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die bank 06 // 2019

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT 2 | Stand der

MANAGEMENT 2 | Stand der Implementierung der Risikokultur 50 % 21 % 37 % 51 % Wertekanon formal definiert, aber nicht gelebt Ausschließlich intuitiver und informeller Umgang mit der eigenen Risikokultur Risikokultur definiert, aber nicht einheitlich verstanden und nicht einheitlich gelebt Aktuelle Bonusmodelle sind potenzielle Treiber für das Eingehen höherer Risiken Quelle: PwC Studie „Risk Culture, a blurry spot?“, September 2018. Messung der Risikokultur Der Natur der Risikokultur entsprechend ist eine Messung der Kultur oder ihres Umsetzungsstands nicht ohne weiteres möglich. Insbesondere verbietet sich ein checklistenbasiertes Abhaken, wie es bei anderen regulatorischen Anforderungen bisweilen noch möglich ist. Zur Beurteilung werden zunächst die vier beschriebenen Indikatoren herangezogen. Zu jedem Indikator wird eine Einschätzung vorgenommen, die teilweise auf formalen Dokumentationen, aber überwiegend auf der gelebten Praxis basiert. Dabei ist die Messung des vorgegebenen und des tatsächlich gelebten Risikoappetits noch am ehesten über portfoliobasierte Risikokennziffern möglich. Doch bereits hier wird deutlich: Der Risikogehalt des Portfolios ermöglicht einen Soll- Ist-Abgleich zum Risikoappetit, lässt aber keine Rückschlüsse auf die bei der einzelnen Kreditentscheidung zur Anwendung gekommene Risikokultur zu. Auch die Messergebnisse des internen Kontrollsystems geben Auskunft über Art und Ausmaß von Fehlentscheidungen oder Kompetenzverstößen, aber kaum zur Qualität der Auseinandersetzung mit dem Risiko des Einzelfalls. Damit ist eine harte Messung der Risikokultur eher auf den Negativ-Fall beschränkt: Nicht-Einhaltung der Risikostrategie, nicht reflektierte Fehlentscheidungen und Kompetenzverstöße deuten auf eine unzureichend implementierte Risikokultur hin. Das Fehlen solcher negativen Beobachtungen kann auf eine erfolgreiche Implementierung der Risikokultur hindeuten, aber auch durch Schwächen im internen Kontrollsystem begründet sein – und ist vor allem nicht ursachen-, sondern wirkungsbezogen. Stimmiges Gesamtbild Die positive Beurteilung der Risikokultur muss sich damit auf die Beobachtung der Indikatoren in einer Gesamtsicht stützen. Instrumente zur Analyse sind Beobachtungen, Interviews, Mitarbeiterbefragungen, Analyse der internen Kommunikation und ähnliche weiche Verfahren. Im Fokus steht dabei das stimmige Gesamtbild, d. h. die Konsistenz aller Einzelaspekte zur angestrebten Risikokultur. Ein digitales Urteil der Art „Risikokultur ist erfolgreich umgesetzt“ ist auf diese Weise naturgemäß nicht möglich. Die Messung der Risikokultur wird als Ergebnis stets mehr oder weniger kritische Negativ-Beobachtungen und zudem eine qualitative Einschätzung beinhalten. Die schlechte Nachricht lautet somit: Es gibt kein Messverfahren, mit dem objektiv der Grad der Implementierung der Risikokultur auf einer eindeutigen Skala festzustellen ist. Die gute Nachricht lautet: Jedes Institut verfügt bereits über eine Risikokultur. Wenn deren einheitliche Implementierung nun einer sorgfältigen Einschätzung vor dem Hintergrund fundierter Organisations-, Führungs- und Kulturexpertise unterzogen wird, beinhaltet das Ergebnis immer sehr konkrete Handlungsansätze zur Verbesserung – auch wenn die abgeleiteten Maßnahmen bisweilen nicht einfach umzusetzen sein dürften. Implementierung einer einheitlichen Risikokultur Aus den von der Aufsicht genannten Indikatoren und den zahlreichen weiteren Aspekten, die in der internationalen Aufsichtsliteratur beschrieben werden, lassen sich sehr konkrete Anforderungen ableiten, die in Form einer Gap-Analyse und eines anschließenden Umsetzungsprojekts angegangen werden können. ÿ 3 Dabei sollte in der praktischen Ausgestaltung aber nicht am Buchstaben des Gesetzes entlang gearbeitet, sondern eher der Geist der Regelungen beachtet werden. So ist z. B. die Einführung eines Whistle- Blowing-Verfahrens aufsichtlich gefordert. Ein eingehender Hinweis bezieht sich jedoch typischerweise nicht nur auf singuläres Fehlverhalten Einzelner. Vielmehr wird er vielfach auch auf strukturelle Schwächen hindeuten. Der Hinweisgeber sollte daher nicht als Verräter, sondern als engagierter Mitarbeiter gesehen und ernst genommen werden, und die Prüfung des Hinweises muss immer auch vor dem Hintergrund der angestrebten Complianceund Risikokultur erfolgen. Die Tatsache, dass ein Hinweis nicht über die regulären Führungs- und Kommunikationskanäle kommt, deutet dabei bereits auf systematischen Handlungsbedarf hin. 36 06 // 2019

