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diebank 08 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKETPLACE LENDING Den

MARKETPLACE LENDING Den Kinderschuhen entwachsen Die Ursprünge des Marketplace Lending liegen in Europa schon über eine Dekade zurück. In dieser Zeit haben sich vor allem die nationalen Märkte rasant entwickelt, jedoch blieb die Entwicklung eines EU-weiten Markts aufgrund eines Flickenteppichs an nationalen Regulierungen bislang aus. Neue Regulierungsmaßnahmen dürften das künftige Wachstum von Marketplace Lending in ganz Europa begünstigen. Wie entwickelt sich in diesem Umfeld das Segment für Marketplace-Lending-Verbriefungen? Die Anfänge des heutigen Marketplace Lending in Europa lassen sich an der Gründung der britischen Zopa Ltd. im Jahr 2005 festmachen. Ursprünglich gestartet waren die Marketplace-Lending- Pioniere mit der Idee einer Online-Kreditvergabe über ihre Internetplattformen von „Privat an Privat“ (Peer-to-Peer). Zur Erweiterung und Stabilisierung des Kreditangebots wurden jedoch ergänzend schon frühzeitig institutionelle Investoren und Bankpartner eingebunden. Für die internetbasierte, bankenunabhängige Kreditvermittlung hat sich in der Folge der Begriff des Marketplace Lending entwickelt, wobei dieser und Peer-to-Peer häufig synonym verwendet werden. Marketplace Lending ist seinerseits als Lending-based Crowdfunding oder kurz Crowdlending eine Subkategorie des Crowdfunding, das wiederum den alternativen Finanzierungsformen zugeordnet werden kann. Die Plattformbetreiber werden den FinTechs zugeordnet, da sie mit ihrem technologiegetriebenen Geschäftsmodell die digitale Transformation des Bankwesens weltweit vorantreiben. Der Plattformbetreiber betätigt sich beim Marketplace Lending nur als Makler zwischen potenziellen Kreditnehmern und anlagewilligen Investoren, die letztlich die Finanzmittel bereitstellen und die Kreditrisiken tragen. Aufgrund dieser Vermittlerfunktion erhält er von beiden Seiten Provisionen, unterliegt aber nicht der strengen Bankenregulierung. Die Bereitstellung von illiquidem Fremdkapital beim Marketplace Lending durch institutionelle Investoren, wie Hedge- und Private Equity Fonds oder auch Family Offices, lässt sich aus dieser Anlageperspektive heraus auch der Kategorie Private Debt zuordnen. Chancen und Risiken für Investoren und Kreditnehmer Anleger können sich durch ihre Investments den Zugang zu Schuldnergruppen (Privatkunden, Unternehmensgründer/Start-ups, Kleinunternehmen etc.) erschließen, der über klassische Anleihemärkte so nicht möglich ist. Mithin eignet sich Marketplace Lending zur Diversifizierung ihrer Portfolien, ohne dass sie für die Durchführung der Kreditprozesse eigene Ressourcen vorhalten müssen. Die Partizipation an einzelnen Kreditprojekten ist für Privatanleger zudem schon ab kleinen Anlagebeträgen möglich. Im aktuellen Tiefzinsumfeld bietet Marketplace Lending zudem attraktive Netto-Zielrenditen (nach Abzug von Gebühren und Ausfällen, vor Steuern). Diese stellen sich im Mittel jedoch erst bei größeren Portfolien (über 100 Investments) ein, die ideosynkratischen Risiken des ein- 12 08 // 2019

MARKT zelnen Kreditprojekts sind meist hoch und die Volatilität der Rendite bei nur wenigen einzelnen Investitionen ebenfalls. Der Nutzen für den Kreditnehmer besteht in der Kreditgewährung als solche, wenn beispielweise seine Hausbank hierfür nicht zur Verfügung steht. Weitere Vorteile sind die ständige Erreichbarkeit via Internet sowie eine schnelle, weil weitgehend automatisierte, Kreditentscheidung. Umgekehrt sind die nominellen Zinssätze im Vergleich zu traditionellen Bankkrediten aus der Kreditnehmersicht relativ hoch. Dynamische Entwicklung von Marketplace Lending in Europa Die Hauptgeschäftsfelder von Marketplace-Lending-Plattformen unterteilen sich in KMU-Finanzierung einerseits und Konsumentenkreditgeschäft andererseits. Die Fremdfinanzierung muss jedoch nicht zwingend in Form von klassischen Kreditverträgen erfolgen. Gerade im gewerblichen Bereich bestehen verschiedene Varianten der Fremdfinanzierung. Ähnlich dem kommerziellen Factoring können beispielsweise auch Rechnungsforderungen eines KMU von den Anlegern erworben (Invoice Trading) oder auch vom KMU begebene Schuldtitel (Mini Bonds oder Debt-based Securities) gezeichnet werden. Marketplace Lending hat sich in Europa seit der Finanzkrise 2008 äußerst dynamisch entwickelt. Führender europäischer Markt ist Großbritannien. Das kumulierte ausgereichte Kreditvolumen der in der Peer- 2-Peer Finance Association zusammengeschlossenen britischen Anbieter ist von 1,3 Mrd. £ zum Ende des dritten Quartals 2014 auf 11 Mrd. £ im Jahr 2018 gestiegen, was einem jährlichen Wachstum von rund 170 Prozent entspricht. Trotz des dynamischen Wachstums der letzten Jahre liegen die Quoten von Marketplace Lending selbst im führenden britischen Markt am Gesamtkreditbestand bei unter 2 Prozent für KMU-Darlehen und etwa 1 Prozent für Konsumentenkredite. Damit bleibt noch genügend Raum für generisches Wachstum. Auch ein Vergleich mit China und den USA zeigt, dass das Potenzial für Marketplace Lending noch ein Vielfaches des heutigen europäischen Marktvolumens beträgt. Das weitere europäische Wachstum wird in der Zukunft jedoch nicht nur von der Entwicklung des dominierenden britischen Marktes geprägt werden, sondern von vielen Ländern in ganz Europa. Regulierung als Treiber Die Regulierung von Marketplace Lending, genauer gesagt von kreditbasierten Crowdfunding-Plattformen, gleicht in Europa derzeit noch einem Flickenteppich nationaler Regelungen. Diese kollidieren vielfach miteinander, und es ist daher für viele Plattformen schwierig, in andere EU-Länder zu expandieren. Durch die bislang fehlende Entwicklung eines EU-Binnenmarkts hinkt Europa im internationalen Vergleich beim Marketplace Lending deutlich hinterher. Um dies zu ändern, legte die Europäische Kommission als Teil der Bemühungen um den Aufbau einer Kapitalmarktunion und eines echten Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen am 8. März 2018 ihren FinTech-Aktionsplan vor. Dieser soll technologiegestützten innovativen Geschäftsmodellen im Finanzdienstleistungsbereich durch klare und konsistente Zulassungsregeln eine EU-weite Expansion ermöglichen. Eine spezifische EU-Verordnung über europäische Crowdfunding- Dienstleister, die sowohl investitionsbasiertes als auch kreditbasiertes Crowdfunding abdeckt, soll dazu beitragen, dass Crowdfunding-Plattformen im gesamten EU-Binnenmarkt ausgebaut werden können. 08 // 2019 13

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