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die bank 02 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT Neue Wege

ó FINANZMARKT Neue Wege in der Anlageberatung LEISTUNGSTRANSPARENZ Wissenschaftliche Studien belegen, dass Privatanleger im Schnitt weit hinter den Möglichkeiten bleiben: In Relation zu den eingegangenen Risiken fallen die Renditen um mehrere Prozentpunkte pro Jahr zu gering aus 1 . Dabei konsultiert mehr als jeder zweite deutsche Privatinvestor regelmäßig einen Finanzberater. Zweifellos besitzen damit Innovationen in der Anlageberatung ein hohes Potenzial zur Steigerung des Anlageerfolgs von Privatinvestoren. Aus den existierenden Forschungsergebnissen zu Anlagefehlern und Beratungseinfluss lassen sich Lösungsoptionen für Berater, Regulierer und Anleger ableiten. Thomas Etheber | Andreas Hackethal Keywords: Anlageberatung, Privatanleger, Regulierung In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für die Anlageberatung maßgeblich verändert. Die Anbieter dieser Wertpapierdienstleistung sind seit 2007 mit kontinuierlich steigenden gesetzlichen Auflagen konfrontiert. Mit der geplanten Umsetzung der MiFID-II-Richtlinie sowie einigen ausschließlich deutschen Initiativen stehen weitere Verschärfungen des regulatorischen Umfelds bevor. Das stellt die Anbieter von Anlageberatung vor Herausforderungen. Beispielsweise sieht die MiFID-II-Richtlinie eine Pflicht zur Aufzeichnung und Archivierung telefonischer Beratungen (bzw. jeglicher auftragsbezogener Kommunikation zwischen Kunde und Unternehmen) vor, wofür viele Anbieter häufig erst die technische Basis schaffen müssen. Das gilt auch für die neuen Nachberatungspflichten, wonach in der Vergangenheit empfohlene Produkte auf ggf. veränderte Risiken überprüft und Verbraucher entsprechend informiert werden müssen. Des Weiteren hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) jüngst Vorschläge zur Implementierung der MiFID II (Artikel 24,9) unterbreitet, die auf ein Verbot der provisionsbasierten Beratung hinauslaufen. Dies hätte im deutschen Markt zwangsläufig eine vollständige Neuordnung der aktuellen Vergütungsstruktur von Anlageberatung zur Folge. Der kurzfristige Wegfall der in Deutschland weit verbreiteten Vertriebsprovisionen könnte zu einem verengten Zugang zu Anlageberatung und einer reduzierten Beratungsqualität führen. Nicht zuletzt deswegen hinterfragen die Anbieter bereits heute die langfristige Rentabilität des Geschäftsfelds Anlageberatung. Einige werden sich gewiss aus dem Massenmarkt für Anlageberatung zurückziehen. In der Konsequenz könnten insbesondere Kunden mit kleinen Anlagesummen vom Zugang zu Anlageberatung abgeschnitten werden und müssten ihre Finanzen in Eigenregie verwalten. Angesichts dieser möglichen Folgen zusätzlicher regulatorischer Eingriffe stellen sich aus ökonomischer Sicht die Fragen nach der Zweckmäßig- und der Verhältnismäßigkeit der angekündigten Maßnahmen sowie die Frage nach möglichen Alternativen. Wohlfahrtseffekte der Anlageberatung Ob im Anlageberatungsmarkt ein Marktversagen vorliegt, das weitere regulatorische Interventionen auf der Anbieterseite rechtfertigt, ist unklar. Zumindest theoretisch liegen die Wohlfahrtseffekte der Anlageberatung auf der Hand. Berater bündeln Informationsgewinnung und Transaktionsdurchführung, sodass auch weniger informierte Kunden auf einfache Weise und mit weniger Zeiteinsatz Zugang zu den Kapitalmärkten erhalten. Mithin sollte eine Beratung in der Theorie zu besseren Anlageentscheidungen führen. Tatsächlich zeigen wissenschaftliche Studien, dass die Anlageentscheidungen von Selbstentscheidern häufig fehlerbehaftet sind und Renditeeinbußen verursachen. Die Anlagefehler treten nicht nur sporadisch auf, sondern sind systematischer Natur und offenbar psychologisch verankert. Zu den bekannten Anlagefehlern zählen impulsives und übermäßiges Traden, mangelnde Risikostreuung mit Fokus auf bekannte Emittenten aus dem Heimatmarkt und vorschnelle Realisation von Gewinnen bei nur zögerlicher Realisation von Verlusten. Diese Liste ließe sich noch deutlich erweitern. Jedoch liegen nicht alle Anlagefehler bei jedem Investor vor, und nicht alle wirken sich signifikant negativ auf den Anlageerfolg aus. Daraus folgt für die Anlageberatung, dass sie Anlegern insbesondere bei der Vermeidung der Anlagefehler helfen sollte, die nachweislich den Anlageerfolg am deutlichsten reduzieren. 16 diebank 2.2015

