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die bank 12 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BANKING Nullzins:

ó BANKING Nullzins: Herausforderung für Bausparkassen GESCHÄFTSMODELLE Unter der Nullzinspolitik der EZB leiden viele: Lebensversicherungen, Pensionskassen und berufsständische Versorgungswerke, aber auch einlagenbasierte Kreditinstitute wie Sparkassen, Volksbanken und Bausparkassen. Hält sie dauerhaft an, wird risikoarmen Geschäftsmodellen der Boden entzogen. International agierende Akteure, die sich überwiegend am Kapitalmarkt refinanzieren und dort investieren, kommen mit dieser Situation besser zurecht. Bei höheren Umsätzen und geringen Kosten im Vergleich zu eher kleinteiligen Geschäften kommen sie auch mit einer kleineren Gewinnmarge aus. Die Nullzinspolitik begünstigt somit einen kapitalmarktlastigen Banktyp, der sich in der Vergangenheit als krisenanfällig erwiesen hat. Damit steht aber auch die Stabilität des deutschen Bankensystems als Ganzes auf dem Spiel – zumal eine wachsende Regulierungsflut kleinere Institute wie ein Tsunami zu überrollen droht. Andreas J. Zehnder Keywords: Nullzinspolitik, Spezialbankprinzip, Regulierung Die gravierenden Kollateralschäden dieser Nullzinspolitik müssen endlich ernst genommen werden. Hier ist auch die Politik gefragt. Wenn EZB-Präsident Draghi – bezogen auf die Lebensversicherungen – beschwichtigend erklärt, die Unternehmen würden damit ja nicht sofort, sondern erst mittelfristig, „in sechs bis acht Jahren“, vor Schwierigkeiten gestellt, zeigt dies ein mangelndes Verständnis für Altersvorsorgesysteme, bei denen es um Garantien geht, auf die sich die Verbraucher auch noch in 20 oder 40 Jahren oder sogar lebenslang verlassen können müssen. Wenn sich die Menschen aber erst mal das Sparen sparen, wird es für den Staat – gerade angesichts der demografischen Entwicklung – richtig teuer. Unvermeidbare Gegensteuerungsmaßnahmen Die Nullzinspolitik drückt auch auf die Erträge der Bausparkassen. Sie vereinbaren mit ihren Kunden bei Vertragsabschluss feste Zinssätze, die sich an dem dann aktuellen Kapitalmarktzinsniveau orientieren müssen. Das gilt für die Guthabenzinsen der Ansparphase und für die Darlehenszinsen, die die Bausparer zahlen, wenn sie später ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen. Viele Bausparer nehmen nun die in früheren Zeiten vereinbarten, aus heutiger Sicht relativ hohen Guthabenzinsen in Anspruch, verzichten aber auf ihr Bauspardarlehen. Dies stellt die Bausparkassen vor neue Herausforderungen. Der Anteil der Bauspardarlehen wird zwar immer mit der Zinssituation schwanken. Nach vielen Jahren stetiger Zinssenkungen ist er heute sehr gering. Mit den neuen Tarifangeboten wurde dem bereits entgegengesteuert. Nur braucht es Zeit, bevor diese Verhältnisse den Gesamtbestand bestimmen und in einen höheren Anteil an Kollektivdarlehen münden. Vorübergehend wurde und wird aus Ertragsgründen verstärkt auf Vor- und Zwischenkredite gesetzt. Die Bausparkassen konnten damit ihre Position in der privaten Wohnungsbaufinanzierung behaupten. Sie waren in diesem Marktsegment im Jahr 2014 die drittgrößte In- stitutsgruppe nach den Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Um dem Ertragsdruck entgegenzusteuern, wird zudem alles getan, durch schlankere Prozesse und Kosteneinsparungen zusätzliche Effizienzpotenziale zu heben. Um unpopuläre Maßnahmen wie die Kündigung voll besparter Verträge kommen die Bausparkassen nicht umher. Der gesetzlich definierte Zweck des Bausparens ist nun einmal die Erlangung eines Bauspardarlehens. Wer seinen Vertrag zu 100 statt der üblichen 40 bis 50 Prozent bespart hat, hat aber keinen Darlehensanspruch mehr. Um die Gemeinschaft der Bausparer zu schützen, sehen sich die Bausparkassen mittlerweile gezwungen, Verträge zehn Jahre nach Zuteilung eines Bauspardarlehens zu kündigen, weil hier das Erreichen eines Darlehens erkennbar nicht mehr im Vordergrund steht. Für einen „ewigen“ Guthabenzins waren diese Verträge nie konzipiert. Solange der Zins marktgetrieben war, konnten die Bausparkassen überlange Sparphasen akzeptieren. Der Zins ist aber mittlerweile längst politikgetrieben. Das hat so niemand voraussehen können. Die EZB ent- 26 diebank 12.2015

