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diebank 07 // 2020

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT Sinkende

MARKT Sinkende Steuereinnahmen und Neuverschuldung verschärfen die Probleme Die Corona-Pandemie dürfte jedoch nicht nur für ein weiteres Defizit in der gesetzlichen Rentenversicherung sorgen, sondern wird auch ein Loch im Staatshaushalt reißen. Verglichen mit den Schätzergebnissen vom Oktober 2019 rechnet der Arbeitskreis Steuerschätzungen damit, dass dem Fiskus im Jahr 2020 als direkte Folge der Pandemie Steuern in Höhe 98,6 Mrd. € entgehen werden. Für den Bund sollen sich die Mindereinnahmen auf 44 Mrd. € und für die Länder auf 35 Mrd. € belaufen. Die Einnahmen der Gemeinden sollen um 15,6 Mrd. € sinken, der Rest entfällt auf die Europäische Union. Im Zeitraum von 2020 bis 2024 sollen sich die Steuereinbußen auf rund 316 Mrd. € summieren. ÿ 2 Weil die Steuereinnahmen schwinden und zugleich Bund und Länder zur Bewältigung der Corona-Krise Milliarden-Hilfsprogramme auf den Weg gebracht haben, sind eine Neuverschuldung und damit eine steigende Staatsverschuldung unausweichlich. Experten der Deutschen Bank prophezeien, dass im sogenannten Basisszenario die Staatsschuldenquote bis Ende 2021 auf knapp 75 Prozent steigen wird. Dem Szenario liegt die Annahme zugrunde, dass die Lockdown-Maßnahmen weitestgehend deutlich vor dem Ende des ersten Halbjahres zurückgenommen werden. In einem Risikoszenario mit der Annahme eines längeren Lockdowns droht den Experten zufolge ein Anstieg der Staatsverschuldung auf deutlich über 85 Prozent. In diesen Szenarien ist allerdings noch nicht das kürzlich beschlossene Konjunkturpaket in Höhe von 130 Mrd. € eingepreist. Ebenso wenig der von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angestoßene Wiederaufbaufonds für die Europäische Union mit einem Volumen von 750 Mrd. €, der nicht rückzahlbare Zuwendungen in Höhe von 390 Mrd. € umfassen soll. Bereits ohne diese Hilfsmaßnahmen kommen die Experten der Deutschen Bank zu dem Schluss, dass es „viele Jahre − wenn nicht sogar mehr als ein Jahrzehnt − dauern dürfte, den fiskalischen Spielraum zurückzugewinnen, den Deutschland jetzt wegen Corona verliert“. Aktiensteuer würde Kleinanleger und Banken belasten Es besteht daher die berechtigte Sorge, dass die höheren Staatsschulden die Steuern und Abgaben in die Höhe treiben werden. Vor allem, wenn negative Zinsen beziehungsweise die Staatsanleiherenditen wieder in den positiven Bereich drehen, sodass der Staat fürs Schulden machen wieder bezahlen muss. Was liegt also näher, als die bereits schon vor vielen Jahren angedachte Finanztransaktionssteuer trotz innen- und außenpolitischen Gegenwinds im nationalen Alleingang einzuführen? Denn neue Steuern bedeuten in erster Linie Mehreinnahmen für den Staat, die in der derzeitigen Situation mehr als willkommen sind, zumal an der Einführung der Grundrente zum 1. Januar 2021 festgehalten wird. Neben den bereits genannten Aspekten wären allerdings weitere negative Effekte mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer verbunden. So würde die Einführung einer Transaktionssteuer auf Aktien vor allem Kleinsparer belasten, wie folgendes Musterbeispiel zeigt: Ein Anleger, der 30 Jahre lang jeden Monat 300 € in einen ETF-Sparplan einzahlt, würde bei einer unterstellten Rendite von 5 Prozent pro Jahr einen Endbetrag von 245.657,64 € erhalten. Fällt nun eine Transaktionssteuer von 0,2 Prozent auf den monatlichen Anlagebetrag an, so würden in den Sparplan monatlich nicht 300 €, sondern nur 299,40 € fließen. In Folge würde sich ein Endkapital von lediglich 245.166,32 € und damit eine Differenz von 491,32 € ergeben. Bei einer unterstellten Rendite von sechs oder acht Prozent p.a. wäre die Differenz entsprechend größer und würde 587,72 € beziehungsweise 850,98 € betragen. ÿ 3

