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die bank 02 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT cher nach

ó FINANZMARKT cher nach den aus ihrer Sicht wichtigsten Merkmalen einer guten Geldanlage und einer adäquaten Anlageberatung gefragt. Das Ergebnis ist wenig überraschend, und Faktoren wie Sicherheit (Risiko), Rendite und Kosten der Anlagen sowie die Fähigkeit, Risiken in Übereinstimmung mit ihren Präferenzen zu steuern, hatten aus Kundensicht die höchste Bedeutung. 4 Diese Charakteristika von Kapitalanlagen sind an Finanzmärkten objektiv messbar. Umso mehr verwundert es, dass Kunden nachvertraglich kaum belastbare Informationen zu diesen Kenngrößen ihrer Anlagen erhalten. Tatsächlich sind Finanzdienstleister dazu bisher aber auch nicht verpflichtet. Zwar müssen sie ihren Kunden Depotberichte zur Verfügung stellen, aber Angaben zu Portfoliorenditen oder -risiken werden in diesen Dokumenten meist vergeblich gesucht. Während Finanzdienstleister also diverse vorvertragliche Informationspflichten zu erfüllen haben (PIBs, KIID, Beratungsprotokolle, etc.), sind nachvertragliche Informationen zu den erzielten Renditen vor und nach Kosten sowie den eingegangenen Risiken auf Basis der Gesamtanlagen – und eben nicht auf Basis einzelner Wertpapiere – nicht verpflichtend und tatsächlich auch völlig unüblich. Zudem zeigen Forschungsergebnisse, dass weniger erfahrene Kunden kaum in der Lage sind, die eigenen Anlageergebnisse realistisch abzuschätzen. Kundenseitig kann nicht adäquat beurteilt werden, ob eine faire Rendite auf die eingegangenen Risiken erzielt wurde. Die Möglichkeiten zur Beurteilung des erzielten Anlageerfolgs und der erbrachten Beratungsleistung sind dadurch stark eingeschränkt. Bereits im Jahr 2011 wurde in einer wissenschaftlichen Studie für das damalige Verbraucherschutzministerium auf diese Sachlage hingewiesen. 5 Zwar haben mittlerweile einige Finanzdienstleister erste Schritte in Richtung einer stärkeren Leistungstransparenz durch Veröffentlichung der relevanten Kennzahlen unternommen, aber marktweit hat sich bisher das Informationsdefizit der Konsumenten nicht selbst reguliert. Zudem sind die bisher veröffentlichten Kennzahlen anbieterspezifisch und damit nicht vergleichbar. Es mangelt also nicht nur am Ausweis von Depotrisiko und -rendite, sondern auch an standardisierten Berechnungsverfahren und leicht verständlichen Darstellungsformaten. Da bereits heute einige Anbieter auf freiwilliger Basis in die technische Infrastruktur zum Ausweis von Rendite- und Risikogrößen investieren, sollte der Regulierer richtungsweisende Standards sowohl bei der Berechnungslogik als auch hinsichtlich eines leicht verständlichen Ausweises in der Kundenkommunikation festlegen. Sollten die Kunden die ausgewiesenen Datenpunkte als hilfreich empfinden, könnten in einem späteren Schritt alle Anbieter zum Einsatz der Berechnungslogik verpflichtet werden. Ein sanfterer Eingriff als eine Verpflichtung zur Berechnung und Offenlegung der Rendite- und Risikomaße besteht in der Schaffung von Möglichkeiten zum digitalen Abruf der jeweiligen Wertpapiertransaktionshistorie durch die Kunden selbst. Würde ein einheitliches computerlesbares Datenformat definiert und Finanzdienstleister zur Schaffung der genannten Abrufmöglichkeit verpflichtet, so würde dies mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass neue Anbieter von Vergleichsplattformen anspruchsvolle Auswertungsmöglichkeiten für interessierte Anleger schaffen. Genau dies ist die Grundidee einiger Initiativen, die unter dem Oberbegriff Smart Disclosure zusammengefasst werden können. Allgemein zielt Smart Disclosure darauf ab, dem einzelnen Konsumenten personalisierte Daten aus seinen finanziellen und persönlichen Lebensbereichen zeitnah und in maschinenlesbarer Form zur Verfügung zu stellen, um die Folgen des eigenen Handelns besser zu verstehen. Anhand innovativer Tools, die diese Daten geschickt und handlungsorientiert aufbereiten, sollen Verbraucher zu besseren