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diebank 08 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT VERBRIEFUNGEN

MARKT VERBRIEFUNGEN Warum ihr goldenes Zeitalter erst noch bevorsteht Transparenz ist das Schlagwort unserer Tage. Auf jedem Joghurtbecher steht, wie viel Kalorien, Zucker, Salz und welche Farbstoffe darin enthalten sind. Was ursprünglich nur als lästige regulatorische Vorgabe wahrgenommen wurde, rückt zunehmend in das Bewusstsein des Verbrauchers. Der aufgeklärte Konsument will sich gesund ernähren, will wissen, wie das Produkt hergestellt wird, welche Rohstoffe dazu genutzt werden und beginnt daher, sich über die rechtlichen Anforderungen hinausgehend zu informieren. Ähnliches ist auf den Finanzmärkten zu beobachten. Wo gestern noch lediglich auf Ratings und Bonität geschaut wurde, steigt der professionelle Anleger heute tiefer in das Anlageprodukt und Geschäftsmodell des Emittenten ein, setzt sich mit dem Finanzierungsgegenstand detaillierter auseinander. Doch nicht immer sind die dazu notwendigen Informationen vorhanden, hat man doch nur Jahres- und Quartalsabschlüsse bei Unternehmensanleihen, allgemeine Poolinformationen bei Covered Bonds, und begibt sich bei Staatsanleihen völlig in die Hand einer wechselhaften Politik. Doch es gibt ein Kapitalmarktsegment, wo Transparenz bis in die letzte versteckte Ecke des Geschehens gegeben ist: Es heißt Verbriefung. Spätestens mit der neuen Verbriefungsregulierung, die seit Anfang dieses Jahres anzuwenden ist, wird das Produkt Verbriefung völlig transparent, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um eine STS- Verbriefung – STS steht für Standardised, Transparent, Simple – handelt oder nicht. Der ursprüngliche Gesetzestext, die Level-I-Regulierung wie es im Regulierungssprachgebrauch heißt, beschäftigt sich bereits ausgiebig mit dem Transparenzthema. Doch dabei bleibt es nicht. Spätestens nach Lektüre der ESMA-Veröffentlichung über Transparenz und öffentliches Datawarehouse für Verbriefungen, der über 400 Seiten starken sogenannten Level-2-Regulierungen dazu, bekommt man einen Eindruck davon, wie anspruchsvoll das Transparenzanliegen gerade bei Verbriefungen gehandhabt wird. Aber nicht nur bei der Transparenz sind europäische Verbriefungen wegweisend. Für STS-Transaktionen, also jene Verbriefungen, für die noch weitgehendere Anforderungen gelten als für das normale Verbriefungsprodukt, verlangt der Gesetzgeber die Erfüllung weiterer, detaillierter Qualitätsanforderungen. Und er nimmt darüber hinaus auch Originator und Emittent in eine besondere Pflicht, was deren Umsetzung angeht. Zudem schafft er eine zusätzliche Option, die man bislang nur aus dem Bereich stofflicher Güter kannte, nämlich die Verifizierung von Herstellererklärungen 30 08 // 2019

