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diebank 10 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE

BERUF & KARRIERE DIGITALISIERUNG ERFORDERT UMDENKEN Entrepreneur in eigener Sache werden Digitalisierung und Transformation schaffen eine neue Arbeitswelt. Der Wandel in der Arbeitswelt verlangt eine neue Einstellung zur Arbeit. Die berufliche Selbstbehauptung fordert aber auch von abhängig Beschäftigten zunehmend unternehmerische Eigenschaften. Darüber sprach unser Autor mit Professor Dr. Nikolaus Franke, Vorstand des Instituts für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien. die bank: Herr Professor Franke, was veranlasst Sie, abhängig Beschäftigte darauf hinzuweisen, dass sie klug daran tun, sich im Beruf als Entrepreneur, sprich Unternehmer in eigener Sache, zu bewegen? Nikolaus Franke: Wir leben in einer Zeit, in der Algorithmen die Leistungsstärke des Menschen in vielen Bereichen übertreffen. Wer nicht ersetzt werden will, sollte schauen, dass er oder sie Fähigkeiten aufbaut und entwickelt, die nicht so einfach programmiert werden können. Simpel gesagt: Alles, was mit Abarbeiten, Routinen und wiederkehrenden Mustern zu tun hat, ist in Gefahr. Berufe, die mit Flexibilität, Kreativität und Innovation zu tun haben, hingegen nicht. Unternehmerisches Denken und Handeln, also Entrepre- neurship, wird damit zu einer zentralen Fähigkeit der beruflichen Daseinsvorsorge. die bank: Wodurch unterscheidet sich dieser Entrepreneur-Arbeitnehmer von dem herkömmlichen Arbeitnehmer? Franke: Entrepreneure warten nicht auf Anweisungen, sondern ergreifen selbst die Initiative. Sie übernehmen Verantwortung und schaffen Neues. Den Weg dahin finden sie selbst. Das kann Künstliche Intelligenz nicht oder nur sehr eingeschränkt. Betonen möchte ich dabei aber, dass es solche Arbeitnehmer selbstverständlich schon immer gegeben hat, und schon immer war es ein Weg zur beruflichen Selbstbehauptung und zum Erfolg. Neu ist eigentlich nur die mittlerweile zentrale Bedeutung dieser Eigenschaft. die bank: Unternehmer sein, heißt, Risiken einzugehen und ihnen mit Risikobereitschaft zu begegnen. Was bedeutet das eine wie das andere für das Selbstverständnis des Arbeitnehmers, der sich als Entrepreneur in eigener Sache im Beruf bewegt? Franke: Früher hat man mal gesagt: „Wer keine Risiken eingehen möchte, der sucht sich halt einen Job.“ Heute gibt es diese Sicherheiten kaum mehr. Die Profile von Selbstständigen und Angestellten gleichen sich in der Hinsicht tendenziell an. Unternehmerische Angestellte, die sich als Innovatoren verstehen, gehen zwangsläufig Risiken ein. Die Sache kann schließlich immer schiefgehen. Damit muss man leben, und davon muss man sich wieder erholen können. 70 10 // 2019

