Aufrufe
vor 4 Jahren

diebank 08 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT MIETGEGENSTÄNDE

MARKT MIETGEGENSTÄNDE ALS SICHERHEIT Finanzierungstrends für Start-ups der Sharing Economy Die Sharing Economy hat ein Füllhorn an Ideen für Start-ups hervorgebracht. Ökonomisch sinnvoll werden diese kapitalintensiven Geschäftsmodelle aber nur, wenn das Wachstum durch eine sinnvolle Kombination aus Eigenund Fremdkapital finanziert werden kann. Besitzen war gestern, Teilen ist der Trend – genauer: Mieten. Allgegenwärtige Car-Sharing-Modelle, Miet-E-Scooter, -Vespas oder -Fahrräder, die inzwischen in den Städten an jeder Ecke stehen, sind nur die wohl bekanntesten Beispiele. Ein Blick auf das Handy genügt, um das nächste verfügbare Auto oder den am nächsten geparkten E- Scooter zu finden und online den Vertrag abzuschließen. Man findet sich plötzlich in einer Welt des "Mobility as a Service" wieder. Ein idealer Tummelplatz für Start-ups, die immer neue Anwendungen erdenken und passende Apps anbieten. Häufig der große Haken: die Finanzierung der Mietgegenstände. Um das Geschäft rentabel und attraktiv für den Kunden zu betreiben, müssen relativ viele Fahrzeuge allzeit für die Kunden bereitstehen. Die Wahl der richtigen Finanzierungsstrategie und der richtigen Partner dafür ist deshalb eine der wichtigsten Weichenstellungen, die über Erfolg oder Misserfolg der Geschäftsidee entscheiden. Eigenkapital- oder Fremdkapitalfinanzierung? Die meisten Start-ups beginnen ihr Geschäft mit dem Eigenkapital der Gründer und Kapitalbeiträgen von Seed-Investoren bzw. Angel-Investoren. Für das weitere Wachstum und zur Deckung laufender Kosten sammeln die Jungunternehmer oft in weiteren Runden Eigenkapital, was allerdings die teuerste Form der Finanzierung ist. Und jedes Mal, wenn sich neue externe Investoren beteiligen, verwässern die prozentualen Anteile der Gründer. Ergo: Mit Eigenkapital allein ein skalierbares Geschäftsmodell der Sharing Economy zu finanzieren, greift zu kurz. Aber auch die vorzugswürdigere Kombination mit Fremdkapital zur Finanzierung wachsender Bestände an Fahrzeugen, Mobiltelefonen und sonstigen Mietgegenständen hat ihre Schattenseiten. Die einfachste Form ist hier ein Bankdarlehen. Allerdings sind nur wenige Institute bereit, jungen Unternehmen in den ersten Jahren nach der Gründung bereits Geld zur Verfügung zu stellen, da sie weder ein positives EBITDA, noch eine vertrauensbildende Historie in Form von drei Jahresabschlüssen vorweisen können. Zu groß ist die Angst der Banken, ob das Geschäftsmodell tatsächlich Profite abwirft und ob Zinsen und Tilgung bei Fälligkeit gezahlt werden können. In dieser Lücke haben sich Venture-Debt-Finanzierer positioniert, die bereit sind, den Start-ups Kredite mit relativ hohen Zinssätzen, strengen Auflagen und Kontrollmechanismen (Negative Covenants) sowie Kreditsicherheiten anzubieten. Je nach Geschäftsmodell kann diese Fremdfinanzierungsform tatsächlich sinnvoll sein. Sie lässt sich nach einigen Jahren mit günstigeren Bankdarlehen ablösen, sobald die von Banken verlangte Stabilität erreicht ist. Doch für die Sharing Economy sind Venture-Debt-Finanzierungen ebenfalls eher unattraktiv. Einerseits belasten die hohen Kreditzinsen die Ergebnisse der jungen Unternehmen stark, andererseits schränken die engen Auflagen und Kreditsicherheiten