MARKT durch eine aufsichtsrechtlich anerkannte, unabhängige private Stelle. Für das Produkt STS-Verbriefung wird damit erstmals in der EU auch für ein Finanzprodukt ein Qualitätssicherungsprozess eingeführt, der EU-weit seit langem für die Überprüfung der europarechtlichen Vorgaben und Normen für Industrieprodukte – vom Kinderspielzeug über medizinische Geräte bis hin zu Industrieanlagen – gilt und sich hier bewährt hat. Die Verbriefung bewegt sich nunmehr in einem Spannungsfeld. Einerseits ist sie im Hinblick auf Transparenz, Qualität und Sicherheit ein Avantgarde-Produkt, das im europäischen Finanzmarkt seinesgleichen sucht. Andererseits verlässt die Verbriefung damit das Level Playing Field mit anderen Finanzinstrumenten wie dem Covered Bond (in Deutschland auch als Pfandbrief) bekannt, Unternehmensanleihen, Kreditfonds etc. Dies wiegt umso schwerer, als auch in der Eigenkapitalbelastung bei Investoren Verbriefungen keineswegs besser abschneiden. Im Gegenteil. Es bleibt folglich abzuwarten, wie sehr sich die Verbriefung in diesem regulatorischen Umfeld zukünftig bewähren und als Maßnahme der Kapitalmarktunion den erwarteten positiven Beitrag zur Finanzmarktstabilität leisten wird. Doch andererseits sprechen grundlegende Trends dafür, dass Verbriefungen einen Aufschwung erleben werden: Trend Nr. 1: Wachsende Unsicherheit auf den Kreditmärkten Bei einem Kreditzyklus, der sich in einer späten Phase bewegt, fällt es immer schwerer, Ausfallrisiken adäquat zu kalkulieren. Was gestern noch ein Star war, kann morgen schon Junk-Status bekommen, die Volatilitäten nehmen entsprechend zu. Was ist mit Tesla, wie ist das Italien-Exposure dieser oder jener Bank zu bewerten – wenn der Angstindex steigt oder Gerüchte die Marktlage prägen, gewinnen Transparenz und Qualität an Bedeutung. Trend Nr. 2: Emittentenratings unter Druck Die Emittentenratings werden schlechter. Was bei Banken weltweit schon seit einigen Jahren zu beobachten ist, erfasst im Zuge des strukturellen Umbruchs zunehmend auch die Industrie. E-Mobilität, Digitalisierung, CO2-Neutralität, weltwirtschaftlicher Umbruch – all dies sind, neben dem ohnehin schon im Fokus stehenden Kreditzyklus, die Treiber zunehmender Unsicherheit. Asset Based Finance Instrumente gewinnen unter diesen Bedingungen an Aufmerksamkeit, und damit vorweg auch Verbriefungen. Trend Nr. 3: Real Assets im Aufwind Real Assets steigen im Kurs. Die Inflation realer Vermögenswerte ist Ausdruck steigender Verunsicherung bei Anlegern weltweit. Real Assets sind im Fokus der Investoren. Und Verbriefungen sind meist nicht nur mit einem diversifizierten Kreditportfolio unterlegt, sondern auch mit den dahinterstehenden realen Assets, mit Immobilien, Autos, d. h. mit Sicherheiten, die bei Ausfall von Kreditnehmern verwertet werden können. Trend Nr. 4: Die Suche nach Sicherheit Doppelte Sicherheit beruhigt in unsicheren Zeiten. Wer große Angst hat, seine Hose zu verlieren trägt nicht nur Gürtel, sondern nutzt zudem noch Hosenträger. Verbriefungen bieten diese Option. Neben den diversifizierten Kreditportfolios, meist noch unterlegt mit realen Assets, liefern sie als einziges Finanzinstrument die zusätzliche Sicherheit der Tranchierung. In der Kette der Verlustzurechnung sind zunächst die Halter der unteren Tranchen, d. h. des First Loss Piece und der mezzaninen Tranchen betroffen, sodass die Investoren in der oberen Tranche mehrfach geschützt sind. Trend Nr. 5: Green- und Sustainable Finance braucht die Verbriefung Green Finance ist auf dem Vormarsch. Der Klimawandel steht im Zentrum der politischen Debatte. Entsprechend sucht die Politik nach Hebeln, um CO 2 -Neutralität zu befördern, und setzt dabei wesentlich auf die Etablierung eines staatlich geförderten und regulierten Sustainable- Finance-Markts. Im Juli 2019 hat die EU-Kommission den „Taxonomy Technical Report“ für Sustainable Finance vorgelegt. Dabei wird deutlich, dass die Steuerung der Vergabe von nachhaltigen Bankkrediten einerseits wesentlich bedeutsamer ist als der entsprechende Anleihemarkt, andererseits aber aufgrund der Kleinteiligkeit des Kreditgeschäfts sich auch anspruchsvoller gestaltet, da die Schaffung von Transparenz über die vielseitige Verwendungsoptionen von Krediten hinweg eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe ist. Ein Markt für nachhaltige Bankkredite wird jedoch auch deren Verbriefung beflügeln. Die Nachfrage nach nachhaltigen ABS-Bonds wird deutlich steigen, es werden neue Transaktionsformen entstehen mit Beteiligung öffentlicher Fördereinrichtungen, wie z. B. EIB, EIF und KfW. Etablierte Institutionen wie die für Verbriefungen geschaffenen Repositories (Datenregister) werden weitere Anwendungsfelder finden zum Nachweis der nachhaltigen Kreditverwendungszwecke. 08 // 2019 31

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