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diebank 09 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG 3 |

DIGITALISIERUNG 3 | Struktur einer Cluster-Organisation im Banking Retailgeschäft Kreditgeschäft Handel Transaction Banking Konten Einlagen Filialen Zahlungskarten Krediteinrichtung Kreditüberwachung Kreditservices Risikomanagement Produktportfolio Krediterweiterung Trade- Produkte Prozesse Ratings Asset-/Liability Management Interest Rates, Currency/ Commodity Trading Post Trading Credit Trading Equity System Transfer Trade Finance Payments Mobility Cash Management Channel Banking Regulatorik Services Corporate Platforms Management – Digitization Omnichannel Services Data Market Data Umsatz-Analytics Kosten-Analytics Digital Banking Applications Finance Financial Statements Customer Journey Steuern und Recht Regulatory Financials Reporting Financial Crime, AML & Sanktionen Risikoanalyse Market & Liquidity Market Compliance & Steering Counterpart-Risk Calculations & Reporting/Risk Models Personal Backoffice Kundendaten Corp. Security & Identity Access Management Customer Data Management Customer Lifecycle Management Customer Channel Data Governance and Corporate Services Innovationen Agile/Scrum/ Lean Start-up Algorithmen Technology & Innovation Big Data Solutions Technology Predictive Analytics API / Open Banking FinTechs Network & Security Infrastructure eWorkplace Cloud Computing Continuous Deployment Middleware & Environments Operations & Monitoring Quelle: Capgemini Research 2019. plattform für Bankdienstleistungen im Retail-Banking in Europa zu erstellen. ÿ 2 Der Fokus lag dabei auf einer größtmöglichen Flexibilität sowie Skalierbarkeit der IT-Infrastruktur beider Häuser, die Effizienz und Profitabilität durch standardisierte Produkte, verschlankte Prozesse und Systeme (Design-to-Cost; Standardsoftware, Commodity-Infrastruktur-Komponenten) dem Kunden neue Produkte und Dienstleistungen durch den Ausbau der Direktkanäle (konsistentes Multikanalerlebnis) noch schneller grenzüberschreitend anbieten zu können. Dafür bedurfte es einer fortschrittlichen Technologieplattform mit hochmoderner und transparenter IT-Architektur, vereinheitlichter Datenstrukturen, standardisierten Produkte und integrierten Dienstleistungen, sowie im Hinblick auf die Customer Journey vor allem innovativen und einfach bedienbaren Frontend-Tools sowie einer vollautomatisierten Abwicklung im Sinn eines End to End Straight Through Processing (STP) entlang aller Direktkanäle. All dies zudem unter Berücksichtigung einer konsistenten Sicht auf die gesamte Kundenbeziehung bei deutlich erhöhter Datenqualität, flexiblen Angeboten und differenzierten Service Leveln. Um dies zu erreichen, wurde eine schnelle und sichere Migration auf die Zielplattform sowie eine konsequente Abschaltung der Altsysteme forciert. Eine auf die Postbank und Deutsche Bank fokussierte, innovative, überwiegend interne IT-Organisation sollte die hohe Effizienz, Innovation und erstklassigen Kundenservice sicherstellen. Involviert waren nahezu alle IT- und fachbezogenen Retailbereiche der Banken, mit dem gemeinsamen Fokus, die Applikationsentwicklung und -pflege auf strategische Applikationen in schlanken und integrierten Entwicklungsprozessen zu konzentrieren. Externe Unterstützung erfolgte seinerzeit durch On- und Nearshore-Anbieter. Der Aufbau und Betrieb der Infrastruktur wurde auf Basis von standardisierten Komponenten aus dem Massenmarkt vorangetrieben. Nicht-Kernkomponenten, wie das Helpdesk und der Enduser-Support, sollten ausgelagert werden. In Abhängigkeit davon, ob die künftige Governance die einer selbstständigen Retailbank ist oder ein Teil der DB AG, sollte eine schlanke COO-Funktion integriert werden, mit dem Ziel, die FOE der Integration künftig zu verantworten. 52 09 // 2019