den Handlungsspielraum der Start-up-Unternehmer erheblich ein. Neue Kreditfinanzierer ins Boot zu holen, ist regelmäßig höchst kompliziert oder gar ausgeschlossen. Asset-Backed- und Asset-Base-Lending-Strukturen Der gangbarste Weg zur Finanzierung skalierbarer Sharing-Economy- Modelle sind deshalb Asset-Backed- bzw. Asset-Base-Lending-Strukturen. Sie funktionieren am besten, wenn das Start-up noch ganz am Anfang steht, bevor andere Fremdfinanzierer das Wachstum durch Kreditbedingungen erschweren. Klassische Verbriefungsstrukturen passen nur dort, wo geeignete Forderungsportfolien bereitstehen. Interessant ist dies vor allem für SME- bzw. Konsumenten-Kreditplattformen wie FundingCircle oder Kreditech, die über Asset-Backed-Verbriefungen finanziert wurden. Start-ups aus der Sharing Economy wie beispielsweise Grover, Everphone oder Cluno haben typischerweise keine vergleichbar langfristigen Mietverträge, die vorhersehbare und verbriefbare Cashflows generieren. Für sie ist entscheidend, die physischen Assets ihrer Mietflotte wie Autos, Fahrräder, Mobiltelefone, Drohnen und Kameras zu finanzieren. Um Fremdkapitalgebern größtmögliche Sicherheit zu geben, werden alle Assets, die für das Vermietgeschäft benötigt werden, in einer separaten Zweckgesellschaft gehalten. Das operative Vermiet-, Service-, Reparatur- und Vermarktungsgeschäft wird in einer davon getrennten Gesellschaft betrieben. Der Finanzierer gibt sein Darlehen unmittelbar an die Zweckgesellschaft und erhält neben weiteren Kreditsicherheiten vor allem ein insolvenzfern separiertes Asset-Portfolio. Das Darlehen wird auf einer Loanto-Value-Basis gegeben, das heißt, es wird kontinuierlich geprüft, ob der Wert des Asset-Portfolios noch den festgesetzten Mindestbetrag erreicht. Meistens wird eine Tranchierung vereinbart. Der Finanzierer kann zum Beispiel festlegen, dass sein Darlehen jeweils 90 Prozent des Werts jedes Mietgegenstands finanziert, während das Start-up mit einem Nachrang- 28 08 // 2019

MARKT FAZIT darlehen oder Eigenkapital die verbleibenden zehn Prozent der Anschaffungskosten übernimmt. Das Start-up selbst agiert zukünftig als reiner Dienstleister, der keine Mietgegenstände mehr auf der eigenen Bilanz hält. Es kümmert sich um Einkauf, Vermietung, das Inkasso der Mietforderungen und erbringt sonstige Serviceleistungen gegenüber den Kunden für die Zweckgesellschaft. Von dieser Aufgabenteilung profitieren sowohl Geldgeber als auch Gründer: Der Finanzierer erhält umfassenden Zugriff auf die finanzierten Assets – idealerweise auch im Fall der Insolvenz des Start-ups. Die Unsicherheit, ob das junge Unternehmen künftig profitabel ist und eine erfolgreiche Strategie verfolgt, wird damit für den Finanzierer nahezu irrelevant. Das Start-up wiederum erhält eine extrem flexible, skalierbare Finanzierungsstruktur, die parallel zum Wachstum des Asset-Portfolios mitwächst und die nahtlose Ergänzung mit weiteren Finanzierungspartnern erlaubt. Diese neuen Investoren beteiligen sich mit ihrem Geld entweder an der bestehenden Zweckgesellschaft oder es wird eine separate neue Zweckgesellschaft für sie gegründet. So lässt sich für jeden Risikoappetit eine maßgeschneiderte Struktur finden. Herausforderungen bei der Strukturierung Durch die Brille des Finanzierers betrachtet, ergibt sich eine Reihe von Fragen, vor allem mit Blick auf