BERUF & KARRIERE klagten Vorstands und die Wahrnehmung der Pflichtverletzung in der Öffentlichkeit von erheblicher Bedeutung. Bei strafrechtlicher Verantwortlichkeit wegen eines Vermögensdelikts können Berufsverbote im Raum stehen, und die im Rahmen eines Eignungstests als Geschäftsleiter (Fit-and-Proper Assessment) nachzuweisende Zuverlässigkeit wird dadurch erheblich in Zweifel gezogen. Außerdem besteht die Gefahr, dass eine zur Begrenzung der persönlichen Haftung abgeschlossene D&O- Versicherung (Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung) aufgrund eines Haftungsausschlusses wegen Vorsatzes im Versicherungsfall die Leistung verweigern kann. Eine Haftungsverschärfung begründet die Gleichstellung gesellschaftsrechtlicher und strafrechtlicher Verantwortlichkeit jedoch nicht. Denn der Bundesgerichtshof bestätigt den auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 4 fußenden Ausgangspunkt des Landgerichts, dass nur bei klaren und deutlichen Fällen pflichtwidrigen Handelns die Anwendung des Untreuetatbestands in Betracht komme. Allerdings seien die vom Landgericht in seinem zweiten Prüfungsschritt herangezogenen Gesichtspunkte bereits im ersten Prüfungsschritt – ob ein Verstoß gegen § 93 Abs. 1 AktG vorliegt – zu würdigen. Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass dem Vorstand im Rahmen der Business Judgement Rule ein weiter Ermessensspielraum zustehe, seinen Informationsbedarf zur Vorbereitung einer unternehmerischen Entscheidung mit Blick auf die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls selbst abzuwägen. Werden allerdings diese in § 93 Abs. 1 AktG normierten äußersten Grenzen unternehmerischen Ermessens überschritten, dann liege eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die so gravierend sei, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit im Sinn von § 266 StGB begründe. Auswirkungen in der Praxis Konkrete Anhaltspunkte, wie Vorlagen für Gremienentscheidungen auszusehen haben, um den Anforderungen an eine hinreichende Information des Vorstands gerecht zu werden, finden sich in den Entscheidungsgründen des Urteils nicht. Vielmehr überlässt es der BGH dem Landgericht als Tatsacheninstanz, dies notfalls mithilfe eines Sachverständigengutachtens zu klären. So bleibt nichts anderes übrig, als sich an den allgemeinen Leitlinien für das Maß der Informationspflichten zu orientieren. Dabei gilt prinzipiell als notwendig, aber auch ausreichend, dass sich der Vorstand unter Berücksichtigung des Faktors Zeit und unter Abwägung der Kosten und Nutzen weiterer Informationsgewinnung eine angemessene Tatsachenbasis verschafft. Einbeziehung der Rechtsabteilung Für den vorliegenden Fall stellt sich zunächst die Frage, in welcher Form die Einbeziehung der Rechtsabteilung mitzuteilen gewesen wäre. In der Kreditvorlage war die aufsichtsrechtliche Prüfung und Freigabe zwar behauptet worden, allerdings fehlte eine Erläuterung, auf welchem rechtlichen Weg der Transaktionserfolg (EK- Entlastung) erreicht werden könne. Damit war es nach Ansicht des Gerichts den Angeklagten nicht möglich, die rechtliche Einschätzung im Hinblick auf die Erreichung der aufsichtsrechtlichen Ziele zu plausibilisieren. Nun ist es in der Praxis durchaus üblich, dass in Genehmigungsvorlagen keine inhaltlichen Ausführungen zu rechtlichen Fragestellungen enthalten sind. Vielmehr wird die rechtliche Freigabe (Legal Sign-Off) durch ein Handzeichen des Verantwortlichen, ein angekreuztes Kästchen oder eine Standardbemerkung dokumentiert, während die inhaltliche Arbeit der Rechtsabteilung sich vor allem außerhalb der Genehmigungsvorlagen abspielt. Hierzu zählen etwa die Erstellung, Prüfung und Verhandlung der Vertragsdokumentation oder das Einholen und Plausibilisieren von Rechtsgutachten externer Berater (Legal Opinions). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Beurteilung komplexer rechtlicher Fragestellungen ein Expertenwissen voraussetzt, über das ein Vorstandsmitglied in der Regel nicht verfügt, sondern die Rechtabteilung eingesetzt wird. Es erscheint auf den ersten Blick widersinnig, dass der Vorstand fachlich qualifizierte Juristen als Experten beauftragt, die rechtlichen Risiken zu bewerten, um anschließend – als rechtlicher Laie – ihr Urteil infrage zu stellen. Hier manifestiert sich ein weiteres Mal das Spannungsverhältnis zwischen Informationspflicht und Delegation: Bereits in früheren Entscheidungen 5 kam der BGH zu dem Schluss, dass sich Organe von einem unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lassen und die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterziehen müssen, soweit sie selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügen. Das bedeutet, dass ein Vorstand bei Entscheidungen, die außerhalb seiner Fachkompetenz liegen, seine Experten aus der Rechtsabteilung und ggf. sogar externe Berater hinzuziehen muss, und trotzdem selbst das Ergebnis dieser Expertenprüfung prüfen, kritisch hinterfragen und plausibilisieren muss. Handlungsempfehlung Daraus ergibt sich für den Umgang mit komplexen Transaktionen in der Bankpraxis folgende Handlungsempfehlung: Anstatt lediglich festzuhalten, dass eine rechtliche Prüfung mit positivem Votum erfolgt ist, sollte in Kreditgenehmigungs- oder Vorstandsvorlagen zusätzlich eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen enthalten sein. Diese sollte so gestaltet sein, dass ein Nichtjurist die rechtlichen Beweggründe nachvollziehen und bewerten kann. Der Vorstand muss sich ein eigenes Bild über die rechtlichen Risiken machen können. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die rechtliche Einschätzung des Experten fehlerhaft war, dies jedoch anhand der Zusammenfassung in den Genehmigungsunterlagen für einen Dritten nicht erkennbar war, bewegt sich der Vorstand wieder im Rahmen der Grenzen des pflichtgemäßen Handelns der Business Judgement Rule. Er haftet demnach nicht, wenn die rechtliche Fehleinschätzung eine fehlerhafte Vorstandsentscheidung und einen Schaden der Gesellschaft (mit-) verursacht hat. 72 01 // 2018
