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die bank 02 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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ó FINANZMARKT Erschwerter Zugang SCHWEIZER BANKEN Auch wenn der Schweizer Bankensektor die Finanzkrise in finanzieller Hinsicht relativ unbeschadet überstanden hat, sieht sich der Finanzplatz von verschiedenen Seiten mit vielfältigen Problemen konfrontiert: internationale Regulierungen, Bankgeheimnis und die Unsicherheiten um den Marktzugang in Europa. Wenngleich der Finanzsektor noch nicht in den europäischen Markt integriert ist, versuchen die Eidgenossen mit der geplanten Finanzmarktregulierungsarchitektur sich dem Regelwerk der Europäischen Union und dessen Standards anzunähern. Karl-Heinz Goedeckemeyer Keywords: Strategie, Bankenmarkt, Ausland, Europa Hinter einer Vielzahl regulatorischer Initiativen im Schweizer Bankensektor steht die Absicht, den Anlegerschutz zu verbessern sowie die Grundlagen für einen Zugang zum europäischen Markt für eidgenössische Finanzintermediäre zu ermöglichen. Wenngleich die bisherige Konzeptlosigkeit der Politik und der zuständigen Behörden, wie der Schweizer Finanzplatz langfristig ausgestaltet sein soll, wenig Raum für Optimismus lässt, darf sich der Finanzplatz bei der anstehenden Umgestaltung der Finanzmarktgesetze diesmal keinen Aufschub erlauben. Denn falls das Finanzmarktrecht nicht EU-kompatibel sein wird, dürfte den Schweizer Banken der Zugang zum europäischen Markt erschwert werden, mit der Folge, dass diese ihre Engagements in den EU-Raum verschieben. Zumindest aus der derzeitigen Perspektive scheint der Marktzutritt der Schweizer Finanzdienstleister in Europa in Gefahr zu sein, weil die Europäische Union im Rahmen der Finanzmarktrichtlinie MiFID II darauf hinarbeitet, dass nur noch Institute mit einer Niederlassung in der EU Finanzdienstleistungen für EU- Kunden anbieten dürfen. Das wäre für viele kleinere Schweizer Banken und Vermögensverwalter kaum darstellbar. Wegen seiner politischen Stabilität und der Instabilität im Ausland wurde der Schweizer Finanzplatz insbesondere von ausländischen Investoren als sicherer Hafen angesehen. Dazu beigetragen hat auch das vom Ausland lange Zeit tolerierte Modell des Bankgeheimnisses. Daher war auch das in der Schweiz angelegte Geld – sofern es sich dabei um Schwarzgeld handelte – vor ausländischen Steuerbehörden geschützt. Im Jahr 2008 geriet der Finanzplatz als Folge der Immobilien- und Bankenkrise in den USA in eine tiefe Vertrauenskrise, deren Auswirkungen heute noch zu spüren sind. Im Zuge eines vehement geführten Prozesses der US-Steuerbehörden gegen die UBS geriet das Bankgeheimnis mehr und mehr unter Druck. Schließlich willigte der Bundesrat ein, den Amerikanern Kundendaten der UBS zu überlassen. Spätestens mit der Einführung des Automatischen Informationsaustauschs (AIA) im EU-Raum ist das Schweizer Bankgeheimnis als Verkaufsargument endgültig obsolet geworden. Inzwischen werden die Banken dazu verpflichtet, die Steuerkonformität ihrer Kunden sicherzustellen. Ob diese Weißgeldstrategie funktioniert, ist jedoch ungewiss. Damit steht nicht nur das Bankgeheimnis vor dem Aus, sondern auch die Schweiz als einzigartiger Ort der Vermögensverwaltung. Dem Finanzplatz strömen zwar trotz der hohen Abflüsse aus Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern neuerdings wieder Milliarden an Kundengeldern zu. Tatsächlich fließen die meisten Assets jedoch nicht nach Zürich oder Genf, sondern zu Schweizer Banken in Hongkong oder Singapur. Finanzplatz vor großen Herausforderungen Weil vor allem die Schweizer Großbanken nur unzureichend auf größere ökonomische Schocks vorbereitet waren und aufgrund ihrer internationalen Verflechtung zum Systemrisiko wurden, musste die Finanzmarktaufsicht (FINMA) angemessene regulatorische Antworten auf die systemischen Risiken des schweizerischen Finanzplatzes finden. Da seitdem die umfassende Aufsicht über die Einzelinstitute (prudentielle Aufsicht) der Banken verbessert wurde, kann die FINMA inzwischen sogar vertiefte Prüfungen bestimmter Segmente verordnen. Im November 2014 hat die Behörde wegen des Devisenskandals bei der UBS sogar strukturelle Probleme bei der Großbank geortet und damit zumindest in Ansätzen widerlegt, dass die FINMA ein zahnloser Tiger sei. Schätzungen zufolge dürften der UBS ihre Verfehlungen mehr als zehn Mrd. CHF, davon allein acht Mrd. wegen der Devisenvorfälle, gekostet haben. Rückblickend ist es somit kaum nachzuvollziehen, warum die Finanzaufsicht bei den Skandalen der Schweizer Großbanken so lange weggeschaut hat. Auch die Banken selbst haben bis heute wenig getan, um die aus dem Ruder gelaufene Unternehmenskultur zu korrigieren. Im Kern geht es nun darum, den Finanzplatz neu auszurichten 12 diebank 2.2015

