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diebank 08 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG FLEXIBLER

REGULIERUNG FLEXIBLER WECHSEL IN UND AUS DEM IRB-ANSATZ BCBS und EBA: Die neue Partial-Use-Philosophie Die neue Partial-Use-Philosophie des Baseler Ausschusses und der EBA könnte der erste Schritt zu einer Wiederbelebung des auf internen Ratings basierenden Ansatzes (IRBA) im Kreditrisikobereich sein. Sowohl Institute, die den IRB-Ansatz zukünftig anwenden wollen, als auch Institute, die derzeit bereits so verfahren, werden von der vorgesehenen größeren Flexibilität und den möglichen Kostensenkungen profitieren. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) und die European Banking Authority (EBA) haben ihre „Partial-Use-Philosophie“ im BCBS-424-Standard und in den Empfehlungen zur Umsetzung von Basel III geändert, was bislang nur wenig Aufmerksamkeit erhielt. Ein Institut kann bei einem Partial Use (dt.: teilweise Anwendung) – auf Antrag mit Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde – einen fortgeschrittenen Messansatz für einen Teil seiner Positionen, und für den anderen Teil einen Standardansatz zur Berechnung der Mindesteigenmittelanforderung in einem Risikobereich verwenden. Das BCBS-424-Reformpaket vom Dezember 2017 wird von den Aufsehern als „Finalisierung von Basel III“ und von der Bankenindustrie als „Basel IV“ bezeichnet. Es ist zusammen mit den korrespondierenden europäischen Anpassungen durch die CRR II vom Juni 2019 sowie die zukünftige CRR III die umfassendste Überarbeitung aufsichtlicher Bestimmungen seit der Einführung von Basel II. 1 Über die möglichen Auswirkungen bestimmter aufsichtlicher Neuerungen wird schon lange diskutiert, wobei klassische Themenbereiche und potenzielle Erhöhungen der Eigenmittelanforderungen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Klassische Themen sind insbesondere die Regelungen zum neuen Kapital-Floor und zum überarbeiteten Kreditrisiko-Standardansatz (üKSA), die Eigenmittelanforderungen für Anpassungen der Kreditbewertung (Credit Valuation Adjustments, CVA) oder der neue Standardansatz für operationelle Risiken und die Berechnung der risikogewichteten Aktiva (RWA) im auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA). Bei der Vielzahl der aufsichtlichen Neuerungen ist es naheliegend, zunächst die Auswirkungen von Klassikern zu analysieren und sich dann anderen Themen zu widmen. Der folgende Beitrag greift mit dem neuen Partial Use (PU) ein vernachlässigtes Thema mit möglicherweise großen Auswirkungen bei den Instituten auf. Im Mittelpunkt soll der IRBA im Kreditrisikobereich stehen. Die überarbeiteten PU-Anforderungen an die teilweise Nutzung des IRBAs werden nämlich zu erheblichen Veränderungen bei der Art und der Höhe der RWA der Institute führen. In der Folge könnten die PU-Auswirkungen auf einzelne Institute sogar größer sein, als die aller anderen Neuerungen zusammengenommen. 50 08 // 2019

REGULIERUNG Derzeitige Partial-Use-Regelung Die Institute haben bei der Nutzung des IRBAs die grundsätzliche Pflicht, den Ansatz auf Gesamtbankebene und nicht nur für einzelne Positionen, Portfolien oder Forderungsklassen anzuwenden. Diese Baseler Norm ist eine der wichtigsten IRBA-Anforderungen und soll sog. Cherry Picking vermeiden, bei dem die Institute – rational handelnd – nur solche Positionen dem IRBA zuordnen würden, bei denen gemäß IRBA-Berechnungsvorgaben ein niedrigerer RWA-Betrag als im Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) ermittelt wird. Nur im Ausnahmefall ist es einem IRBA-Institut gestattet, für bestimmte Portfolien oder Positionen den KSA anstatt IRBA zur Berechnung der RWA und damit der Mindesteigenmittelanforderung zu benutzen. Diese Ausnahme, also der Partial Use, soll den Instituten einen Wechsel vom KSA auf den individuelleren und risikosensitiveren IRBA erleichtern. Der PU kann als dauerhafte Ausnahme (Permanent Partial Use, PPU) oder zeitlich begrenzte Ausnahme (Temporary Partial Use, TPU) genutzt werden. Beim PPU verbleiben bestimmte immaterielle Positionen oder Run-off-Portfolien dauerhaft im KSA und beim TPU nur für einen Übergangszeitraum während der Umsetzungsphase des IRBAs. Die Baseler Vorschrift zum PU wurde in das europäische Aufsichtsrecht übernommen und ist dort im Artikel 148 CRR (TPU) und Artikel 150 CRR (PPU) zu finden. Die CRR-Regelungen lassen den nationalen Behörden einen erheblichen Ermessensspielraum, wie der PU von den Instituten im Detail angewendet werden muss. In genannten CRR-Artikeln wird der EBA ein Mandat erteilt, einen Regulatory Technical Standard (RTS) zur europaweiten Vereinheitlichung der PU-Regelungen zu erarbeiten. Da dieser EBA-Standard noch nicht vorliegt, sind bis auf Weiteres die zum Teil sehr unterschiedlichen nationalen Interpretationen zum PU ausschlaggebend. In Deutschland erfolgt die nationale PU-Auslegung im Rahmen der Solvabilitätsverordnung (SolvV). Die §§ 7 bis 17 SolvV regeln sehr detailliert, welche Position im Rahmen des PU dauerhaft ausgenommen werden dürfen. Der TPU gemäß SolvV verlangt von den Instituten bei erstmaliger IRBA-Anwendung einen Abdeckungsgrad von mindesten 50 Prozent der RWA (Eintrittsschwelle) und des Exposure at Defaults (EAD). Nach zweieinhalb Jahren muss der Abdeckungsgrad 80 (Referenzzeitpunkt) und nach fünf Jahren 92 Prozent (Austrittsschwelle) betragen. Dies sind im internationalen und europäischen Vergleich sehr konservative Werte. So verlangt die Europäische Zentralbank (EZB) während des Targeted Review of Internal Models (TRIM) lediglich einen Abdeckungsgrad in Höhe von 80 Prozent je Forderungsklasse für Banken, die schon seit vielen Jahren den IRBA nutzen. PU als Hinderungsgrund für Wechsel in den IRBA? Die beschriebenen PU-Regelungen haben in der Vergangenheit viele Institute von einem Wechsel vom KSA in den IRBA abgehalten. Manche Spezialinstitute, Regionalbanken sowie große und mittlere Volksbanken und Sparkassen wären unter anderen Bedingungen sicherlich zu einem Wechsel bereit gewesen. Sie verfügen nämlich für ihre Kernportfolien über sehr gute interne Rating- und Scoringverfahren, die die CRR-Anforderungen bereits erfüllen würden oder schnell auf den CRR-Qualitätsstandard gebracht werden könnten. Für die restlichen Portfolien benutzen die Institute allerdings oft Ratingverfahren, die aus verschiedenen Gründen nicht den Standards der CRR genügen und deren Nachbesserung sehr aufwendig wäre. Institute 08 // 2019 51

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