BERUF & KARRIERE die bank: Was lässt ein Arbeitnehmer mit dem Selbstverständnis „Ich bin Entrepreneur in eigener Sache“ mit sich machen, und was nicht? Worauf lässt er sich ein, worauf nicht? Franke: Gute Frage. Ich würde sagen: Die Balance zwischen Risiko und Chance muss stimmen. Das ist aber natürlich nicht nur finanziell gemeint. Entrepreneure ziehen auch viel Nutzen aus der Möglichkeit, selbst Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen, einen Fußabdruck zu hinterlassen. Am Ende muss das jeder selbst wissen. Klar ist aber: Heute ist die Alternative Selbstständigkeit viel greifbarer als früher. die bank: Und aus dieser spezifischen Risikobereitschaft in Verbindung mit diesem Selbstverständnis stellt der Entrepreneur in eigener Sache welche Ansprüche an den Arbeitgeber? Franke: Unsere MBA-Absolventen berichten immer wieder, dass ihnen im Verlauf der zwei Jahre klargeworden ist, was man im Unternehmen alles neu und besser machen könnte. Eine tolle Chance für die Arbeitgeber! Aber nicht alle Organisationen reagieren schnell genug. Ein Entrepreneur hört halt sehr ungern „tolle Idee, eine super Sache, wir machen es aber nicht, denn wir haben sowas noch nie gemacht“. Dann geht er. Oder sie. die bank: Ansprüche an andere zu stellen bekommt mehr Gewicht und Gesicht, gehen sie einher mit Ansprüchen an die eigene Person. Welche Ansprüche muss unser Entrepreneur in eigener Sache unbedingt an sich stellen? Franke: Der Kern ist immer Leistung, ist immer der Innovationsgedanke, ist immer auch die Risikobereitschaft. Denn Innovation bedeutet auch immer, dass man nicht weiß, ob man richtig liegt. Lernfähig- und -willigkeit plus Flexibilität und Ambiguitätstoleranz sind selbstverständliche Ansprüche, die Entrepreneure in eigener Sache an sich stellen müssen. Den schnellen Abflug in die Frustration müssen sie anderen überlassen. die bank: Lassen Sie uns das bitte noch einmal ganz gezielt auf das Mindset hin konkretisieren. Franke: Mindset heißt Einstellung, in diesem Fall bezogen auf das Selbstverständnis zur Arbeit. Fühle ich mich verantwortlich, will ich führen, will ich initiativ sein. Oder fühle ich mich im Grunde wohl mit Stabilität, Routine und Anweisungen? Wer etwas Neues schaffen möchte, muss die Tools, das Handwerkszeug beherrschen. Das bedeutet, dass man auch sehr aktiv lernen muss. Bildung, der Blick über den Tellerrand und Weiterbildung, die Verbundenheit mit der Entwicklung, kennzeichnen das Mindset der Entrepreneure in eigener Sache. die bank: Und was muss der Entrepreneur in eigener Sache wegstecken können? Franke: Misserfolge, Gegenwind, Probleme. Man kann nicht immer gewinnen. Aus einer Niederlage muss man lernen und sie ansonsten abhaken. Meist geht die Welt ja nicht unter. Im Erfolgsfall muss man übrigens auch mit Neid und Missgunst umgehen können, das ist auch nicht trivial. die bank: Professor Franke, es gibt da dieses neue Wort in der Arbeitswelt, GigWork, auch GigWorking. Es bedeutet, die eigene Arbeitskraft für eine begrenzte Zeit oder stets wechselnde Projekte anzubieten, entweder der Not gehorchend oder aus freien Stücken. Im Blick auf Ihren Anstoß, sich als Entrepreneur in eigener Sache zu verstehen und zu verhalten: Sehen Sie das auch als Einstimmen und Einüben auf diese Entwicklung? Franke: Ja, das ist ein Trend, der sich sicher verstärken wird. Wer klug ist, behält ihn im Auge, setzt sich damit auseinander, trainiert dessen Bedeutung gedanklich. Die Arbeitswelt von morgen wird mehr diesbezügliche Kreativität und Flexibilität fordern und erfordern. Die Bereitschaft dazu aber auch honorieren. Das Modell „Nach der Ausbildung oder dem Studium fange ich in einem Betrieb an und arbeite dort bis zur Pension“ – das gibt es nicht mehr. die bank: Innovation ist meist mit dem Gedanken an Technologie konnotiert. Habe ich Sie richtig verstanden, dann verlangt die Zukunft von den Arbeitnehmern, den Innovationsgedanken auch als Wegweiser für ihr eigenes Tun und Lassen fest(er) im Kopf zu haben? Franke: Ein sehr wichtiger Punkt. Ja, dazu kann ich nur raten. Innovation heißt auch neue Dienstleistungen, neue Prozesse, neue Märkte, neue Geschäftsmodelle. Sich damit auseinanderzusetzen bietet Menschen, die unternehmerisch agieren wollen, in den Unternehmen, in eigener Regie oder in wechselnder Abfolge, Chancen, sich zu entwickeln. die bank: Herr Professor Franke, wir danken Ihnen für dieses Interview. Die Fragen stellte Hartmut Volk. 10 // 2019 71

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