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diebank 07 // 2020

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

SCHWERPUNKT

SCHWERPUNKT ZAHLUNGSVERKEHR doch noch zu regeln. Insbesondere maschinelle Willenserklärungen zwischen Maschinenidentitäten sind im Gegensatz zu einer Zahlungsauslösung einer natürlichen Person über einen gewerblichen Zahlungsauslösedienstleister (PISP) nach aktueller Rechtslage noch nicht geklärt. Ein anderes Beispiel liefert Daimler Mobility: Dabei erhalten Nutzfahrzeuge, insbesondere Lkw, jeweils eine eigene digitale ID über eine sogenannte Car Wallet. Damit lösen sie im Sinne eines Trusted Economic Agent (vertrauenswürdiges Wirtschaftssubjekt) tokenbasiert, auf Basis von Distributed-Ledger- Technologie, beispielsweise die Zahlung von Leasinggebühren abhängig von der Laufleistung aus – ein Modell, dass sich auch auf Zolloder Mautgebühren, Tanken und Parken ausdehnen lässt und mit digitalen Zahlungslösungen wie Mercedes pay verknüpft werden kann. Neue Datenströme verlangen neue Lösungen Eine Voraussetzung für das Funktionieren dieser und vieler weiterer Anwendungen von Trusted Blended Payments ist die geschickte Kombination innovativer Technologien. Schließlich müssen unterschiedlichste Daten erhoben, verteilt und ausgewertet werden. Dafür sorgen Spezialisten, zumeist FinTechs, die solche Daten außerhalb der klassischen Finanzdatenströme wie SWIFT etc. oder der Risikodatenaggregation nach BCBS 239 managen. Ein besonderes Problem stellt noch die rechtliche Behandlung von Maschinen als Zahlungsauslöser und deren technische Umsetzung dar. Doch mit der Technik allein ist es nicht getan. Vielmehr kommt es darauf an, unternehmens- und branchenübergreifend effiziente, sichere und zuverlässige Zahlungsverkehrsprozesse zu entwickeln. Dazu bietet sich das Prinzip der Co-Creation an, das für eine faire Verteilung von Aufwand und Ertrag zwischen den unterschiedlichen Beteiligten sorgt.Darüber hinaus ist es an der Zeit, dass auch die Politik erkennt, wie stark inzwischen die vielen kaum bis gar nicht kontrollierten FinTech-Unternehmen und Zahlungsdienstleister faktisch in die weltweiten Zahlungsprozesse eingebunden sind, und entsprechend handelt. Instant wird das New Normal Das zentrale Nutzenargument und die größte Herausforderung sowohl für die technische Umsetzung als auch für die Prozessorganisation besteht in der Echtzeitfähigkeit. Pay As You Wait ist kein Geschäftsmodell. Zu den wichtigsten Veränderungen im europäischen Zahlungsverkehr vor der Pandemie gehört deshalb die rasche Verbreitung des Instant Payment Standards SCT Inst. 56 07 // 2020

