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die bank 01 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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ó BERUF & KARRIERE Den ethischen Pulsschlag messen GOVERNANCE Die Bankenaufsicht arbeitet an konkreten Vorgaben für die Entwicklung einer angemessenen Risikokultur. Wie können Banken eine ethische Risikokultur entwickeln und fördern? Wie sollen BaFin und Bundesbank diese Entwicklung künftig überprüfen und beaufsichtigen? Im folgenden Artikel werden konkrete Schritte aufgezeigt, wie eine ethische Risikokultur praktisch entwickelt werden kann, und auf welche Indikatoren und Maßnahmen die Regulatoren zurückgreifen können. Carmen und Michael Neumayer Keywords: Regulierung, Ethik- Kultur, Aufsicht Die Finanzaufsicht BaFin plant neue Vorgaben für die Entwicklung einer angemessenen ethischen Risikokultur in die MaRisk aufzunehmen. Dabei orientieren sich die Regulatoren an den überarbeiteten und im Juli 2015 veröffentlichten Grundsätzen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) 1 . Auf den ersten Blick scheint nur ein kleiner formaler Schritt nötig zu sein, um die Compliance- Funktion gemäß MaRisk zu einer Ethik- Funktion zu erweitern, etwa im Anschluss an das MaRisk-Modul über die Compliance-Funktion. Eine funktionale Compliance-Kultur unterscheidet aber nur zwischen richtig und falsch, legt die Grenzen zwischen moralischem und unmoralischem Handeln normativ fest. Dadurch entsteht im Management allzu leicht der Eindruck, dass es bezüglich der Handlungsoptionen innerhalb der Compliance-Grenzen gar keine ethisch relevanten Fragen zu beantworten gebe. Dieser Mangel an ethischem Bewusstsein wurde inzwischen deutlich erkannt, kritisiert und aufgearbeitet. So hat etwa der Verband der Investment Professionals (DVFA) unter der Leitung von Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin ein Grundsatzpapier zur Ethik in Finanzunternehmen vorgestellt, das im Wesentlichen auf vier griechisch-antiken Tugenden basiert. Die Entwicklung beginnt mit der Ausarbeitung eines ethischen Bezugsrahmens in Verbindung mit einem deutlich vernehmbaren ethischen „tone at the top“ des Senior Managements. Nach begleitenden strukturellen Maßnahmen — beispielsweise der Etablierung eines Ethik- Beirats oder eines Ethik-Mentorats — erfolgt das eigentliche Ethik-Training der Führungskräfte und letztlich aller Angestellten. Dieses Aufbautraining umfasst einen zweistufigen Entwicklungsprozess. Ausgehend von der persönlichen Ethik- Kompetenz entsteht innerhalb eines angemessenen Kommunikationsrahmens eine gemeinschaftliche ethische Risikokultur. Diese Maßnahmen erfordern Zeit und die persönliche Bereitschaft der Manager und Mitarbeiter, an ihrer inneren Einstellung und Haltung langfristig zu arbeiten. Eine praktizierte Ethik-Kompetenz führt zu einem souveränen Auftreten und fördert sowohl das persönliche Ansehen als auch die Integrität und die Reputation des Unternehmens. Ein ethischer Bezugsrahmen Unternehmerische Ethik-Kultur bedarf eines expliziten Bezugsrahmens. Der Baseler Ausschuss empfiehlt die Entwicklung eines für alle Mitarbeiter verbindlichen Ethik-Kodexes. Unternehmerische Ethik- Kultur setzt eine gelungene Wertewahl voraus. Aus diesen Werten werden Grundsätze und Handlungsprinzipien abgeleitet. Ethik-Spezialisten sollten überprüfen, ob Organisationsstruktur, Investmentprozesse, Risikomanagement und andere relevante Elemente der Unternehmenspraxis den gewählten ethischen Werten entsprechen (Konsistenzprüfung). Entscheidend ist allerdings, wie mit den definierten Werten konkret umgegangen wird. Dies hängt nicht vom Kodex ab, sondern von der Mentalität und ethischen Praxis des Managements und der Angestellten. Unternehmenskultur ist Chefsache Der Baseler Ausschuss betont die besondere Verantwortung des Management Boards: Ethik-Kultur ist Chefsache. Leitungskultur muss vom CEO und den Vorständen für alle Mitarbeiter deutlich wahrnehmbar vorgelebt werden. Ein ethisch kompetenter Aufsichtsrat kann das Management Board auf Augenhöhe unterstützen. Ethisch souveräne Manager können Teams zur Etablierung einer verantwortungsvollen Risikokultur nachhaltig motivieren. Die Achtung, die den Führungskräften entgegengebracht wird, resultiert dann aus ihrer Best Practice und nicht aus erzwungener Autorität. Fehlentwicklungen sollten einem 74 diebank 01.2016