die Risiken: Wie lassen sich die zukünftigen Restwerte beurteilen? Gibt es elektronische Marktplätze wie z. B. Rebuy oder Ebay, über die sich die Mietgegenstände schnell zu gut prognostizierbaren Preisen veräußern lassen? Gibt es Rücknahmeverpflichtungen der Händler oder Hersteller, die die Restwertberechnung und -realisierung erleichtern? Wer kann im Falle der Insolvenz des Jungunternehmens die vereinbarten Serviceleistungen (Wartung, Reparatur, Erneuerung der nötigen Infrastruktur etc.) übernehmen? Sind Schäden, Unterschlagungen und Betrugsfälle durch Endkunden versichert? Wie kann abgesichert werden, dass Mietraten-Zahlungen im Insolvenzfall an die Zweckgesellschaft gelangen? Wie kommt der Finanzierer im Verwertungsfall schnellstmöglich an die erforderlichen Daten? Welche Datenschutzbestimmungen sind zu beachten? Welche Anpassungen der Endkunden-Mietverträge sollten vorgenommen werden, um sie an die Asset-Backed-Finanzierung anzupassen? Anders als bei einem Gebrauchtwagen, für den sich anhand von bewährten Kriterien wie Laufleistung, Abnutzungszustand, Ausstattung oder noch verfügbare Garantien der marktübliche Kaufpreis in der Regel ohne großen Aufwand errechnen lässt, ist dies bei den neuen Fortbewegungsmitteln nicht so einfach: Hier gibt es noch keinen eigenen, über mehrere Jahre entwickelten Gebraucht-Markt, der Faktoren für die Wertberechnung verlässlich vorgibt. Antworten bieten aber moderne IT-Lösungen und elektronische Marktplätze. Über Plattformen wie Rebuy und Ebay werden heute jeden Tag zahllose gleichartige Artikel wie gebrauchte iPhones vertrieben. Falls nötig, kann so ein Portfolio von Mietgegenständen in kürzester Zeit und zu bereits im Voraus gut kalkulierbaren Preisen verkauft werden. Es ist zu erwarten, dass damit auch für neue Assetklassen wie E- Scooter in überschaubarer Zeit eine belastbare Datenbasis für die Asset-Portfolio Bewertung bereitstehen wird. Die Durchführung von Serviceleistungen, die sich gerade im Bereich der neuen Mobilität aufgrund des permanenten täglichen Gebrauchs der Transportmittel durch eine Vielzahl von Nutzern ergeben, kann zukünftig für den Fall der Insolvenz des Start-ups anders gehandhabt werden: Durch Übertragung des Supports auf ein externes Dienstleistungsunternehmen, das in der Regel als spezialisierter Back-up-Servicer fungiert, wird von Anfang an das Risiko für den Finanzierer minimiert, dass bei Insolvenz des jungen Unternehmens eine Weiterverwendung oder -verwertung der Mietgegenstände infolge fehlender Servicedienstleistungen nicht mehr gesichert sein könnte. Haftungsrisiken, die durch den üblichen Eintritt der Zweckgesellschaft in die bereits bestehenden Verträge zu befürchten sind, können durch den Abschluss von Versicherungen schon im Voraus erheblich reduziert werden. Autoren Dr. Dietmar Helms ist Rechtsanwalt in der internationalen Kanzlei Hogan Lovells LLP. Er ist spezialisiert auf Verbriefungstransaktionen sowie grenzüberschreitende Finanzierungen. Er berät zahlreiche Klienten der FinTech-Branche und Sharing Economy u. a. bei der Aufnahme von Fremdkapital. Dr. Florian Putzka ist Rechtsanwalt in der gleichen Kanzlei. Er ist spezialisiert auf internationale strukturierte Finanzierungen und Asset-Verbriefungen und berät hierzu u. a. zahlreiche Mandanten aus Finanzindustrie und Sharing-Economy. 08 // 2019 29

die bank