DIGITALISIERUNG Zur nachhaltigen Prozessoptimierung wurden dazu sechs grundlegende Stoßrichtungen identifziert: Z Abläufe verschlanken, bspw. papierhafte Prozesse bei Kontoeröffnungen abschaffen, Z manuelle Tätigkeiten einschränken, z. B. Prüfungen bei Kontosperren und Abwicklung vorzeitiger Laufzeitverlängerung automatisieren oder robotisieren, Z Prozesse vereinheitlichen, bspw. Sonderkonditionen standardisieren, Z die Prozessqualität erhöhen, z. B. die Umgehung „harter“ Sperren automatisiert verhindern, Z überflüssige Kontrollen reduzieren, bspw. das Vier-Augen-Prinzip bei keinem bzw. geringem Risiko wie Sparbuchausstellungen abschaffen, Z konsequentere Realisierung von Erträgen, bspw. Preiserlässe bei kostenpflichtigen Auskünften abschaffen. Die Sicherstellung des Customer-Journey-Ansatzes und somit einer integrierten Multikanallandschaft für den Kunden basierte im Magellan- Programm auf maximal kanal-, produkt- und serviceübergreifender Prozessstandardisierung, die dennoch den Zugriff auf ein bedarfsgerechtes Produkt- und Serviceangebot ermöglichen sollte. Das heißt, dass alle (abgebrochenen) Vorgänge und Prozesse künftig kanalübergreifend fortzusetzen sind und somit die Abwicklung von Geschäftsvorfällen in Echtzeit ermöglicht wird. Dazu sollten die Mitarbeiter Zugriff auf ein zentrales 360-Grad-Kundenprofil erhalten. Erkenntnisse aus dem Magellan-Projekt Plattform-basierte IT-Architektur-Modelle wie im Beispiel des Magellan-Projekts sollen helfen, den Herausforderungen der Digitalisierung schneller und kundengerechter zu begegnen. Darunter ist keine reine Transformation der IT-Architektur zu verstehen, sondern eine unternehmensweite Veränderung der Plattformausrichtungen in verschiedene unabhängig agierende Einheiten. Diese wiederum müssen entlang der IT-Architektur der Banken effizient gesteuert werden, um nicht nur die digitale Transformation, sondern auch das Innovationsmanagement zu unterstützen. Dabei kann die bestehende IT-Struktur der Banken aufgebrochen und in eine oder durch eine Cluster-Organisation ergänzt bzw. unterstützt werden. Der Vorteil der Cluster-Organisation (ÿ 3) ist, dass die einzelnen Cluster unabhängig voneinander agieren können. Bildlich lässt es sich so erklären, dass die Cluster viele kleine Schnellboote (bspw. Transaction Banking) sind, die durch eine erhöhte Flexibilität und Unabhängigkeit besser auf Markt- und Kundenanforderungen eingehen können. Allerdings sind diese Schnellboote nicht gänzlich frei in ihren Entscheidungen, sondern hängen immer noch an einem großen Tanker (das sog. Management Digitization). Das bedeutet, wenn alle Schnellboote in verschiedene Richtungen fahren, dann bewegt sich der Tanker nicht vorwärts. Demnach gilt es, den Schnellbooten die Richtung tendenziell vorzugeben und sie nur innerhalb der einzelnen Cluster (bspw. im Kreditgeschäft im Umfeld der Konsumentenkredite) frei agieren zu lassen. Viele Banken deuten das Modell als Micro-Services, was durchaus zu vertreten ist. Jedoch muss die Ganzheitlichkeit des Plattform-Modells hervorgehoben werden, wie es insb. auch im Umfeld des Magellan-Projekts der Deutschen Bank galt. Obwohl das Projekt letztlich gestoppt wurde, lassen sich daraus wichtige Erkenntnisse ableiten. FAZIT Die erfolgreiche Transformation der IT-Architektur einer Bank in ein Plattform-basiertes Modell hängt von einer Reihe unterschiedlicher Erfolgsfaktoren ab. Dazu zählen u. a. der Aufbau eines Operational-/ Organisational Change Managements, das Ändern der Denkweise mit Fokus auf User Experience, Design-Thinking, Interoperabilität, Digitalisierung und Automatisierung, das Bilden Plattformbezogener Teams bestehend aus Fachbereich, IT und bestimmten funktionalen Skills (Finance, Analytics, etc.) sowie ein Architecture Assessment, also eine Definition der Zielarchitektur (Enterprise und Platform Level), und nicht zuletzt die Entkoppelung und Integration der Plattformen. Autor Dr. Stefan Huch ist Leiter des Bereichs Transaction Excellence bei Capgemini Invent und Vertretungsprofessor für ABWL, Digitalisierung von Geschäftsprozessen an der Hochschule Merseburg. Der Autor dankt Dr. Jan Engel für seine Mithilfe bei der Erstellung dieses Beitrags. 09 // 2019 53

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