FINANZMARKT ó und für den schärfenden Wettbewerb an den internationalen Finanzmärkten zu wappnen. Im Dezember 2014 hat der UBS- Chef Sergio Ermotti in einem Zeitungs-Interview ein düsteres Szenario für den Finanzplatz entworfen. Nach seiner Einschätzung dürften bis zu 30 Prozent der Banken ihre Eigenständigkeit verlieren, das wären immerhin 80 Finanzinstitute. Neben den wichtigen Standortfaktoren sind es insbesondere auch die nationalen Rahmenbedingungen, welche die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Finanzplatzes beeinflussen 1 . Nach Angaben des Verbands der Auslandsbanken in der Schweiz verwalten die eidgenössischen Institute noch immer mehr als ein Viertel der weltweiten grenzüberschreitenden Privatvermögen 2 . Mit beinahe 300 zum Teil global vernetzten Banken und über 7.000 Fonds von mehr als 500 verschiedenen Promotoren ist der Finanzplatz ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, dessen Attraktivität die Schweizer unbedingt bewahren wollen. Speziell zugenommen hat die Anzahl kleinerer Assetmanager, die in der Schweiz eine Nischenstrategie verfolgen. Über das Private Wealth Management hinaus bietet der Finanzsektor ein breit diversifiziertes Angebot an weiteren finanznahen Dienstleistungen wie z. B. unabhängige Finanzberatung oder Rechtsberatung. Viele Auslandsbanken verbinden ihre hauseigenen Stärken mit einem hohen Maß an Kunden- und Serviceorientierung sowie einem umfassenden Produktangebot. Dazu gehört auch eine gute lokale Vernetzung in den Regionen Asien, Naher Osten und Lateinamerika, das große Produktangebot im Bereich alternativer Anlagen mit Direktmandaten für Immobilien, Hedge Funds und Private Equity. Ferner sind die am Bankenplatz erbrachten Asset-Management-Dienstleistungen auch für aufstrebende Volkswirtschaften von Interesse. In vielen dieser Länder stehen große Infrastrukturprojekte an, die einer Finanzierung bedürfen. Insofern kann nicht verwundern, dass die sonstigen finanznahen Dienstleistungen zusammen mit dem Versicherungssektor in den letzten Jahren die höchste reale Wertschöpfung erbracht haben ” 1. Dagegen ist der Wertschöpfungsbeitrag des Bankensektors für den Finanzplatz seit 2008 stark rückläufig und stagniert seitdem auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Vor dem Hintergrund der veränderten Standortbedingungen bleiben Zweifel, ob das Swiss Private Banking in Zukunft weiterhin seine Trümpfe ausspielen kann. Recht soll EU-kompatibel werden Das schweizerische Aufsichtsrecht ist – entgegen dem Aufsichtskonzept der meisten europäischen Länder – bisher konsequent auf Aktivitäten ausgerichtet, die in der Schweiz ausgeübt werden. Dies lässt ausländischen Finanzinstituten viele Freiheiten bei der Kundenakquisition und -betreuung in der Schweiz. Erst mit der effektiven oder faktischen Errichtung einer Präsenz in der Schweiz (Vertretung, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft) wird eine Bewilligung notwendig. Obschon das Schweizer Finanzmarktrecht stark prinzipienbasiert ist und einen ausgeprägten 1 Selbstregulierungsansatz aufweist, traten in den vergangen Jahren viele Gesetzesinitiativen wie etwa das Kollektivanlagengesetz (KAG) in Kraft. Nachdem die Schweizer Aufsichtsbehörden mehrere EU-Richtlinien wie z. B. OGAW, UCITS oder AIFM in das KAG überführt haben, hat man sich zu einer konzeptionellen Neugestaltung der Leitplanken des Finanzplatzes entschlossen, um auch EU-Initiativen wie EMIR und MiFID II umzusetzen. Dabei sollen die Kerninhalte der EMIR durch ein neues Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) und die MiFID-Prinzipien durch ein ebenfalls neu zu schaffendes Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) überführt werden. Zusätzlich sollen durch ein neues Finanzinstitutsgesetz (FINIG) sektorenübergreifend die Bewilligungsvoraussetzungen und die weiteren organisatorischen Anforderungen für Finanzinstitute in der Schweiz neu geregelt werden. Falls sich die Aufsichtsbehörden bei der Regulierung den Grundlinien der EU anpassen, würde das eine Kompatibilität bringen. Allerdings sind diese gesetzlichen Rahmenbedingen noch nicht in allen Punkten kompatibel, was sich insbesondere im Investment- Entwicklung der realen Wertschöpfung nach Anbietergruppen Finanzsektor, Banken, Versicherungen, Gesamtwirtschaft 220 200 180 160 140 120 100 80 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Finanzsektor Banken Versicherungen Gesamtwirtschaft sonstige Finanzdienstleister (rechte Skala) Reale Bruttowertschöpfung, indexiert 1993 = 100 Quelle: BAKBASEL. 700 600 500 400 300 200 100 80 sonstige Finanzdienstleistungen 2.2015 diebank 13

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