BERUF & KARRIERE ó Ethics Officer via Whistleblowing- oder Frühwarnsystem gemeldet werden können. Konstruktive Anregungen und Kritik müssen offen kommunizierbar sein. Senior Manager können die Erstverantwortung für die ethische Risikokultur nicht delegieren und sollten durch entsprechendes ethisches Training geschult sein. Hier empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit externen Ethics Counselors in Workshops, Seminaren oder individueller Gesprächsbegleitung. Ein Ethics Committee kann zusammen mit der Personalabteilung firmenweite Schulungsprogramme erarbeiten. Ethik- Schulungen sind auf vielen Ebenen möglich: im Traineeprogramm, bei Nachwuchsführungskräfte-Schulungen oder durch individualisierte Angebote für etablierte Senior Manager. Diese Programme müssen kontinuierlich angeboten werden. Schließlich ist eine ethische Risikokultur auch die beste und wahrscheinlich kostengünstigste Reputationsrisiko-Prävention. Ein ethisches GPS Bei der Etablierung einer ethischen Unternehmenskultur geht es nicht primär um Werte, sondern darum, wie mit diesen umgegangen wird. Unternehmensethik drückt sich in der Entscheidungs- und Handlungspraxis innerhalb des vorgegeben ethischen Bezugsrahmens aus. Ein international tätiges Finanzunternehmen ist mit vielen verschiedenen lokalen Ethik- und Compliance-Anforderungen konfrontiert. Ethik-Kultur bedeutet dann vor allem Navigationskompetenz im Freiraum der vielfältigen Entscheidungsmöglichkeiten. Mit Compliance-Vorschriften allein lässt sich kein „ethischer Autopilot“ programmieren, da die Vorschriften aufgrund der Komplexität der Rechts- und Wirtschaftsstrukturen auch widersprüchlich sein können. Gerade dann ist persönliche Ethik-Kompetenz in Form von Unterscheidungs-, Entscheidungs- und Handlungskompetenz gefordert. Diese Kompetenzen sind gebündelt im persönlichen „ethischen GPS“. Es steht für Gewissen, Personalität und Selbststeuerung. Der ethische Bezugsrahmen entspricht dem „Kartenmaterial“, das dem ethischen GPS zugrunde liegt. Das GPS unterstützt bei der Reflexion ethischer Fragen und gleicht sie mit dem ethischen Rahmen des Unternehmens ab. Kommunikation als Bindeglied Ethischer Diskurs kann gelingen, wenn Machtansprüche und Vorurteile hintangestellt werden und eine innere Bereitschaft zum wertschätzenden Zuhören und zur Wahrhaftigkeit gegeben ist. Dabei geht es nicht um effiziente Kommunikation, d. h. um optimierten Informationsfluss, sondern um die Bereitstellung eines geeigneten Kommunikationsraums zur Erörterung von Handlungsoptionen. Der diskursive Prozess entfaltet sich als klassischer Dreischritt von der indifferenten Wahrnehmung dessen, was der Fall ist, über das reflektierte Unterscheiden und überprüfte Entscheiden bis hin zur eigentlichen Handlung. Jedes Element dieses Prozesses steht stets unter dem kritischen Vorbehalt der Vorläufigkeit. Unter diesen Voraussetzungen kann eine ethische Risikokultur als zweistufiger diskursiver Prozess realisiert werden. Eine diskursfähige Ethik-Praxis kann sogar Widersprüche und unlösbar erscheinende Situationen erörtern: gerade unvorhergesehene und verwickelte Situationen fordern zum Dialog heraus. Lösungen ergeben sich nicht qua Autopilot aus den Grundprinzipien, sondern aus der gemeinsamen Erörterung und aus Entscheidungsprozessen, die offen bleiben für Ansätze oder Modifikationen, die über die ursprünglichen Prinzipien hinausgehen. Manchmal wird es notwendig sein, etwas zu wagen und ethisches Neuland zu betreten. Herausforderung für die Bankenaufsicht An welchen Indikatoren könnten Regulatoren erkennen, dass ein Finanzunternehmen auf dem richtigen Weg ist? Da sind gut sichtbare Indikatoren: Ethik-Kodex, Ethik-Beirat, ethische Trainings- und Schulungsprogramme, Ethics Officers und -Mentoren, die Incentive- und Compensation-Struktur u. a. m. Wie aber lässt sich die Vorbildfunktion des Top-Managements greifen? Wie kann die innere Einstellung von Führungskräften überprüft werden? Woran kann die Bankenaufsicht erkennen, wie tief verwurzelt die ethische Risikokultur in der Belegschaft bereits ist? Möglich ist eine Überprüfung ex post, doch eine Analyse im Nachhinein genügt weder den Anforderungen einer wirkungsvollen Prävention, noch denen einer nachhaltigen Entwicklung. Zwar wird seitens der Aufsicht schon bei der Besetzung des Vorstands auf die persönliche Integrität der Kandidaten geachtet, letztlich ist jedoch ein zeitnaher, regelmäßiger und offener Dialog zwischen Aufsicht und Finanzinstitut über alle Fragen der ethischen Risikokultur erforderlich. Wesentlich daran ist, dass ein strukturierter Dialog in Form persönlicher Gespräche stattfindet. Bei der Evaluierung sollte die innere Einstellung überprüft werden können. Die Aufsicht könnte speziell geschulte Mitarbeiter regelmäßig zu den Finanzinstituten entsenden, um sich mit den betroffenen Personen auszutauschen. Ethics Officers oder Ethik-Mentoren bieten sich aufseiten der Institute als kompetente Gesprächspartner an. Informationen aus Frühwarnsystemen können nützlich sein, um den ethischen Pulsschlag des Unternehmens spürbar zu machen. Gleichwohl bleibt es eine Herausforderung, quantitativ unterstützte Verfahren und Methoden zu entwickeln, um die Effizienz von Ethikkultur messbar zu machen. ó Autoren: Carmen und Michael Neumayer sind geschäftsführende Partner des Neumayer Ethics Council, Frankfurt/Main. 1 Vgl. Ira Steinbrecher: Risikokultur: Anforderungen an eine verantwortungsvolle Unternehmensführung, in: BaFin-Journal 8/2015, S. 20-23; Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS), Guidelines: Corporate governance principles for banks. 01.2016 diebank 75

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