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die bank 01 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BERUF & KARRIERE Das

ó BERUF & KARRIERE Das gilt erst recht für vielbeschäftigte Schaltermitarbeiter und in noch stärkerem Maße für Geschäftskundenbetreuer, die ihre Klienten häufig nur alle paar Monate einmal sehen. Verhaltensänderungen lassen sich dann kaum entdecken. „Der Krankheitsprozess kann sehr schleichend vonstattengehen“, sagt Thomas Lorenz, Jurist beim Bundesverband deutscher Banken. Deshalb sei es eine Frage des Einzelfalls, ob ein an Demenz erkrankter Kunde geschäftsunfähig im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches ist. Gerade im Anfangsstadium könne eine Demenzerkrankung nicht automatisch mit Geschäftsunfähigkeit gleichgesetzt werden. Allerdings gelte auch: „Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig und damit absolut unwirksam, wie zum Beispiel ein erteilter Auftrag zum Verkauf von Wertpapieren“, warnt Lorenz. Im Ernstfall ist die Bank schadensersatzpflichtig. Und die Haftungssummen können hoch sein. Denn nicht nur einfache Sparer, sondern auch Mittelständler oder Manager von Großkonzernen können von Demenz betroffen sein, ohne dass es ihnen anzusehen wäre. Besonders problematisch ist, dass manche Erkrankte ihr Unrechtsbewusstsein verlieren, weshalb sie unter Umständen selbst Betrugsversuche unternehmen können. Umgang mit dementen Kunden ist eine Herausforderung Bisher sind rechtliche Auseinandersetzungen über Fragen der Geschäftsfähigkeit sehr selten, berichten große Filialbanken wie Deutsche Bank, Commerzbank und Targobank unisono. Dennoch stellt der Umgang mit dementen Kunden eine Herausforderung dar: „Die Grundfrage ist ein möglicher Schutz vor eigenen Entscheidungen“, heißt es bei der Commerzbank. Die eigene Entscheidung aber sei ein grundlegendes Persönlichkeitsrecht, das nur von Amts wegen – etwa durch ein Vormundschaftsgericht auf Basis ärztlicher Gutachten – aberkannt werden könne. Für solche Dinge seien jedoch zuvorderst die nächsten Angehörigen verantwortlich. Trotzdem reagieren die Banken, wo sie es für nötig halten: „Wenn Kundenberater den Eindruck gewinnen, dass eine Kundin oder ein Kunde einen hilfsbedürftigen Eindruck macht oder nicht mehr geschäftsfähig sein könnte, dann informieren sie die Rechtsabteilung“, beschreibt die Targobank das hauseigene Prozedere. Gemeinsam werde dann über das weitere Vorgehen entschieden. Schieden Hilfestellungen innerhalb der Familie aus, rege man die Einrichtung einer Betreuung an. Bei der Deutschen Bank ist der Umgang mit erkrankten Kunden regelmäßig Gegenstand von Mitarbeiterschulungen. „Hierdurch möchten wir sicherstellen, dass Anzeichen einer etwaigen Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit unserer Kunden frühzeitig von uns erkannt und berücksichtigt werden können“, erklären die Frankfurter. Außerdem würden Klienten regelmäßig auf die Möglichkeit der Erteilung einer Vorsorgevollmacht für den Krankheitsfall hingewiesen. Unsicherheiten trotz Vollmacht Manchmal jedoch wird eine solche Vorsorgevollmacht zu spät ausgestellt. „Erteilt ein Geschäftsunfähiger eine Vollmacht ist diese nichtig“, sagt BdB-Jurist Lorenz. Das aber bringt die Banken wieder in Haftung. Zudem tauchen oft Fragen auf, wenn der Kunde mehrfach Vollmachten an verschiedene Personen ausstellt. Sind diese wirksam? Und wann tritt der Zeitpunkt ein, zu dem der Kunde nicht mehr selbst entscheiden kann und dann der Bevollmächtigte handeln darf? Viele Banken versuchen, ihre Haftungsrisiken gering zu halten, indem sie auf das Ausfüllen hauseigener Formulare oder eine notarielle Beglaubigung für die Erteilung solcher Vollmachten bestehen. Doch diese Vorgaben sind rechtlich nicht bindend: „Eine Vollmacht ist nicht an irgendeine Form gebunden“, sagt die Rechtsanwältin und Vizepräsidentin der Deutschen Alzheimergesellschaft Bärbel Schönhof (siehe Interview). Eine Vorsorgevollmacht könne sogar mündlich erteilt werden. Banken versuchen, Haftungsrisiken zu minimieren Aus Sicht der Banken kann es dennoch Sinn machen, eigene Formulare vorzuhalten und auf freiwillige Unterzeichnung zu setzen. Erstens, weil die Kunden mithilfe eines solchen Schriftstücks auf das heikle Thema Demenz einfacher angesprochen werden können. Zweitens, weil die Anwesenheit eines Bankberaters während der Erteilung einer Vorsorgevollmacht Betrüger möglicherweise abschreckt. Und drittens, weil dadurch die Erteilung mehrerer Vorsorgevollmachten an unterschiedliche Personen erschwert oder verhindert werden kann. „Schon aus Gründen der Klarheit und Beweiskraft ist eine schriftliche Abfassung der Vollmacht angebracht“, sagt Jurist Lorenz. Wenn ein Dritter zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags bevollmächtigt werden solle, verlange das Gesetz eindeutig die Erteilung einer notariell beurkundeten Vollmacht. Auch das Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz empfiehlt Kunden, auf die von Banken und Sparkassen angebotene Vordrucke für Vorsorgevollmachten zurückzugreifen Sicher ist: Das Thema Demenz dürfte deutsche Banken künftig stärker beschäftigen – auch innerhalb der eigenen Reihen. Schließlich können nicht nur Kunden erkranken, sondern auch die eigenen Mitarbeiter. Das bedeutet weitere Herausforderungen. Betriebsärzte müssen geschult werden, um die Symptome frühzeitig erkennen zu können. Die Banken haben leidensgerechte Arbeitsplätze für erkrankte Mitarbeiter bereitzustellen. Und neue, weitreichende Haftungsfragen sind zu klären. ó 74 diebank 1.2015

