Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 02 // 2015

  • Text
  • Banken
  • Unternehmen
  • Diebank
  • Deutschland
  • Banking
  • Optionen
  • Kommunikation
  • Risiken
  • Deutsche
  • Beratung
die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT Mehr

ó FINANZMARKT Mehr Transparenz durch Cleantech-Ratings KAPITALANLAGE Saubere Technologien (Clean Technologies) umfassen alle Produkte und Dienstleistungen, die eine positive und nachhaltige Auswirkung auf Umwelt-, Klimaschutz und den Menschen haben. Mit den knappen Ressourcen unseres Planeten besser, effizienter und umweltschonender umzugehen, damit die Menschheit auch langfristig und nachhaltig überleben kann, bleibt auf Dauer Herausforderung für Wissenschaft und Praxis. Oliver Everling Keywords: Cleantech, Ratings, CSR, nachhaltige Investitionen Der Überbegriff „Cleantech“ beinhaltet sowohl vertikale Anwendungen als auch horizontale Basistechnologien und umfasst eine Vielzahl von Sektoren und Subsegmenten, die den Einsatz neuartiger Verfahren, Produkte und Dienstleistungen zum Zwecke von Effizienzerhöhungen, Leistungs- oder Produktivitätssteigerungen bei gleichzeitiger Emissionsreduktion und Ressourcenschonung gemeinsam haben. Dem Rating, Ranking oder Scoring von Unternehmen aus dem Cleantech-Segment und den sich an diesen bietenden Beteiligungsmöglichkeiten liegt mithin die Idee zugrunde, Transparenz in den für viele Investoren noch undurchsichtigen Markt zu bringen. Für das Wort Cleantech existieren keine Legaldefinitionen und kein Begriffsschutz. Daher nennen sich ein Anbieter von Container-Services oder ein Unternehmen der Gebäudereinigung ebenso Cleantech wie mancher Fonds, der nach sehr strengen Kriterien Investments in Cleantech-Unternehmen sucht. Der Begriff wurde in Deutschland unter anderem durch die Cleantech Initiative Ostdeutschland (CIO) etwas bekannter, die seit Anfang 2011 darauf abzielt, die auf diesem technologischen Zukunftsfeld vorhandenen Potenziale in Ostdeutschland branchen- und länderübergreifend in einem nachhaltig arbeitenden Netzwerk zu bündeln. Die Schwerpunkte orientieren sich dabei am Umwelttechnologie-Atlas des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). Die CIO soll mittelfristig in einen Verein überführt werden, um die Umsetzung der definierten Ziele zu ermöglichen und um der Initiative eine rechtliche Basis zu schaffen, die vom Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer ins Leben gerufen wurde. Neues Anlagespektrum mit US-amerikanischem Vorbild Als Vorbilder dienen Cleantech-Initiativen in den USA, Kanada und Großbritannien. Während allerdings in den USA Clean Technology zumeist mit Clean Energy gleichgesetzt wird, hat die kanadische Leitbörse in Toronto zusammen mit Standard & Poor‘s einen reinen Cleantech-Index aufgelegt, in dem zurzeit 24 Unternehmen gelistet sind. Nur wenige in Deutschland zugelassene Publikumsfonds bekennen sich mit Clean Technology explizit zu diesem Anlagespektrum und weisen sich als spezielle Sektorenfonds aus. Ausnahmen bilden hier der Vontobel Fund – Clean Technology B-EUR oder der Deutsche Invest I Clean Tech LC der Deutsche Bank-Tochter DWS/Deutsche AWM. Dabei mangelt es in Deutschland nicht an Ideen zu umwelfreundlichen Energietechnologien, zu nachhaltiger Wasserwirtschaft oder an Vorschlägen zur Mobilität mit Erdgas, Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellenantrieben. Kompetenzen sind zudem sowohl in der Rohstoff-, Materialund Energieeffizienz vorhanden als auch in den Bereichen Photovoltaik, Solar- und Geothermie, Windkraft, Biomasse oder in der umweltschonenden Nutzung fossiler Brennstoffe in Kombi-, Block- oder Hochleistungskraftwerken. Unternehmen zur Bodensanierung und Renaturierung, zur Absicherung und Beseitigung von Schadstoffen und Altlasten sowie zur Nutzung von Deponiegas weisen oft ebenso interessante Geschäftsmodelle auf wie Unternehmen der Infrastruktur zur Mülltrennung und Sortiertechnik, der Abfallverwertung durch Recycling oder der Abfalldeponierung. Nachhaltiges Design, Life Cycle Assessment oder Carsharing sind weitere Schlagworte, die verschiedenen Leitmärkten und Anwendungsbereichen von Cleantech zugeordnet werden können. Saubere Technologie ist mithin keine abgehobene Wissenschaft für Großkonzerne, sondern trifft ins Mark der Interessen vieler Investoren, Politiker und Stadtentwickler. Die in Europa bei ESG-Investments führende Nordea Asset Management gründet 20 diebank 2.2015

