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die bank 01 // 2023

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT 1 |

MANAGEMENT 1 | Klassische Change-Kurve Wahrgenommene Kompetenz 2 Verneinung Steigende ING-Mitarbeiterzufriedenheit nach erfolgreicher Transformation in 2021 Integration 6 7 Erkenntnis 1 Schock 3 Einsicht 5 Ausprobieren Geringe ING-Mitarbeiterzufriedenheit während agiler Transformation in 2019 Akzeptanz 4 Zeit Quelle: Berg Lund & Company in Anlehnung an Kübler-Ross (1969): On Death and Dying. New York: Simon & Schuster, Inc. Die Vorteile agiler Arbeitsmethoden sind unbestritten Die Erfolgsgeschichten und messbaren Ergebnisse der agilen Vorreiter animieren zur Nachahmung. Doch welche Vorteile bieten agile Ansätze ganz konkret? Agile Arbeitsweisen können die Veränderungsfähigkeit und -geschwindigkeit einer Organisation deutlich steigern. Sie eignen sich besonders in von Flüchtigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägten Umfeldern, da sie Transparenz sowie Flexibilität fördern und gleichzeitig nachweislich das Wachstum des Business Values eines Projekts beschleunigen. Damit tragen sie wesentlich dazu bei, typische Projektrisiken zu minimieren. So hilft beispielsweise die regelmäßige Erarbeitung anfassbarer und testbarer Ergebnisse im Rahmen kurzer Sprints, die ein zentraler Bestandteil vieler agiler Frameworks wie Scrum sind, dabei, etwaige Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. „Für mich war die Arbeit in Sprints ein wesentlicher Erfolgsfaktor, da Fortschritte schnell sichtbar werden. Im Zusammenspiel mit der hohen Eigeninitiative des Teams ist es uns so gelungen, die Operations in einem Transformationsprojekt leistungsfähiger und digitaler aufzustellen“, bestätigt Christine Dürr, Leiterin Central Services & Payments der Oldenburgischen Landesbank (OLB). Agilen Organisationen gelingt es oftmals besser, das im Unternehmen vorhandene Wissen mittels transparenter Kommunikation, kurzer Entscheidungswege und einer engen Vernetzung gewinnbringend zu kanalisieren. Ergebnisse sind in den meisten Fällen eine im Quervergleich deutlich erhöhte Innovationskraft sowie eine größere Resilienz gegenüber äußeren Einflussfaktoren. Das höhere Maß an Eigenverantwortung und Selbstbestimmung stärkt zudem die Identifikation der Mitarbeiter mit den eigenen Aufgaben im Speziellen und ihrem Unternehmen im Allgemeinen – ein nicht zu unterschätzender Faktor im sich zusehends verschärfenden „War for Talents“. Sowohl die fortschreitende Digitalisierung, der größere Wettbewerbsdruck durch FinTechs, die sich wandelnden Kundenpräferenzen, die aktuell eingeleitete Zinswende als auch der ungebrochene Trend zur Nachhaltigkeit werden Banken und Sparkassen auch in den kommenden Jahren vor immense Herausforderungen stellen. Agilität bleibt daher eine Schlüsselkompetenz in einem von anhaltendem Veränderungsdruck geprägten Marktumfeld. Die agile Transformation birgt auch Risiken Um eine agile Transformation erfolgreich zu bewältigen, ist vor allem die Verankerung eines agilen Mindsets in der gesamten Organisation entscheidend. Etablierte Denk- und Arbeitsweisen müssen aufgebrochen und durch neue Ansätze ersetzt werden. Diesen Weg werden erfahrungsgemäß nicht alle Mitarbeiter mitgehen können oder wollen. Aus diesem Grund gilt es, während der Transformationsphase eine höhere Mitarbeiterfluktuation bewusst einzukalkulieren. Gerade im Regionalbankenumfeld sollten in diesem Zusammenhang mögliche Restriktionen des lokalen Arbeitsmarkts vor einer entsprechenden Richtungsentscheidung bewertet werden. Die Altersstrukturen in vielen Banken verschärfen die Herausforderung des kulturellen Wandels, da sich ältere Kollegen mit den erforderlichen Veränderungen oftmals schwerer tun. Bisherige Führungskräfte sehen sich angesichts des Wegfalls von Hierarchien und damit verbundenem Statusdenken nicht selten als Verlierer einer agilen Transformation. Ihre Integration in fortan gleichberechtigt zusammenarbeitende Teams ist mitunter nicht nur für die bisherigen Führungskräfte, sondern auch für ihre ehemaligen Mitarbeiter gewöhnungsbedürftig. Auf beiden Seiten müssen in diesem Zuge jahrelang aufrechterhaltene Routinen der Zusammenarbeit aufgebrochen werden. Das gelingt nicht immer. In solchen Fällen ist dann oftmals ein klarer Schlussstrich die beste Option für alle Beteiligten. 38 01 | 2023