MANAGEMENT 3 | Indikatoren für die Risikokultur Risikokultur Leitungskultur Verantwortlichkeit der Mitarbeiter Kommunikation und kritischer Dialog Anreizstruktur (Tone from the Top) (Accountability) (Effective communication and challenge) (Incentives) » Mit gutem Beispiel vorangehen » Wertesystem » Risikobewusstsein und -verständnis » Lernen aus der Vergangenheit » Verantwortlichkeit für Risiken (Ownership of Risk) » Eskalationsprozess » Konsequenzen und Sanktionen » Offenheit für alternative Sichten » Positionierung der Kontrollfunktionen » Vergütung und Leistung » Nachfolgeplanung » Mitarbeiterentwicklung ~25 Einzelindikatoren ~15 Einzelindikatoren ~15 Einzelindikatoren ~10 Einzelindikatoren Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an: Financial Stability Board: Guidance on Supervisory Interaction with Financial Institutions on Risk Culture, 2014, sowie Christoph Schmidt / Svend Reuse: MaRisk 6.0: Ausgestaltung und Quantifizierung einer adäquaten Risikokultur, ZfgK Nr. 5/2018, S. 38-43. Hierarchieunabhängige Diskussionskultur Ungeachtet der von den MaRisk vorgeschriebenen Entscheidungsregeln in Kreditkommittees ist eine hierarchieunabhängige Diskussionskultur aktiv zu fördern, damit die Entscheidung nicht aufgrund von Lagerbildungen, sondern auf Basis einer bewussten und sachlichen Auseinandersetzung mit dem Risiko fällt. Die Risiko- und Compliance-Kultur schlägt sich deutlich in der Ausgestaltung der gesamten schriftlich fixierten Ordnung nieder. Warum werden etwa risikorelevante Prozesse oder Systeme oft erst nach Fertigstellung der Compliance-Funktion oder dem Risikomanagement zur Freigabe zugeleitet? Vielmehr könnten sie in gemeinsamer Diskussion so entwickelt werden, dass Risiken und Zielkonflikte bereits im Ansatz vermieden oder minimiert werden. Im Ergebnis ist die bewusste Risikobetrachtung automatisch in praktisch allen Arbeitsanweisungen enthalten – und Vergütungssysteme berücksichtigen die Risikoziele bereits in der Bemessung des Vertriebserfolgs. Zentraler Hebel zur Implementierung der Risikokultur ist jedoch die Mitarbeiter- und Führungskräfteentwicklung. Alle Mitarbeiter sollen in der Lage sein, sich bewusst mit den Risiken in ihrem Aufgabenbereich auseinan- FAZIT Die Risikokultur entzieht sich weitgehend einer mechanistischen Betrachtung und einer Prüfung auf Basis von Handbüchern und Checklisten. Zwar sind geeignete formale Instrumente Pflichtprogramm bei der Implementierung und auch Ausgangsbasis für eine Prüfung durch die Aufsicht. Doch der tatsächliche Umgang mit Risiken zeigt sich erst in der Praxis. Folglich kann auch die Diagnose nur anhand konkreter Entscheidungssituationen erfolgen. Die Implementierung einer gelebten Kultur entsteht durch konsequente und konsistente Führung. Dabei ist die Geschäftsleitung gefordert, den Tone from the Top zu setzen. Aber die Umsetzung muss über alle Führungsebenen hinweg bis zu jedem einzelnen Mitarbeiter erfolgen. derzusetzen, und alle Führungskräfte sind in der Verantwortung, diese Auseinandersetzung zu fördern und zu lenken. Die Geschäftsleitung hat – unterstützt durch die Personalfunktion – die Aufgabe, die dafür notwendigen Veränderungsprozesse zu initiieren und zu steuern. Dafür stehen zahlreiche operative Instrumente zur Verfügung – von der Intensivierung der internen Kommunikation über Qualifizierungsund Job-Rotation-Programme bis hin zur Weiterentwicklung des mittleren Managements zu echten Führungskräften. Autoren Michaela Rudolf ist Geschäftsführerin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GC&C Audit in Düsseldorf. Die Diplom-Kauffrau hat über 20 Jahre Berufserfahrung in der Prüfung von Finanzdienstleistern. Dr. Guido Drewes ist Prokurist in derselben Firma. Der Diplom-Kaufmann verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Projektleiter in der Top- Management- und Strategieberatung. 06 // 2019 37

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