MARKT 3 | Auswirkungen einer Finanztransaktionsteuer auf ETF-Sparpläne Monatliche ETF-Sparrate Jahresrendite 4 % 6 % 8 % 100 € 137,52 € 195,90 € 283,66 € 200 € 275,04 € 391,82 € 567,32 € 300 € 412,56 € 587,72 € 850,98 € 400 € 550,08 € 783,62 € 1.134,64 € 500 € 687,61 € 979,53 € 1.418,30 € Annahme: Ansparzeit 30 Jahre, Aktiensteuer 0,2 Prozent auf den Kauf, keine Verkäufe oder Umschichtungen. Quelle: Eigene Berechnung. Auf den ersten Blick wirken die in Abhängigkeit von der unterstellten Rendite verlorenen Summen auf einen Zeitraum von 30 Jahren gerechnet nicht besonders hoch. In Zeiten, in denen der eigenmotivierte Aufbau der privaten Altersvorsorge aber immer wichtiger wird, wirkt eine Aktiensteuer jedoch mehr als kontraproduktiv. Die Deutsche Kreditwirtschaft prophezeit daher bereits, dass die angedachte Finanztransaktionssteuer mehr schaden als nutzen wird. Mit Blick auf die Corona- Krise schlägt sie vor, Unternehmen und Sparer von bürokratischen Lasten zu befreien und ihnen den Zugang zu den Kapitalmärkten in Europa zu erleichtern. Eine Entlastung des Sparers könnte beispielsweise durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags auf Kapitalerträge und einer Erhöhung des Sparerfreibetrags erreicht werden. Wie wichtig ein langfristiger aktienbasierter Vermögensaufbau in Zeiten anhaltend niedriger Zinsen ist, zeigt der aktuelle comdirect Realzins-Radar, der gemeinsam mit Barkow Consulting ermittelt wird. Danach gab es in den letzten drei Jahren keinen einzigen Monat, der einen positiven Realzins für Erspartes aufwies. Der Wertverlust von Sparvermögen hat daher auch besonders hohe Dimensionen erreicht: Seit Ende 2010 verloren die deutschen Sparer durch Niedrigzins und Inflation bereits 143,7 Mrd. €. Das entspricht einem Betrag von 1.747 € pro Bundesbürger. Zudem warnen einige Ökonomen bereits vor einem steilen Anstieg der Inflation im Zug der Corona-Krise bei gleichzeitiger Fortsetzung einer ultralockeren Geldpolitik. Treffen die Vorhersagen zu, wird derjenige, der Geld hält, zwar nicht kurzfristig, aber langfristig der Verlierer sein. Die Vergangenheit hat zudem gezeigt, dass sich die Finanzmärkte auch nach schweren exogenen Schocks immer wieder erholen. Das war auch nach Abflachung der Corona- Krise der Fall: Der Deutsche Aktienindex DAX legte mit Stand vom 8. Juni 2020 innerhalb eines Monats um 19,74 Prozent zu, der Dow Jones Index ebenfalls um immerhin 13,52 Prozent. Auch laut einer Analyse der Credit Suisse ließen sich mit Aktien im Vergleich zu anderen Assetklassen mit Abstand die höchsten Renditen erzielen. In den letzten 120 Jahren lag die annualisierte Rendite für globale Aktien inflationsbereinigt bei 5,2 Prozent. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer würde zudem die hiesige Bankenlandschaft treffen, die aus verschiedenen Gründen eh schon unter Druck steht. Wie die Deutsche Kreditwirtschaft mitteilte, müssten völlig neuartige Prozesse implementiert werden, um die Steuer überhaupt erheben zu können. Laut dem Pichler-Gutachten würden auf die Banken dadurch erhebliche Mehrkosten zukommen. Die Geldhäuser würden diese jedoch vermutlich auf die Depotgebühren draufschlagen, sodass die zusätzlichen Kosten letztendlich von allen Wertpapierkunden zu tragen wären. FAZIT In Anbetracht der beschlossenen Grundrente, die am 1. Januar 2021 starten wird, und der gigantischen Hilfsmaßnahmen, die Bund und Länder zur Abmilderung der Corona- Krise geschnürt haben, kommen auf die Bundesrepublik Deutschland hohe Kosten zu. Es ist daher durchaus möglich, dass sich Deutschland in Bezug auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu einem nationalen Alleingang verleiten lässt. In Zeiten, in denen die Lücken in der Rentenkasse immer größer werden, die Zinsen dauerhaft niedrig sind und auch mittelfristig keine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik in Sicht ist, wäre die Einführung einer Aktiensteuer jedoch fatal. Denn den meisten Anlegern dürfte es dann vermutlich noch schwerer fallen, die private Altersvorsorge effektiv voranzutreiben, die aber bitter nötig ist, um für das Alter gut gerüstet zu sein. Darüber hinaus wäre ein nationaler Alleingang nicht mit einer Kapitalmarktunion vereinbar, einer der bedeutendsten Initiativen der Europäischen Kommission. Autorin Carmen Mausbach. Die Diplom-Kauffrau ist seit 2002 als freie Wirtschaftsjournalistin tätig. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die redaktionelle Mitarbeit im Bus-Netzwerk für betriebswirtschaftliche und steuerliche Fachinformationen. 07 // 2020 23

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