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diebank 08 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE LGBT IN

BERUF & KARRIERE LGBT IN DER ARBEITSWELT Ich bin schwul. Ist das auch gut so? Wer in Deutschland lesbisch, schwul, bi- oder transsexuell ist, legt seine sexuelle Orientierung gegenüber Arbeitskollegen meist nicht offen. Nur jeder Dritte outet sich im Job, heißt es in der Studie „Out@Work“ der Strategieberatung Boston Consulting Group. Die großen Banken hingegen haben sich schon früh als eine der ersten Branchen mit Netzwerken positioniert und setzen sich für mehr Offenheit ein. Was machen die Netzwerke, wie profitieren die Arbeitgeber und was bringt ein „Coming Out“ für den Job? Die Stille, diese unglaubliche Stille. An sie erinnert sich Holger Reuschling noch so, als sei es gestern gewesen. Die Stille, mit der seine neuen Kollegen vor fünf Jahren bei einem Führungskräftetreffen auf seine Antwort reagierten. „Worauf sind Sie stolz?“, das sollte jeder in der Runde vorab beantworten. „Stolz bin ich auf meine Karriere, und dass ich es geschafft habe, mich als Homosexueller nicht mehr zu verstellen.“ Da war es raus. Was in seinem privaten Umfeld längst alle wussten, machte dann auch bei seinem Arbeitgeber, der Commerzbank, die Runde. „Bis dahin hatte ich im Job die gesamte Klaviatur von Lügen und Ausreden perfektioniert“, sagt der Bankbetriebswirt, der heute im Kundenmanagement arbeitet. Aus Angst vor einem ungewollten Outing wickelte Reuschling sogar die Finanzierung des neuen Hauses, das er mit seinem langjährigen Lebenspartner bauen wollte, über eine andere Bank ab. „Die Situation wurde immer bedrückender“, erinnert sich der heute 49-Jährige. Statt sich ständig neue Geschichten auszudenken, hätte er viel lieber Fotos vom neuen Heim gezeigt und Kollegen zu sich nach Hause eingeladen. „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“ Mit seinem wohl berühmtesten Zitat hatte Klaus Wowereit 2001 als Spitzenkandidat der SPD für die Berliner Bürgermeisterwahl ausgesprochen, was fast 20 Jahre später für viele Manager in der Wirtschaft immer noch undenkbar ist. „Das Thema sexuelle Orientierung ist nach wie vor ein Tabu in vielen deutschen Unternehmen. Damit schaden sich die Unternehmen vor allem selbst: Denn häufig ist ein offener Umgang im Job mit einer höheren Arbeitszufriedenheit verbunden“, weiß Annika Zawadzki, Principal bei der Boston Consulting Group und Autorin der 2019 veröffentlichten internationalen Studie „Out@Work“, für die die Strategieberatung 4.000 junge Berufstätige und Studenten befragt hat. Nur 37 Prozent der LGBT-Talente legten gegenüber Arbeitskollegen offen, dass sie lesbisch, schwul, bisexuell oder transsexuell seien (LGBT steht für die englischen Bezeichnungen Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender); jeder vierte Betroffene sieht das „Coming Out“ im Job als Karrierefalle. Dabei würden Arbeitgeber und Arbeitnehmer von einer offeneren Kultur stark profitieren, davon ist die Commerzbank-Bereichsvorständin Jenny Friese überzeugt: „Studien zeigen, dass die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern in einem vorurteilsfreien Arbeitsumfeld deutlich höher ist.“ Es sei erwiesen, dass LGBT-Talente bei der Wahl ihres Arbeitgebers sehr genau auf dessen Werte achteten. Teams, die eine offene Kultur pflegten, seien eher bereit, neue Wege zu gehen und Innovationen voranzutreiben. Auf der Kundenseite beobachtet die Managerin, dass LGBT, deren Familien und Freunde mit Blick auf eine Willkommenskultur besonders sensibel seien. Last but not least gelte die Gruppe als besonders kaufkräftig (siehe auch Interview). Banken waren in der Vorreiterrolle Vorteile, die die großen deutschen Geldhäuser frühzeitig erkannt haben. „Die großen Banken sind extrem engagiert beim Thema LGBT“, beobachtet Dr. Jean-Luc Vey, Innovation Manager bei der Deutschen Bank und Mitinitiator des Netzwerks dbPride. So waren Deutsche Bank und Commerzbank mit die ersten Unternehmen in der deutschen Wirtschaft mit eigenen LGBT-Netzwerken. Der Branchenprimus startete im Jahr 2000 mit dbPride, nachdem mit der Übernahme des US-Investmenthauses Bankers Trust auch das Diversity Management nach Deutschland gekommen war, erinnert sich Vey. Die Commerzbank folgte ein Jahr später mit Arco, das vom damaligen Vorstandschef Klaus-Peter Müller von Anfang an stark unterstützt worden sei, sagt Reuschling. 74 08 // 2019

BERUF & KARRIERE Müller habe früh erkannt, dass diverse Teams erfolgreicher seien. Mit mehr als 400 Mitgliedern sei Arco heute eines der größten deutschen LGBT-Netzwerke in einem deutschen Unternehmen und biete einen geschützten Raum, um sich zu vernetzen und weiterzuentwickeln. Wie dbPride und Arco wollen auch die S-Que(e)rdenker der Berliner Sparkasse (seit 2013) und der Newcomer Unicorn der HVB (seit Ende 2018) Vorurteile abbauen, Diskriminierung von Schwulen und Lesben sichtbar machen, ein besseres Arbeitsklima für LGBT schaffen, ein Qualifizierungsnetzwerk sein und Vorbilder schaffen. Mit internen und externen Veranstaltungen wie der Beteiligung an bundesweiten Christopher Street Days (CSD) oder am internationalen „RAHM-LGBT Leadership Contest“ werben die Bank-Netzwerke für ihre Ziele. Um die Sichtbarkeit der LGBT-Communities zu erhöhen, arbeiten sie intensiv mit anderen Netzwerken zusammen, die schwule bzw. lesbische Führungskräfte vertreten. Zudem zeigt man Flagge und zwar in den Regenbogenfarben, sei es mit Fahnen an den Filialen, auf EC-Karten wie bei der HVB und der Deutschen Bank oder im Logo der Commerzbank. Selbst der Commerzbank-Turm, der höchste Wolkenkratzer Deutschlands, erstrahlte während des Frankfurter CSD in Orange, Gelb, Grün, Blau und Lila. Eher regional ist die Berliner Sparkasse unterwegs. „Wir beteiligen uns vor allem an Events in den Stadtteilen, in denen wir ja auch Filialen haben und mit Besuchern leicht ins Gespräch kommen“, sagt Martin Köpke, Sprecher des Netzwerkes S-Que(e)rdenker, dem einzigen formalen Zusammenschluss in der Sparkassenorganisation mit ihren 385 Instituten. „Letztlich muss das LGBT-Engagement auch zur Strategie der Sparkasse passen.“ Ziel: Bestmögliches Arbeitsumfeld für alle Dabei haben die für Diversität verantwortlichen Manager nicht nur die Gruppe der LGBT im Blick. „Ziel ist es, das bestmögliche integrative Arbeitsumfeld für alle Mitarbeiter zu schaffen, in dem jeder unabhängig von Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit, Nationalität, poli- 08 // 2019 75

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