BANKING ó zieht damit solchen Verträgen quasi die Geschäftsgrundlage. Die Bausparkassen sind der Auffassung, dass beide Kündigungsmaßnahmen rechtmäßig sind. Sie verstehen den Kundenwunsch, weiter zu sparen, werben aber zugleich um Verständnis dafür, dass sie sich ein „Weiter so“ angesichts der Nullzinspolitik der EZB nicht mehr leisten können – und mit Blick auf die Bauspargemeinschaft auch nicht leisten dürfen. Deren Funktionsfähigkeit muss gewahrt bleiben. Wer sieht, dass er auf eine Nebelwand zufährt, muss rechtzeitig bremsen. Novellierung des Bausparkassengesetzes Die Bausparkassen haben mit ihrer Produktpolitik und ihrem Steuerungsinstrumentarium bis in die Gegenwart hinein auch deutliche Schwankungen auf den Kapitalmärkten stets gut bewältigen können. Ein Grund hierfür ist, dass sie die langfristige Tragfähigkeit ihrer Tarife gegenüber der Aufsicht durch aufwendige Simulationen mit unterschiedlichen Zinsszenarien nachweisen müssen. Bereits vor fünf Jahren, als die Nullzinspolitik noch nicht absehbar war, haben die Kassen mit der Aufsicht einen Dialog über eine Novellierung des Bausparkassengesetzes begonnen. Seit der einzig wesentlichen Gesetzesänderung von 1991 hatte sich zweifellos Anpassungsbedarf aufgestaut. Zum Vergleich: Das Pfandbriefgesetz wurde seit seiner Einführung im Jahr 2005 allein 15 Mal geändert. Ziel ist die Bewahrung des Spezialbankprinzips und die Festigung der Sicherheitsarchitektur des Bausparens. Die Bausparkassen begrüßen, dass das Bundeskabinett am 23. September 2015 den Weg für eine Novellierung frei gemacht hat. Der Regierungsentwurf – so wurde dabei erklärt – „wahrt die Interessen der Bausparer und erlaubt es den Bausparkassen zugleich, auf die Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes besser zu reagieren. (…) Der von vielen Bürgern genutzte Bausparvertrag soll mit seiner wichtigen gesellschaftspolitischen Funktion über das aktuelle Zinsumfeld hinaus Bestand haben.“ Wenn die Bausparguthaben künftig auch für die Vergabe nicht bausparunterlegter Baudarlehen genutzt werden können, kann dies auf der Finanzierungsseite helfen, das Zinsergebnis zu verbessern. Heute müssen dafür außerkollektive Mittel aufgenommen werden. Gleiches gilt für die Refinanzierungsseite durch die Möglichkeit, Pfandbriefe emittieren zu dürfen. Wichtig ist auch die geplante Zweckerweiterung des Fonds zur bauspartechnischen Absicherung. Er soll zum Schutz der Bauspargemeinschaft künftig auch „die für den nachhaltigen Betrieb des Bauspargeschäfts erforderliche kollektiv bedingte Zinsspanne“ absichern. Das dient der Risikoabwehr in einer Niedrigzinsphase. Bislang ist dieser Fonds nur für die Absicherung in einer Hochzinsphase ausgelegt, als Liquiditätsreserve, um die Zuteilungsfristen möglichst stabil zu halten. Die Bausparkassen sehen aber durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten. So sollten im Bedarfsfall auch Beleihungen über 80 Prozent hinaus möglich sein. Die konservative Beleihungswertermittlung stellt sicher, dass der Beleihungswert grundsätzlich niedriger liegt als der aktuelle Verkehrswert, sodass selbst bei einer Anhebung der Beleihungsgrenze auf 100 Prozent die Bausparkassen keine 100-Prozent-Finanzierungen vornehmen würden. Bausparen steht nun einmal in erster Linie für einen zielgerichteten Eigenkapitalaufbau. Zudem wird zur zusätzlichen Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Bausparkassen vorgeschlagen, den Katalog zulässiger Kapitalanlagen zu erweitern. Dieser sollte auch Forderungen aus nachrangigen Verbindlichkeiten gegen Unternehmen sowie Aktien umfassen. Durch eine Limitierung der Beimischung dieser neuen Positionen auf zum Beispiel 10 Prozent aller Kapitalanlagen einer Bausparkasse bliebe das oberste Gebot der Sicherheit der Spargelder gewahrt. Die Bausparkassen wollen auch künftig nicht zocken. Tragfähiges Geschäftsmodell vor neuen Herausforderungen Entscheidend für die Tragfähigkeit eines Geschäftsmodells ist die Akzeptanz des Produkts beim Kunden. Bausparen ist und bleibt für Millionen von Menschen der erste Schritt, um sich ihren Lebenstraum von den eigenen vier Wänden und damit einer sicheren Altersvorsorge zu erfüllen. Gerade für Normalverdiener ist dies ein entscheidendes Argument. Wer wenig verdient, bekommt normalerweise auch nur eine geringe staatliche Rente. Umso wertvoller ist die Mietersparnis im Alter. Für den Bausparer stellt sich die Situation damit wie folgt dar: Wer erst in fünf oder zehn Jahren bauen oder kaufen will, kann sich die heute extrem niedrigen Darlehenszinsen nur mit einem Bausparvertrag sichern. Das geht mit keinem anderen Produkt. Bausparen empfiehlt sich aus demselben Grund auch für Anschlussfinanzierungen, die notwendig werden, wenn die Zinsbindungsfrist zum Beispiel für ein Hypothekendarlehen in einigen Jahren ausläuft. Hinzu kommen attraktive Konditionen für diejenigen, die jetzt bauen wollen. Bestes Beispiel sind die Kombi-Darlehen der Bausparkassen, insbesondere die mit Riester-Förderung. Sie verbinden ein Vorausdarlehen mit einem Bausparvertrag. Die monatlichen Raten und Zinsen sind hier bis zu 28 und mehr Jahre lang sicher. Die Stiftung Warentest hat diese Produkte 2014 und 2015 gut benotet. Ein nach wie vor großes Wachstumspotenzial liegt im Bereich der Modernisierungen / energetischen Sanierungen. Für eine typische energetische Grundsanierung sind rund 25.000 bis 35.000 Euro zu veranschlagen. Gerade in diesem Finanzierungsbereich bietet der Bausparvertrag, der längst auch zum Energiesparvertrag geworden 12.2015 diebank 27

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