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diebank 07 // 2020

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

SCHWERPUNKT

SCHWERPUNKT ZAHLUNGSVERKEHR CORONA-KRISE Panik, Pandemie und die Payment-Giganten Die Corona-Pandemie löste eine große globale Gesundheits- und Wirtschaftskrise aus. Die europäischen Banken erlebten während ihrer Erholung von der Wirtschaftskrise einen bedeutenden „Point of No Return“-Moment. Die führenden Finanzdienstleister sind gezwungen, ihre Rolle in der Gesellschaft zu überdenken und die Frage zu beantworten, wie sie auf die neuen Bedürfnisse ihrer Kunden in Bezug auf privates Finanzmanagement und Zahlungssysteme eingehen wollen. Banken mussten neue Arbeitsweisen und neue Innovationsstrategien etablieren und zeigen, was bei der Entwicklung von Services aus der Ferne ohne direkten Kontakt alles möglich ist. Durch die großen Technologieunternehmen gerät das Privatkundengeschäft der Banken jetzt unerwartet stark unter Druck. Der wertvollste Teil einer Bank, die Schnittstelle zum Kunden, wird zunehmend von den BigTech-Unternehmen Google, Apple, Facebook und Amazon (GAFAs) übernommen, die ihre Präsenz im Alltag der Menschen langsam, aber stetig ausbauen. In den vergangenen sechs Monaten brachten diese Unternehmen eine Reihe neuer Finanzprodukte auf den Markt, mit denen sie Schritt für Schritt das Privatkundengeschäft der Banken unterwandern. Gleichzeitig erobern „die Drachen“ – Alipay und WeChat – die Welt außerhalb Europas und der Vereinigten Staaten mit ihrem breiten Angebot an Finanzdienstleistungen. Noch nie wurde die Welt in diesem Ausmaß mit neuen digitalen Finanzprodukten überschwemmt, wie es jetzt in traditionell von Banken dominierten Märkten der Fall ist. Ein Datenschatz Es ist fast schon eine Binsenweisheit, dass die GAFAs nie in das Bankgeschäft einsteigen werden. Das liegt aber nur daran, dass sie es nicht müssen. Banken sind stark regulierte Unternehmen, die immer umfangreichere Compliance-Anforderungen erfüllen müssen. Die Technologieunternehmen nutzen dagegen Erkenntnisse aus den über ihre Plattformen gesammelten Daten, um die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu gewinnen und daraus anschließend Umsätze für Händler zu generieren. Die Auswertung von Klickraten und Einkaufshistorien liefert einen wahren Schatz an Erkenntnissen, um Angebote wirksam kombinieren und gezielt auf die präzise prognostizierten nächsten Schritte der Verbraucher 50 07 // 2020

