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diebank 08 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT ferketten

MANAGEMENT ferketten auch im deutschen Mittelstand deutlich erhöht. Jahrelang spielten Lieferunterbrechungen keine Rolle. Etwaigen Herausforderungen zum Beispiel durch Naturkatastrophen konnte in aller Regel rasch begegnet werden. Nachhaltige Lieferunterbrechungen kamen nicht vor. Dadurch konnten die Kostenvorteile globaler Arbeitsteilung vollständig vereinnahmt werden. Durch die Corona-Krise wächst nun die Wahrnehmung der operativen Risiken, die mit global zersplitterten Lieferketten schon immer einhergehen. Damit wird nach dem positiven Kosteneffekt nun das erhöhte Risikoprofil globaler Lieferketten sichtbar. Das mag in Zukunft zu einer anderen Positionierung von Unternehmen bei der Beschaffung bzw. bei der Entscheidung für Eigenproduktion versus Fremdbezug führen. Auch hierzu gilt es, sich im Unternehmen rechtzeitig Gedanken zu machen und sich gegebenenfalls in Beschaffung und Produktion neu aufzustellen. Dank Staatshilfe durch die Krise Zu guter Letzt erfordern Liquidität und Finanzierung nicht nur operativ zur Bewältigung der akuten Krisensituation, sondern auch in langfristiger Sicht besonderes Augenmerk. Die staatlich dargestellten Liquiditätshilfen dürften es erlauben, die meisten Unternehmen sicher über die akute Krise zu retten. Letztlich stellen sie aber überwiegend zusätzliche Verschuldung dar, mit der während der Krise Verluste finanziert werden. In Zukunft werden wir es also in Deutschland verstärkt mit Unternehmen zu tun bekommen, die in Relation zum durch die Verluste in der Krise geschrumpften Eigenkapital eine deutlich höhere Verschuldung aufweisen als bisher. Das ist bei einem nachhaltig funktionierenden Geschäftsmodell zunächst unproblematisch, wenngleich im traditionell Eigenkapitalstarken deutschen Mittelstand ungewohnt. Es erfordert aber mehr denn je, sich über eine diversifizierte und krisensichere Finanzierungsstruktur Gedanken zu machen. Neben dem bilateralen Kredit macht es sicher Sinn, in Zukunft noch intensiver über alternative Finanzierungsformen wie Leasing und (Reverse-)Factoring nachzudenken. Die Nutzung des Kapitalmarkts dürfte weiter zunehmen, wenngleich sie eher für größere mittelständische Unternehmen mit höherem Finanzierungsbedarf relevant ist. Auch die Bindung der verschiedenen finanzierenden Banken durch einen Club Deal oder einen syndizierten Kredit kann sehr hilfreich sein, denn nach der Krise werden die Unternehmen durch ihren ceteris paribus höheren Verschuldungsgrad anfälliger für konjunkturelle Schwankungen und daraus resultierende Schwankungen im Cashflow sein als zuvor. Vor dem Hintergrund der hier aufkommenden Herausforderungen scheint die Vorgabe von § 100 AktG, dass jeder Aufsichtsrat mindestens ein Mitglied mit Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung und Abschlussprüfung verfügen muss, in die richtige Richtung zu weisen. 5 Hilfreich wäre – neben der Übertragung auf den Beirat – zusätzlich sicher noch einschlägige Erfahrung in der Unternehmensfinanzierung. Ob bereits die pure Existenz eines Beirats das Rating eines Unternehmens positiv beeinflusst, kann in Zweifel gezogen werden. Einen Automatismus hierfür dürfte es bei den finanzierenden Banken nicht geben. Fest steht aber, dass ein qualifizierter Beirat einen positiven Signalling-Effekt gegenüber den Stakeholdern des Unternehmens hat – zeigt er doch, dass Geschäftsführung und Gesellschafter qualifizierten Rat hinzuziehen und sich jenseits des Tagesgeschäfts kontinuierlich mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens auseinandersetzen. Das mag die Einschätzung der Managementqualifikation im Ratingprozess positiv beeinflussen. Über diesen Umweg ist die Existenz eines funktionierenden Beirats für das Rating sehr wohl relevant. Sowohl im Management der Krise selbst als auch in ihrer langfristigen, eher strategischen Bewältigung ist – neben vertrauensvollen Beziehungen zu den relevanten Stakeholdern wie Kunden, Lieferanten und Financiers – unabhängiger Rat hilfreich. Die Wirkung und Reaktionsgeschwindigkeit ist dabei umso höher, wenn das Unternehmen dem Beratenden bereits im Detail bekannt ist. Es ist also zu vermuten, dass Unternehmen mit einem etablierten Beirat sowohl im Management der Krise selbst als auch in der gegebenenfalls erforderlichen strategischen Repositionierung Wettbewerbsvorteile gegenüber vergleichbaren Unternehmen ohne Beirat haben. Nach einem hinreichenden Zeitraum nach Beendigung der Corona-Krise könnte diese These empirisch untersucht und verifiziert werden. Für Unternehmen, die noch nicht über einen Beirat verfügen, macht es Sinn, über die Etablierung eines derartigen Gremiums nachzudenken. Für die Konzeptionierung und inhaltliche Ausgestaltung eines unternehmensspezifischen Beiratskonzepts stehen eine Reihe spezialisierter Unternehmensberatungen zur Verfügung. Die qualifizierte Besetzung des Beirats entscheidet Die gewünschte Wirkung eines Beirats bedingt allerdings, dass er qualifiziert besetzt ist. Dabei sollten diejenigen Qualifikationen besonders betont werden, hinsichtlich derer das Unternehmen selbst eher schwächer aufgestellt ist. Das wird von Unternehmen zu Unternehmen variieren. Zudem ist relevant, dass die Beiratsmitglieder keinerlei Interessenkonflikte zum Management bzw. zum Unternehmen aufweisen. Das schließt also den Firmenkundenbetreuer der Hausbank, den langjährigen Steuerberater, aber auch den Freund der Geschäftsleitung als Beiratsmitglied aus. Zudem sollte ein Beirat finanziell unabhängig sein. Nur so kann das Beiratsmitglied auch unbequeme Sachverhalte mit der nötigen Deutlichkeit ansprechen. 6 Natürlich könnte man der These, ein Beirat leiste einen Beitrag zur Krisenbewältigung und zur nachhaltigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit entgegenhalten, dass die Einbindung eines Beirats zu aufwendigeren und langsameren Entscheidungen führt. Auf den ersten Blick leuchtet das ein. Gerade in der Krise werden aber Geschäftsführung und Gesellschafter mit Themen konfrontiert, die weit außerhalb des üblichen Tagesgeschäfts und damit außerhalb 62 08 // 2020