MANAGEMENT Der erforderliche kulturelle Wandel kann nicht angeordnet werden, sondern muss konsequent vorgelebt werden. An dieser Stelle zeigt sich vielfach eine merkliche Lücke zwischen Anspruch und Realität. Anstelle von Vertrauen, gepaart mit der Vorgabe von Zeitplan und Budget, wird zuweilen weiter auf Kontrolle sowie eine genaue Definition des gewünschten Ergebnisses ex ante gesetzt – ein klarer Widerspruch zu agilen Leitgedanken. Am Beispiel des Filialnetzes lässt sich eine weitere Herausforderung sehr gut verdeutlichen: Wie lassen sich der gewünscht hohe Grad an Autonomie und Mitunternehmertum einzelner Filialteams mit dem übergeordneten Ziel eines einheitlichen Kundenerlebnisses in Einklang bringen? Hierfür bedarf es einer intensiven Kommunikation und in der Breite geteilten Spielregeln. Auch Entscheidungsbedarfe mit negativen Implikationen für einzelne Teammitglieder, wie beispielsweise im Fall eines betriebswirtschaftlich gebotenen Personalabbaus, bedeuten in der Regel eine ernsthafte Bewährungsprobe für selbstorganisierte Teams. Um in solchen Situationen nicht dem Reflex nach starker Führung zu erliegen, helfen im Vorfeld klar definierte Entscheidungswege auf Basis transparenter und objektiver Kriterien. Schrittweise Transformation hat sich bewährt Angesichts dieser Herausforderungen hat die Unternehmensberatung Berg Lund Company (BLC) positive Erfahrungen gemacht mit einem schrittweisen Veränderungsmodell, das der Veränderungsfähigkeit einer Organisation Rechnung trägt und die Dualität der traditionellen sowie der neuen agilen Welt in Einklang bringt. Unter dem Motto „agil agiler werden“ erlauben sorgfältig ausgewählte Pilotprojekte einen möglichst friktionsfreien Einstieg in die agile Arbeitswelt. Sie bieten ausreichend Zeit zum Lernen und Ausprobieren, schaffen schnelle Erfolgserlebnisse, machen den Mehrwert für Mitarbeiter wie Organisation transparent und verbessern die Methodenkompetenz in der Belegschaft. Im Rahmen einer Post-Merger-Integration hat die Sparkasse MagdeBurg gemeinsam mit BLC ein solches Pilotprojekt ins Leben gerufen: „Die Serviceprozessoptimierung im agilen Sprintformat hat sich als Erfolgsmodell mit Vorbildcharakter für andere Projektaktivitäten etabliert“, resümiert Norbert Dierkes, Mitglied des Sparkassen-Vorstands. Schnelle Fortschritte und umsetzungsreife Ergebnisse hätten FAZIT Agilität ist eine Schlüsselkompetenz für Banken und Sparkassen, um in einem hart umkämpften und zunehmend dynamischeren Marktumfeld auch zukünftig bestehen zu können: In agilen Organisationen können Kundenbedürfnisse schneller in innovative Produkte überführt, Projekte effizienter umgesetzt, Leistungsträger motiviert und neue Talente leichter akquiriert werden. Gleichzeitig befinden sich viele Institute noch ganz am Anfang des Wegs. Da die agile Transformation aber nicht nur mit Chancen, sondern auch mit Risiken einhergeht, sollten Banken und Sparkassen hier sehr behutsam vorgehen und die Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit ihrer Teams im Blick behalten. Ein Big-Bang-Ansatz kann die eigene Organisation schnell überfordern. Mit sorgfältig ausgewählten Pilotprojekten lässt sich der Einstieg in agile Arbeitsformen indes ohne langwierige Vorarbeiten und vergleichsweise risikoarm bewerkstelligen. bereits zum Ende des ersten Sprintzyklus ganz wesentlich dazu beigetragen, die Akzeptanz der Methodik zu steigern und die Motivation der Sprintteams zu fördern. Bei der Auswahl und Durchführung solcher Pilotprojekte haben sich einige typische Erfolgsfaktoren bewährt: Agile Methoden eignen sich vor allem für komplexe Projekte mit Konzeptions- oder Innovationscharakter. Bei reinen Umsetzungsprojekten ist der Mehrwert hingegen oft begrenzt. Zum Start sind insbesondere Projekte in marktnahen Organisationseinheiten wie dem Produktmanagement prädestiniert, um einen unmittelbaren Kundennutzen zu erzeugen und damit eine hohe Sichtbarkeit der Ergebnisse in der Organisation zu gewährleisten. Thematisch empfiehlt es sich, strategisch relevante Fragestellungen mit einem direkten Bezug zur Customer Experience prioritär zu behandeln. Weichere Themen wie die Ableitung von Maßnahmen zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit können in der Belegschaft schnell den Anschein erwecken, dass agile Methoden lediglich als „Opium fürs Volk“ und Feigenblatt zum Einsatz kommen. Und schließlich sollten sich in den cross-funktional besetzten Projektteams idealerweise auch Mitarbeiter aus operativen Einheiten wiederfinden – nicht zuletzt um die positiven Erfahrungen mit agilen Methoden als besonders glaubwürdige Multiplikatoren in der Breite der Belegschaft zu verankern. Autoren Björn Wenninger (Foto links) ist Senior Manager bei der Unternehmensberatung Berg Lund & Company, Julius Gietz (Foto rechts) ist als Consultant im gleichen Unternehmen tätig. 1 ING (2022): Wie wir arbeiten. URL: https://www.ing.de/ueber-uns/menschen/wie-wir-arbeiten/ [Abrufdatum: 14.12.2022]. 2 Sparkasse Bremen (2019): Die Verfassung der Sparkasse Bremen. URL: https://www.sparkasse-bremen.de/content/dam/myif/sk-bremen/work/dokumente/pdf/Ihre-Sparkasse/Nachhaltigkeit/Verfassung%20Auszug%20 Internet.pdf?stref=iconbox [Abrufdatum: 14.12.22]. 01 | 2023 39

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