SCHWERPUNKT ZAHLUNGSVERKEHR ausrichten zu können. Eine Zukunft, in der Finanzdienstleistungen von den BigTech-Unternehmen angeboten werden, ist eine spannende, aber auch etwas beängstigende Aussicht. Es ist durchaus vorstellbar, dass diese Unternehmen Menschen in naher Zukunft in fast allen Bereichen ihres Lebens als potenzielle Kunden ansprechen – zu Hause, auf ihren diversen vernetzten Geräten, auf dem Weg zur Arbeit im selbstfahrenden Auto, auf jeder interaktiven Werbetafel, an der sie vorbeilaufen. Die dafür erforderlichen Daten werden schon jetzt in praktisch jedem Moment unseres Lebens gesammelt. Verbindung der physischen mit der digitalen Welt Während der Corona-Pandemie nahm die Nutzung digitaler Finanz-Tools deutlich zu – sowohl bei Bankdienstleistungen als auch im Handel, der einen Anstieg des Online-Geschäfts und der Verwendung mobiler Endgeräte für den Einkauf verzeichnete. Der Anstieg betrug bis zu 55 Prozent, in den meisten Ländern mindestens 15 Prozent. ÿ 1 In vielen Staaten werden Lebensmittel in wesentlich größerem Umfang als zuvor über das Internet bestellt, eine Entwicklung, die schon seit langem erwartet wurde. Zudem zahlen Verbraucher in Corona- Zeiten deutlich häufiger digital per Karte oder Smartphone und vor allem kontaktlos – insbesondere in Ländern wie in der DACH-Region (Deutschland, Österreich und die Schweiz), wo bislang überwiegend mit Bargeld bezahlt wird. Politik und Handel forcierten aufgrund der Corona-Pandemie bargeldloses und kontaktloses Bezahlen, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren – und die Verbraucher verstanden, dass diese Form des Bezahlens hygienischer ist als die mit Bargeld. Die Pandemie katapultierte uns weiter in das digitale Zeitalter hinein, indem sie die breite Nutzung digitaler Dienstleistungen und Tools ebenso beschleunigte wie die Umstellung auf den digitalen Handel in Europa. Verbraucher nutzen Internet für Routineeinkäufe Gleichzeitig machte die Pandemie eine breite Kluft zwischen den führenden Unternehmen im Bereich der Digitalisierung und denjenigen Unternehmen sichtbar, die dabei nur langsam vorankommen. Viele Verbraucher nutzen das Internet bereits verstärkt für Routineeinkäufe und Finanzdienstleistungen und wollen das auch in Zukunft tun. Etwa 14 Prozent kauften während des Lockdowns zum ersten Mal online ein, und bis zu 75 Prozent planen, auch nach der Krise weiter im Netz einzukaufen. Als die Banken die Anzahl der Besuche in ihren Filialen pandemiebedingt einschränken mussten, wurden Unterschiede im Digitalisierungsgrad deutlich. Bei einigen Instituten könnte der Ruf darunter gelitten haben, dass z. B. die vollständig digitalisierte Legitimationsund Bonitätsprüfung von Neukunden nicht verfügbar war und die Nutzung der Bankdienstleistungen dadurch komplizierter wurde. Eine reibungslos funktionierende Zahlungsinfrastruktur, einschließlich eines umfassenden Angebots digitaler Dienstleistungen, ist ein Muss bei der Gestaltung von Customer Journeys, die die physische und die digitale Welt miteinander verbinden. Hier setzen die BigTech-Unternehmen den Maßstab für die Nutzererfahrung, sowohl im Handel als auch bei ihren neu eingeführten Paymentservices. Das Interesse der GAFAs an Finanzdienstleistungen, das sich durchaus als Goldrausch bezeichnen lässt, begann sich im November 2019 zu verstärken, als Google die Einführung von Google Girokonten ankündigte. Seitdem gab es mit der Einführung des Bezahldienstes Facebook Pay, dem Verbraucherkreditangebot Pay Later von Amazon, der Google Bezahlkarte hpayment und der Uber Wallet eine Reihe von Angriffen auf die von Banken angebotenen Produkte für Privatkunden. Für Banken stellt es eine massive Bedrohung dar, dass die Verbraucher ihre Transaktionen zunehmend auf Plattformen verlagern, die von BigTechs kontrolliert und dutzende Male am Tag genutzt werden, und dadurch auch die Erwartungen ihrer Privatkunden deutlich steigen. Banken als Teil der Lösung In der letzten Krise waren Banken ein wesentlicher Teil des Problems. Während der Corona- Pandemie gelten sie dagegen als Teil der Lösung, denn sie tun alles in ihrer Macht Stehende, um ihren Kunden durch das Angebot einer breiten Palette digitaler Dienstleistungen, aber auch durch mehr Klarheit und Transparenz für Verbraucher in Not, bei der Aufrechterhaltung ihres Geschäfts zu helfen. In Krisenzeiten steigt die finanzielle Belastung. An dieser Stelle leisten die Banken einen Beitrag, indem sie ihren Kunden helfen, Komplexität zu bewältigen, damit diese unter den gegebenen Umständen die für sie besten Finanzentscheidungen treffen können. 07 // 2020 51

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