Entscheidungen bewegt werden. Die Idee eines Smart Portfolio Disclosures stellt ein effektives Mittel zur Förderung des Wettbewerbs und damit zur Verbesserung des Kundennutzens dar. So eröffnet die neugewonnene Transparenz den Kunden eine ganze Reihe Möglichkeiten, die eigenen Anlageergebnisse besser zu verstehen und zu bewerten. Vorstellbar sind zum Beispiel Vergleiche des eigenen Anlageerfolgs mit dem anderer Kunden mit gleicher Risikoneigung, mit dem von Kunden anderer Finanzdienstleister oder mit neutralen Benchmarks. Letztlich eröffnet Smart Portfolio Disclosure somit die Möglichkeit zur Beurteilung des Preis-Leistungs-Verhältnisses der eigenen Kapitalanlagen und damit die faktenbasierte Beantwortung der bereits erwähnten zentralen Frage, ob die erzielte Netto-Rendite im Verhältnis zu den eingegangenen Risiken angemessen erscheint. Zudem erhielten Kunden endlich Transparenz hinsichtlich der Folgen ihres Handels- und Anlageverhaltens. Smart Disclosure könnte helfen, den Kunden die Kosten ihrer Anlagefehler vor Augen zu führen und sie dadurch zu Verhaltensänderungen zu bewegen. Chance für Anbieter Mag Smart Portfolio Disclosure zunächst nur Vorteile auf Kundenseite versprechen, so ergeben sich bei näherer Betrachtung auch anbieterseitig Chancen zu Wettbewerbsdifferenzierung und Markterfolg. Um in einer Welt mit erhöhter Leistungstransparenz zu den Gewinnern zu zählen, müssen Beratungsanbieter die Entscheidungsqualität ihrer Kunden merklich verbessern. Zu diesem Zweck sollten die Anbieter an den typischen Informations- und Verhaltensbarrieren ansetzen, die die Anleger nachweislich vom direkten Weg hin zu ihren finanziellen Zielen abbringen. Erstens entscheiden Anleger meist auf einer zu dünnen Datengrundlage, was die 18 diebank 2.2015

FINANZMARKT ó individuelle Ausgangssituation, die zukünftige Zielsetzung, den aktuellen Zielerreichungsgrad und die möglichen Handlungsoptionen anbelangt – sie bewegen sich also im Halbdunkel. Zweitens wenden sie oft ungeeignete Entscheidungsregeln an und schlagen damit einen falschen Weg ein. Selbst wenn sie sich auf dem richtigen Weg befinden, kommen sie drittens häufig dennoch nicht ans Ziel, weil sich die Umsetzung der gefassten Entschlüsse bzw. der Beratungsempfehlungen als zu aufwendig darstellt oder weil es schlicht an Selbstkontrolle mangelt (das sogenannte Problem der letzten Meile). Vor diesem Hintergrund zeichnet sich die erfolgreiche Anlageberatung der Zukunft dadurch aus, dass sie die Kunden kontinuierlich und automatisiert mit individualisierten und entscheidungsrelevanten Informationen ausstattet und systemgestützt intelligente Entscheidungsregeln anbietet, die nachvollziehbar den möglichst direkten Weg von der individuellen Ausgangssituation des Kunden hin zur Erreichung der finanziellen Vorhaben weisen. Zudem ist von zentraler Bedeutung, dass sie über ein Repertoire an Maßnahmen und Instrumenten verfügt, die die Selbstkontrolle der Kunden bei Anlageentscheidungen unterstützen und die Umsetzung der Empfehlungen sicherstellt und schließlich, dass sämtliche Kundeninteraktionen über alle Kanäle hinweg aus Kundensicht einfach, nachvollziehbar und intuitiv wirken. Entlang aller vier skizzierten Dimensionen sind derzeit spannende Entwicklungen im Markt für Anlageberatung zu beobachten. Erste Anbieter arbeiten daran, auf Basis der bereits im Haus vorhandenen Kunden- und Vertragsdaten automatisiert persönliche Vermögensbilanzen zu erstellen und intelligent in den Entscheidungsprozess einzubauen. Andere Anbieter fokussieren die finanziellen Ziele der Kunden und leiten sie geschickt und nachvollziehbar auf direktem Wege dorthin. Was die Umsetzungstreue anbelangt, zeigen jüngste Auswertungen von Kundendaten, dass diese im Rahmen von Flat-Fee- Modellen deutlich ansteigt. Andere Anbieter experimentieren mit systemgestützter Depotüberwachung entlang zentraler Depotkennziffern und didaktisch innovativer Depotreports, die dem Kunden die Einhaltung des Leistungsversprechens dokumentieren. Aus der eigenen