahre werden die globalen Internetkonzerne ein großes Stück vom Kuchen abgeschnitten haben, denn ihr Wissen über die Wünsche und das Verhalten der Kunden ist ungleich größer und, was noch viel schlimmer ist, die Kunden kommen leider sehr viel öfter und lieber zu Besuch bei Google & Co. als bei ihrer Bank und Sparkasse. Hier liegt die wahre Herausforderung für alle etablierten Anbieter. ó Autor: Dr. Oliver Mihm ist Vorstand (CEO) der auf den Finanzmarkt spezialisierten Managementberatung Investors Marketing AG in Frankfurt am Main. 02.2016 diebank 57

die bank