MANAGEMENT FAZIT des eigenen Erfahrungsschatzes liegen. Es darf vermutet werden, dass hier ein sehr hoher Beratungsaufwand durch Dritte entsteht. Dieser kann durch einen etablierten Beirat, der das Unternehmen bereits im Detail kennt und ein Vertrauensverhältnis zu den handelnden Personen aufgebaut hat, oftmals effizient dargestellt werden. Das dürfte insbesondere auch für die unter Umständen erforderliche Neuausrichtung des Unternehmens für die Zeit nach der Krise gelten. 7 Auch die gegebenenfalls zusätzlich erforderliche Einbindung von Unternehmensberatern mag friktionsloser erfolgen, wenn divers qualifizierte Ansprechpartner mit tiefer Unternehmenskenntnis und langjährigem Sachverstand Geschäftsführung und Gesellschaftern zur Seite stehen. Krisensituationen, wie wir sie derzeit durch die Corona-Pandemie erleben, fordern das Management mittelständischer Familienunternehmen intellektuell und kapazitativ. Gleichzeitig sind sie oftmals Ausgangspunkt für nachhaltige Anpassungen der Wertschöpfungskette, auf die es sich einzustellen gilt. Bei beidem ist ein qualifiziert und unabhängig besetzter Beirat hilfreich. Während die Etablierung eines Beirats per se nicht Rating-relevant ist, sollte die damit verbundene laufende Auseinandersetzung des Managements mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens sehr wohl positiven Niederschlag in der Beurteilung der Managementqualität durch die kreditgebende Bank finden. Die Einrichtung eines qualifizierten Beirats ist für mittelständische Familienunternehmen daher zu empfehlen. Autor Dr. Michael Schleef ist Lehrbeauftragter an der Frankfurt School of Finance & Management und der Nordakademie Graduate School in Hamburg. Er hat 30 Jahre Erfahrung im Firmenkundengeschäft mit mittelständischen Unternehmen. 1 Vgl. C. Achenbach, F. Gottschalck: „Beirat und Aufsichtsrat. Praxisberichte aus dem Mittelstand“. Düsseldorf 2016. 2 Vgl. Michael C. Jensen, William H. Meckling: „Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure”. In: „Journal of Financial Economics”, Vol. 3 (1976)” sowie Eugene F. Fama, Michael C. Jensen: „Separation of Ownership and Control”. In: „Journal of Law and Economics”, Vol. 26 (1983). 3 Vgl. James H. Davis, F. David Schoorman, Lex Donaldson: „Towards a Stewardship Theory of Management”. In: „Academy of Management Review”, Vol. 22 (1997). 4 Vgl. Jay Barney: „Firm Resources and Sustained Competitive Advantage”. In: „Journal of Management”, Vol. 17 (1991). 5 Manuel Rene Theisen: „Vom großen Bruder lernen – oder es lieber sein lassen: Welche AG-Erfahrungen auch einem Beirat nutzen können“. In: C. Achenbach, F. Gottschalck (2016). 6 Angesichts der meist überschaubaren Beiratsvergütung dürfte das meist ohnehin der Fall sein. So ergab eine Befragung von 300 mittelständischen Unternehmen, dass 20 Prozent der ordentlichen Beiratsmitglieder eine Vergütung bis 5.000 € erhalten. Die meisten Beiräte (35 Prozent) erhalten zwischen 10.000 und 20.000 € p. a, bei lediglich 1 Prozent übersteigt die Vergütung 50.000 € p. a. Vgl. PWC (Hrsg.): „Der Beirat im Familienunternehmen“, Düsseldorf 2013. 7 Zu den Nachteilen des Beirates siehe im Detail C. Achenbach, F. Gottschalck (2016). 08 // 2020 63

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