Den Kunden nicht bevormunden INTERVIEW Bärbel Schönhof (48) ist Fachanwältin in Bochum und Vizepräsidentin der Deutschen Alzheimergesellschaft. Sie ist seit 1997 selbstständige Rechtsanwältin und seit 2000 zugelassene Fachanwältin für Sozialrecht. Sie ist außerdem als Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen tätig, aktuell an der Fachhochschule Düsseldorf. Schönhof: In vielen Vollmachtsformularen, die die Banken selbst vorhalten, wird eine Pflicht zur Prüfung, ob der Kunde noch für sich selbst entscheiden kann, ausgeschlossen. Das entbindet die Institute jedoch nicht von einer möglichen Haftung bei Geschäftsunfähigkeit. Denn wird die Vollmacht von einem bereits Geschäftsunfähigen unterfi INTERVIEW die bank: Frau Schönhof, was sind die größten Unsicherheiten für Banken im Umgang mit dementen Kunden? Schönhof: Die größten Probleme entstehen im direkten Kundenkontakt bei der Frage, ob der Kunde noch geschäftsfähig ist oder ob aufgrund einer nicht unbedingt sichtbaren, sich schleichend entwickelnden Demenz bereits Geschäftsunfähigkeit gegeben ist. In einem solchen Fall sind Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsunfähige vornimmt, nichtig. Hier kann gegebenenfalls für die Banken eine Haftung gegeben sein. Diese Fragen stellen sich nicht nur im unmittelbaren Kundenkontakt am Schalter, sondern auch bei Baufinanzierungen und sonstigen Kreditgeschäften, bei der Vermögensverwaltung usw. die bank: Viele Banken bitten Kunden, eine hauseigene Vertretungsbefugnis auszufüllen. Reicht das nicht? schrieben, ist sie gar nicht wirksam. Selbst bei wirksamer Bevollmächtigung oder rechtlicher Betreuung stellen sich oftmals Fragen in der praktischen Umsetzung. Was darf ein Bevollmächtigter bzw. Betreuer? Welche Maßnahmen müssen gerichtlich genehmigt werden? die bank: Wie kann man den Haftungsrisiken so gut wie möglich vorbeugen? Schönhof: Die Mitarbeiter müssen geschult sein im Umgang mit Menschen mit Demenz. Sie müssen den Verlauf der Erkrankung zwar nicht in allen Einzelheiten kennen, jedoch wissen, dass Demenzerkrankungen auch mit dem Verlust der Kritikfähigkeit einhergehen können. Demenzkranke können oftmals leicht von außen beeinflusst werden, etwa durch Betrüger, aber auch durch böswillige wechselnde Bevollmächtigte. Allerdings müssen die Mitarbeiter natürlich auch die angemessene Umgangsweise lernen. Es gilt, Distanz zu wahren und die Kunden nicht zu bevormunden. die bank: Welche weiteren Tipps können Sie geben? Schönhof: Die Kunden sollten frühzeitig auf die Möglichkeit angesprochen werden, dass unter Umständen Krankheit oder Unfall dazu führen können, dass Bankgeschäfte nicht mehr in eigener Person ausgeführt werden können und gegebenenfalls eine Kontovollmacht nicht ausreichen wird. Auch sollte das Thema Pflegevorsorge frühzeitig angesprochen werden, da oft die gesamte Familie mit der Finanzierung von Pflege und allen damit verbundenen Umständen beschäftigt sind. die bank: Erwarten Sie, dass die Zahl der Auseinandersetzungen oder sogar Rechtsstreitigkeiten zwischen Banken und Kunden, bzw. deren Angehörigen, zunehmen wird? Schönhof: Das ist schwer zu beantworten. Es bleibt zu hoffen, dass die Banken frühzeitig erkennen, in welche haftungsträchtige Situation sie sich begeben und dementsprechend Vorsorge treffen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die betroffenen Familien. Insoweit ist Information das wichtigste Gegenmittel zu Rechtsstreitigkeiten, die schon allein angesichts der stetig steigenden Zahlen von Menschen mit Demenz zunehmen könnten. die bank: Frau Schönhof, vielen Dank für dieses Interview. Die Fragen stellte Birga Teske. 1.2015 diebank 75

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