SCHWERPUNKT ZAHLUNGSVERKEHR Laut European Payment Council (EPC) bieten mittlerweile mehr als zwei Drittel aller Zahlungsverkehrsdienstleister in 22 Ländern des Europäischen Zahlungsraums SCT Inst für die sofortige Übermittlung von Zahlungen an. Bis zum ersten Quartal 2020 stieg der Anteil der SCT-Inst-Transfers an der Gesamtzahl der SEPA-Überweisungen auf fast sechs Prozent. Zwar ist angesichts der höheren Kosten für die Echtzeitüberweisung nicht damit zu rechnen, dass sie die klassischen SEPA-Transaktionen als Standard für sämtliche Zahlungen ablösen wird. Dennoch gilt sie in Fachkreisen als The New Normal – im Sinne einer Option, die Kunden von ihrem Payment Service Provider (PSP) ganz selbstverständlich erwarten – sei es als Möglichkeit zum bargeldlosen Gebrauchtwagenkauf, als Grundlage innovativer Pay-per-Use-Geschäftsmodelle im Maschinen- und Anlagenbau oder als effizienter und sicherer Weg der grenzüberschreitenden Handelsfinanzierung. Die meistgenannten Anwendungen sind bislang etwa die Bezahlung der Öllieferung oder der private Autoverkauf, bei dem der Fahrzeugbrief übergeben wird, wenn der Verkäufer den Eingang der Echtzeitüberweisung auf seinem Konto sehen kann. Weitaus wichtiger sind PSD2 und SCT Inst jedoch in ihrer Funktion als Türöffner für Echtzeit-Transfers und Open Banking. „Trusted” können Banken besser Gleichwohl bleibt beträchtlicher Handlungsbedarf für die deutschen und europäischen Akteure. Bislang läuft ein Großteil der Kartenzahlungen in Europa über internationale Plattformen. Gleichzeitig erobern die BigTechs aus Ost und West den Markt für Zahlungsdienstleistungen. Dabei setzen sie neue Standards in punkto Benutzerfreundlichkeit, etwa durch die Auhentifizierung per Facial ID. Neben den USamerikanischen Konzernen Google, Amazon, Facebook und Apple (GAFA) haben sich hier die chinesischen Anbieter Baidu, Alibaba und Tencent (BAT) längst als Betreiber globaler Ökonomieplattformen etabliert. Anders ausgedrückt: Europa droht die Abhängigkeit von internationalen Partnern, wenn es um die Abwicklung von Zahlungsströmen geht. In einer Phase, in der die digitale Zahlungsabwicklung zentraler Bestandteil innovativer Geschäftsmodelle wie Pay Per Use oder Pay As You Earn wird, würde das die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft insgesamt gefährden. Zunehmende protektionistische Tendenzen in Nordamerika und Asien lassen das Fehlen eigener Basisinfrastrukturen noch gefährlicher für die Entwicklung Europas erscheinen. Einen Vorgeschmack auf künftige Szenarien vermittelte das entfesselte Marktgeschehen beim Beschaffen von Atemschutzmasken während der ersten Wochen der Corona-Pandemie, als bei so manchem Deal über lange Zeit nicht klar war, wo sich Waren und Zahlungen befinden, geschweige denn, wann sie wo eintreffen. Mit einem digitalen Zahlungsverkehr im Sinne von Trusted Blended Payments hingegen können Finanzdienstleister ihren Kunden die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Transaktionen auch unter erschwerten Bedingungen bieten und sich damit neue Umsätze sichern. Denn Trusted können etablierte Finanzinstitute besser als die GAFAs, BATs und FinTechs dieser Welt. Vor diesem Hintergrund war die Einführung von SEPA und SCT Inst nicht weniger als ein wichtiger Schritt der europäischen Finanzwirtschaft auf dem Weg zum Banking der Zukunft – aber auch nicht mehr. Weitergehende Initiativen wie #DK als Angebot der Deutschen Kreditwirtschaft und EPI (European Payments Initiative) als Ansatz zu einer gemeinsamen europäischen Lösung belegen den Gestaltungswillen der etablierten europäischen Finanzwirtschaft. Wirklich erfolgreich werden sie jedoch nur dann sein, wenn die Branche insgesamt bereit und in der Lage ist, ihr Leistungsportfolio von reinen Finanztransfers auf die Unterstützung digitaler Geschäftsbeziehungen mit Trusted Blended Payments umzustellen. FAZIT Eine der Hauptaufgaben von Banken besteht seit jeher darin, Zahlungsvorgänge kundenfreundlicher zu gestalten. Denn Kunden, vor allem Verbraucher, wollen sich nicht mit dem Zahlungsvorgang beschäftigen, sondern mit dem Produkt oder der Leistung, die sie erwerben. Trusted Blended Payments, also vertrauensvolle, sichere Zahlungstransaktionen im Hintergrund, liefern dazu einen wichtigen Beitrag. Sie erfordern virtuelle Ökosysteme, die das Knowhow der vertrauenswürdigen klassischen Finanzdienstleister mit der Innovationskraft der FinTechs und der fachlichen Kompetenz von Handels- und Fertigungsunternehmen koordinieren. Beim Aufbau solcher Ökosysteme hat sich Co-Creation als erfolgreiches Verfahren etabliert, mit dem Unternehmen ihre Trusted-Blended- Payment Geschäftsmodelle in einem sicheren Umfeld aufbauen, das eine konsensorientierte Verteilung von Aufgaben und Nutzen fördert. Autor Ralf Baust leitet als Head of Banking, NTT DATA DACH, das Geschäft mit Banken und Finanzdienstleistern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 07 // 2020 57

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