FINANZMARKT ó Während gute Beratung also dafür sorgen kann, dass Anleger weniger kostspielige Fehler begehen und ihre Anlagen besser an ihren individuellen Gegebenheiten und Zielen ausrichten, birgt das bestehende Informations- und Kompetenzgefälle zwischen Kunden und Beratern auch die Gefahr von Interessenskonflikten. Gut informierte Berater können versucht sein, ihre Vorteile auf Kosten schlechter informierter Kunden auszunutzen. Das Risiko eines anbieterseitigen Fehlverhaltens scheint groß: 16.000 Kundenbeschwerden in den ersten 24 Monaten seit Einführung des zentralen Beschwerderegisters bei der BaFin (§34d WpHG) deuten darauf hin, dass es hier nicht nur wenige Einzelfälle gibt. Neuere empirische Studien werfen tatsächlich ein kritisches Bild auf den Nettoeffekt der Beratung für den Kundennutzen. Ein Vergleich der Portfolien und des Handelsverhaltens zwischen beratenen und nicht beratenen Retail-Investoren zeigt, dass beratene Kunden kein besseres Rendite-Risikoprofil, aber dafür einen höheren Depotumschlag aufweisen. Eine weitere Studie belegt, dass Kunden, die sich bei ihren Entscheidungen stärker auf ihren Finanzberater verlassen, mehr und häufiger mit provisionsbehafteten Produkten handeln. Außerdem zeigen Mystery-Shopping- Studien, dass Finanzberater dazu neigen, die systematischen Anlagefehler ihrer Kunden sogar zu verstärken, zumindest dann, wenn deren Fehler mit den eigenen (finanziellen) Interessen vereinbar waren. 2 Derartige Ergebnisse liefern Verbraucherschützern zu Recht Anlass zur Kritik und stellen für Finanzinstitutionen nicht zuletzt auch ein Reputationsrisiko dar. Als Konsequenz müssen die Häuser zukünftig die Potenziale der Beratung für den Kundennutzen durch geschickte Ansätze besser ausschöpfen und auch den Erfolg ihrer Beratungsleistung klarer dokumentieren. Dabei sehen sich die Anbieter jedoch noch mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert. Gute Beratung kommt nämlich nur dann auch tatsächlich beim Kunden an, wenn sie konsequent umgesetzt wird. Dass dies auch bei einer hilfreichen Beratung häufig nicht der Fall ist, dokumentieren Bhattacharya et al. (2012). 3 In dieser Untersuchung wurde knapp 8.000 Kunden nachweislich hervorragende Beratung individualisiert und persönlich angeboten. Die Umsetzungsquote war jedoch erschreckend gering – kein einziger Kunde setzte alle Empfehlungen um. Teils wurde sogar das genaue Gegenteil der Empfehlung gemacht. Die Verantwortung für den mageren Anlageerfolg von beratenen Privatinvestoren ist folglich nicht nur beim Anbieter von Anlageberatung zu suchen, sondern auch bei den Anlegern, die selbst hervorragender Beratung viel zu wenig folgen. Gute Beratung muss also nicht nur eine hohe Qualität der Empfehlungen bieten, sondern muss auch Maßnahmen umfassen, die die Umsetzung durch den Kunden möglichst weitgehend sicherstellen. Mangelndes Finanzwissen als Herausforderung Warum setzen Verbraucher eine nachweislich hilfreiche Anlageberatung nicht konsequent um? Neben schlichter Trägheit besteht eine weitere mögliche Ursache darin, dass Privatinvestoren mangels Finanzwissens nicht in der Lage sind, die Tragweite ihrer Entscheidungen korrekt einzuschätzen. So fehlt es vielen Verbrauchern am Verständnis grundsätzlicher finanzwirtschaftlicher Zusammenhänge, ohne das jedoch eine fundierte Bewertung der Anlageempfehlungen und ihrer Konsequenzen kaum möglich ist. Ließe sich dieses Problem lösen, wenn man für eine entsprechende Finanzausbildung der Kunden sorgte? Hier ist angesichts neuerer Ergebnisse aus Experimenten und Langzeitstudien Skepsis angebracht: Allgemeine Ausbildungsprogramme steigern die Qualität von Finanzentscheidungen nur unwesentlich, wobei die Effekte bei finanziell schwächeren (und damit tendenziell schutzwürdigeren) Haushalten besonders gering sind. Zudem scheint selbst bei aufwendigen Schulungen die Halbwertszeit des vermittelten Wissens zu kurz. Schon nach wenigen Monaten ist der Schulungseffekt weitgehend verpufft. Wir schlussfolgern, dass Finanzbildungsprogramme nicht ausreichen und angesichts der hohen Kosten auch unökonomisch sind, um bessere Anlageentscheidungen in der breiten Bevölkerung herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund sind auch die verschärften Informationspflichten in der Anlageberatung kritisch zu betrachten. Weitere Produktinformationen und Beratungsdokumentationen müssen in ihrem Einfluss auf die Entscheidungsqualität kritisch gesehen werden. Auch Transparenz über mögliche Interessenskonflikte in der Beratung ist nicht notwendigerweise hilfreich. Es wird angenommen, dass mündige Verbraucher diese Information bei der Beraterwahl und der Bewertung von Empfehlungen berücksichtigen. Tatsächlich geht diese Information in realen Tests nur bedingt in das Entscheidungskalkül ein. Es zeigt sich sogar, dass sich die Berater durch die Offenlegung moralisch weniger als zuvor an eine faktenbasierte Darstellung gebunden fühlen. Wenn Finanzbildung und regulatorische Gebote nicht ausreichen, bleibt als dritter genereller Lösungsweg nur die Anlageberatung im weitesten Sinne. Darunter fällt natürlich nicht nur die traditionelle, abschlussorientierte Beratung, sondern auch die Honorarberatung, Flat-Fee-Modelle und systemgestützte Online-Formate, die ganz ohne persönliche Beratung auskommen (sogenannte Robo Advisors). Für Anbieter und Regulierer stellt sich somit die Frage, wie die Anleger bei ihrer Suche nach guter Beratung und bei der Umsetzung der Empfehlungen angeleitet werden können. Smart Portfolio Disclosure Eine Möglichkeit besteht in der Schaffung von mehr Leistungstransparenz: In repräsentativen Umfragen wurden Verbrau- 2.2015 diebank 17

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