BERUF & KARRIERE Entscheidung im Umlaufverfahren Die praktischen Vorteile von Entscheidungen im Umlaufverfahren sind nicht von der Hand zu weisen: Oft ist es eine logistische Herausforderung, alle Vorstände an einem Ort zusammenzubringen. Zudem wirken Präsenzsitzungen angesichts der technischen Möglichkeiten, Gremienbeschlüsse schnell und unbürokratisch durch elektronische Signatur herbeizuführen, antiquiert. Dennoch: Die eingehende Beratung und Diskussion im Gremium, die Äußerung von Bedenken und die kontroverse Auseinandersetzung mit kritischen Fragen wird zunehmend als entscheidendes Kriterium einer funktionierenden Risikokultur wahrgenommen. Diese Tendenz spiegelt sich auch in der Bewertung der Genehmigung der „Omega 55“- Transaktion durch den Vorstand der H-Bank wieder: Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass die in der Genehmigungsvorlage zum Ausdruck kommende Unvollständigkeit der Informationen, die Vorläufigkeit der Voten sowie die Hinweise auf den bestehenden Zeitdruck den Vorstand zu weiteren Nachfragen und ggf. einer Ablehnung der Transaktion hätte veranlassen müssen. Das bedeutet, dass in dieser Konstellation eine positive Entscheidung im Umlaufverfahren auf der Grundlage der dem Vorstand vorgelegten Unterlagen gar nicht ohne Verletzung von Sorgfaltspflichten getroffen werden konnte. Deshalb empfiehlt sich, bei der Vorbereitung von Gremienentscheidungen generell zu prüfen, ob sich die vorgestellte Transaktion in dem konkreten Stadium für eine Entscheidung im Umlaufverfahren eignet oder nicht. Entscheidet man sich für ein Umlaufverfahren, sollten die Gremienmitglieder in jedem Fall prüfen, ob die vorgelegten Unterlagen eine angemessene Basis für eine abschließende Entscheidung bieten. Andernfalls kann die Genehmigung auch unter dem Vorbehalt der Nachlieferung weiterer Informationen und nochmaliger Begutachtung einzelner Aspekte geschehen. Dass diese Vorbehalte im Nachhinein erfüllt werden, muss dann allerdings auch nachgehalten und dokumentiert werden. Berücksichtigung persönlicher Anreize Es bleibt noch die Frage, wie mit der bestimmungsgemäßen Anreizfunktion variabler Vergütungsbestandteile umzugehen ist. Das mit der Anklage der Vorstände der H-Bank befasste Landgericht hat zugunsten der Angeklagten die Uneigennützigkeit ihres Handelns gewürdigt. Der BGH hält dem entgegen, es hätte dabei auch berücksichtigen müssen, ob die Einhaltung der bankinternen RWA-Grenzen bzw. die Verfehlung dieser Ziele für die Vorstände bonusrelevant war. Auch diese Frage wird das Landgericht im wiederaufgerollten Prozess im Einzelnen zu klären haben. Es ist jedoch in der Praxis kaum vorstellbar, dass eine unternehmerische Entscheidung (oder deren Misserfolg) keine wirtschaftlichen Konsequenzen nach sich zieht, etwa in Form von Gewinnen, Verlusten, erreichten bzw. verfehlten Kennzahlen oder Schwellenwerten. Diese wiederum sind in aller Regel direkt oder indirekt relevant für die variablen Bestandteile der Vorstandsvergütung, auch wenn bei gesetzeskonformer Gestaltung der Vergütungssysteme unangemessene Anreize vermieden werden. Denn es ist ja gerade ein Ziel der variablen Vergütungsbestandteile, die Entscheidungsträger am wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens partizipieren zu lassen. Diese Wertung führt allerdings im Ergebnis dazu, dass ein uneigennütziges Handeln von Organen, die variabel vergütet werden, im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen generell nicht anzunehmen ist. FAZIT Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen im Rahmen der Business Judgement Rule, die eine persönliche Haftung der Organe begründen, in der Regel auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zur Vermeidung solcher Haftungsrisiken empfiehlt es sich, eingeholte Expertenmeinungen sorgfältig zu dokumentieren und zu plausibilisieren. Entscheidungen sollten nur dann im Umlaufverfahren herbeigeführt werden, wenn die Komplexität der Entscheidung und die Ausführlichkeit und Aussagekraft der vorliegenden Informationen diese Vorgehensweise als angemessen erscheinen lassen. Uneigennützigkeit kann zugunsten der betroffenen Organe grundsätzlich nur dann mildernd berücksichtigt werden, wenn der Erfolg oder Misserfolg der unternehmerischen Entscheidung für die Entscheidungsträger nicht bonusrelevant ist. Autor: Dr. Cornelia Nett. 1 BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 - 5 StR 134/15. 2 BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04. 3 BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15. 4 BVerfGE 126, 170. 5 z. B. BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06 oder BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09. 01 // 2018 73
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