FINANZMARKT ó beispielsweise ihre strategische Ausrichtung konsequent auf der Berücksichtigung von Umwelt- und sozialen Aspekte in ihrem Fondsmanagement. Investoren sollen davon profitieren, wenn ihre Manager im Anlageprozess auch den verantwortungsvollen Umgang mit Umwelt und Gesellschaft sowie Fragen der guten Unternehmensführung berücksichtigen. ESG-Analysen werden deshalb komplett in den Entscheidungsprozess für Anlagen integriert. Dabei geht das Unternehmen gezielt vor und schließt Anlagekandidaten, die den ESG-Kriterien nicht entsprechen, strikt aus. Gleichwohl konzentriert sich Nordea AM konsequent auf die Ertragsmaximierung, bleibt dabei aber integer. Ratingansätze Ratings für Cleantech-Unternehmen ergeben sich einerseits aus den Bedürfnissen von Anleihegläubigern an den Kapitalmärkten, die durch unabhängige Credit Ratings ihre Vermögensdispositionen über Clean Technology Bonds oder auch Mittelstandsanleihen an Urteile anerkannter Ratingagenturen knüpfen wollen, andererseits aus den Bedürfnissen von Banken und anderen Kapitalsammelstellen, ihren Kreditentscheidungen eine durch fundierte interne Ratings objektivierte Basis zu geben. Neben diesen Fremdkapitalgebern sind vor allem auch Eigenkapitalgeber Zielgruppe von Cleantech-Ratings, bei denen es weniger um die Ausfallgefährdung von Finanzforderungen, als vielmehr um die Abwägung von Chancen und Risiken sauberer Technologien geht. Wie die Vielzahl der beschriebenen Cleantech-Anwendungsbereiche vermuten lässt, können Investoren, die sich um ein diversifiziertes Portefeuille aus Cleantech-Titeln bemühen, unmöglich in allen Sachfragen gleichermaßen hausinterne Kompetenz vorhalten. Insbesondere das Screening der Anlagealternativen muss höchst ineffizient bleiben, wenn bei tausenden möglicher Beteiligungsofferten nicht eine Vorselektion erfolgt. Bei kleineren Unternehmen ist die Vielzahl der Spezialisierungen das Beurteilungsproblem, bei größeren Unternehmen die integrierte Erfassung aller operativen Einheiten und die ganzheitliche Betrachtung aller Beurteilungskriterien und Daten. Daher gibt es einen Bedarf an Spezialisten, die durch Bündelung von Kompetenz und Nutzung ökonomischer Skaleneffekte für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen. Bei börsennotierten Cleantech-Unternehmen sind die Dienste von Ratingagenturen, die Dimensionen der Nachhaltigkeit nach ethischen, ökologischen und sozialen Aspekten zu beurteilen, bereits relativ weit entwickelt. So ließ sich im Mai 2014 beispielsweise der Energiekonzern E.ON in Stockholm von der Cleantech Group als „European Cleantech Corporation of the Year“ ausrufen. Inzwischen will sich der Konzern bekanntlich ganz auf Erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen konzentrieren und überführt die Geschäftsfelder konventionelle Erzeugung, globaler Energiehandel sowie Exploration & Produktion in eine neue, eigenständige Gesellschaft. In Deutschland bemüht sich das Deutsche CleanTech Institut (DCTI) um eine Positionierung als CleanTech-Wissensträger mit nationaler und internationaler Vernetzung in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Im Rahmen eines service-orientierten Ansatzes legt das DCTI einen Schwerpunkt auf angewandte Forschung im Themenfeld der sauberen, zukunftsfähigen Technologien und will wissenschaftliche Erkenntnisse in praktikable Konzepte integrieren. Seit Mitte der 1990er Jahre bemühen sich verschiedene Agenturen um Nachhaltigkeitsratings, darunter der deutsche Partner Imug der EI- RIS Global-Plattform, einem weltweiten Netzwerk unabhängiger Ratingagenturen mit einer Datenbank für 3.200 börsennotierte Unternehmen. Anhand von 250 detaillierten Untersuchungskriterien in den Bereichen Umwelt, Stakeholderbeziehungen, Governance, Menschenrechte und Arbeitsbedingungen in der Zuliefererkette sowie sogenannten „Sins“ wie Rüstung, Alkohol, Tabak oder Glücksspiel, können die Unternehmen im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit unterschiedlich strukturiert werden. Zu den weiteren relevanten Anbietern von Nachhaltigkeitsratings zählen Inrate SA aus der Schweiz, Systainalytics aus Kanada und die in München ansässige Oekom Research AG. Letztere vermittelt primär Nachhaltigkeitsinformationen an institutionelle Investoren wie Fondsgesellschaften, Versorgungswerke, Stiftungen, Vermögensverwalter, Banken und Versicherungen. Die rund 3.400 analysierten Unternehmen werden u. a. anhand führender Aktienindizes ausgewählt, nach einem Best-in-Class-Ansatz geratet und formen so z. B. für Fonds ein strukturiertes Anlageuniversum. Agenturen für Nachhaltigkeitsratings beschränken sich somit nicht auf das Rating von Cleantech-Unternehmen, wären mit ihrem Best-in-Class-Ansatz aber auch speziell als Anbieter von Cleantech-Ratings instrumentalisierbar. Fazit Das Cleantech-Attribut kann einem Unternehmen ebenso wenig digital zugeordnet werden wie seine Ausfallgefährdung, die ebenfalls nicht mit „ja“ oder „nein“, „gut“ oder „schlecht“ zu beschreiben ist, sondern durch Ratingskalen feinstufig klassifiziert werden muss. Im Kern geht es also bei einem Cleantech-Rating um die differenzierte Antwort auf die Frage, inwieweit die Erwartungen von Fremdwie auch Eigenkapitalgebern erfüllt werden, durch Unterstützung von Investitionen in nachhaltige Technologien nicht nur eine finanzielle Rendite, sondern eine doppelte Dividende durch ein erkennbar höheres Maß an Nachhaltigkeit zu erzielen. Autor: Dr. Oliver Everling, Geschäftsführer der Rating Evidence GmbH, Frankfurt am Main. 2.2015 diebank 21

die bank