Projektarbeit mit solchen Instituten können wir auf klare Lerneffekte bei Kunden und wichtige Steuerungsimpulse für die Beratung schließen. Auch was die Bequemlichkeit (Convenience) anbelangt, gibt es gerade im mobilen Bereich vielversprechende Beispiele, die die Kunden dazu animieren, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen und die eigenen Vorsätze auch tatsächlich umzusetzen. Tatsächlich lohnen sich diese Maßnahmen für beide Seiten. Bei den analysierten Instituten, die auf neue Wege in der Anlageberatung setzen, weisen die Depots von Beratungskunden nicht nur eine höhere Risikodiversifikation, sondern auch eine verbesserte Übereinstimmung der Depotrisiken mit den jeweiligen Wunschrisiken auf. Überdurchschnittliche Nettozuflüsse in die untersuchten Depots deuten darauf hin, dass der nachweislich gesteigerte Kundennutzen auch von den Konsumenten selbst wahrgenommen und aktiv nachgefragt wird. In einer Welt mit Smart Disclosure können diese Institute den Beratungsnutzen noch deutlicher dokumentieren und auf Sicht auch neue Preismodelle einführen, bei denen die Beratungsvergütung stärker als bisher am Kundennutzen hängt. Fazit Angesichts der großen Renditelücke von Selbstentscheidern wird Beratung auch weiterhin eine zentrale Rolle bei den Anlageentscheidungen deutscher Haushalte spielen. Wenn es gelingt, das vorhandene Nutzenpotenzial besser auszuschöpfen, wird die Beratung sogar an Bedeutung gewinnen können. Hierzu müssen die Anbieter ihre Prozesse und systemgestützten Empfehlungen verstärkt auf den messbaren Kundennutzen ausrichten und Instrumente einsetzen, die eine höhere Umsetzungsquote der Empfehlungen fördern. Der Regulierer kann mit der Unterstützung einer standardisierten Smart Portfolio Disclosure für mehr Leistungstransparenz im Markt sorgen und damit seinerseits den Wettbewerb zwischen verschiedenen tradierten und neuen Geschäftsmodellen forcieren. Auch die Kunden selbst sind gefordert. Sie benötigen ein Mindestwissen hinsichtlich Risiko und Rendite und müssen den Berater mit entscheidungsrelevanten Informationen zu ihren Ausgangssituationen und ihren Anlagezielen als wichtigen Input für passgenaue Empfehlungen versorgen. Soll der Anlageerfolg von Privatanlegern also nachhaltig gesteigert werden, so bedarf es der Beteiligung von Anbietern, Regulierung und Kunden. Autoren: Dr. Thomas Etheber ist Habilitand am House of Finance der Goethe Universität in Frankfurt und Chartered Financial Analyst. Prof. Dr. Andreas Hackethal ist Professor am House of Finance der Goethe Universität in Frankfurt, Mitglied des Fachbeirats der BaFin und der Börsensachverständigenkommission, Gesellschafter der Beratung Hackethal & Friends GmbH und Aufsichtsratsvorsitzender der vaamo Finanz AG. 1 Beispielsweise liegt den Autoren ein Datensatz mit mehreren tausend Privatinvestoren eines deutschen Online Brokers vor. In diesem Datensatz beläuft sich die durchschnittliche Renditelücke auf 4 Prozent p.a. gegenüber einer breit diversifizierten, kostengünstigen und risikoäquivalenten Anlagestrategie. Andere Autoren kommen zu ähnlichen Ergebnissen, vgl. z. B. den aktuellen Übersichtstitel von Barber, B.M./Odean (2013), T.: The Behavior of Individual Investors, in: Handbook of the Economics of Finance, hg. v. Constantinides/Harris/Stulz, S. 1533-69. 2 Vgl. Hackethal, A./Inderst, R.: How to Make the Market for Financial Advice Work, in O. S. Mitchell/K. Smetters: The Market for Retirement Financial Advice (Pension Research Council), Oxford 2013. 3 Bhattacharya, U./ Hackethal, A./Kaesler, S./Loos, B./Meyer, S.: Is Unbiased Financial Advice to Retail Investors Sufficient? Answers from a Large Field Study, in: Review of Financial Studies 24, 2012, S. 975-1032. 4 Vgl. Hackethal, A./Inderst, R.: Messung des Kundennutzens der Anlageberatung. Wissenschaftliche Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 2011, verfügbar unter: www.bmelv.de, zuletzt abgerufen: 05.11.2014. 5 Ebd. 2.2015 diebank 19

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