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die bank 12 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT oder

ó FINANZMARKT oder Herbert Meyer, Aufsichtsratsmitglied und ehemaliger Finanzvorstand der Heidelberger Druckmaschinen AG. diebank: Ihre Aktionäre werden bald zählbare Erfolge sehen wollen. Ab wann müssen Sie in allen Rating-Bereichen profitabel arbeiten bzw. die Rentabilitätsschwelle erreichen? Hinrichs: Das sind unternehmensinterne Belange, die ich im Detail mit unseren Aktionären bzw. unserem Aufsichtsrat bespreche, aber nicht öffentlich. Fest steht aber, dass es derzeit nicht unser oberstes Ziel ist, die Profitabilität zu maximieren, sondern Scope als die europäische Ratingalternative zu etablieren. diebank: Wie viele reguläre Ratingmandate haben Sie bereits aus der Kreditwirtschaft? Hinrichs: Die ersten mandatierten Ratings sind im Haus, das Rating der UBS ist bereits veröffentlicht worden. Ich sehe uns hier auf einem guten Weg. Für viele Banken in Deutschland und im Ausland ist es interessant, eine europäische Meinung einzuholen. Das gilt nicht nur für die Top Tier-Institute. In den kommenden Wochen werden wir einige weitere mandatierte Bankenratings publizieren. Der Zug ist in die richtige Richtung losgefahren. und den Bilanzierungsstandards stärker berücksichtigt. Ein Beispiel: Europäische Unternehmen halten häufig mehr Liquidität vor als US-Unternehmen. Dies rechnen wir positiv an, da es ein Zeichen für umsichtiges Management ist und als Puffer gegen unvorhersehbare Krisen gesehen werden kann. Ein weiterer Aspekt sind Pensionsrückstellungen. Je nachdem, wie hoch das im Unternehmen angelegte Pensionsvermögen relativ zur jährlichen Pensionszahlung ist und wie transparent Unternehmen das Pensionskapital offenlegen, rechnen wir nur Teile der Rentenverpflichtungen als Schulden an. Begründen lässt sich dies damit, dass eine Ratingnote in der Regel die Ausfallwahrscheinlichkeit für die kommenden zwei bis drei Jahre widerspiegelt. Die Rückzahlungstermine der Rentenverpflichtungen liegen aber zu großen Teilen wesentlich weiter in der Zukunft. diebank: Inwiefern unterscheidet sich Scope in der Herangehensweise von den anderen? Hinrichs: Wir unterscheiden uns analytisch vor allem dadurch, dass wir methodische Ansätze geschaffen haben, die die Realitäten auf den europäischen Kapitalmärkten besser abbilden und die Besonderheiten europäischer Emittenten stärker berücksichtigen als die Urteile der amerikanischen Ratingagenturen. Darüber hinaus verzichten wir auf einen mechanistischen Ratingansatz mit starren Bewertungsmethodiken. Stattdessen bilden sich Scope-Analysten zu jedem Emittenten eine individuelle und auf Fakten gestützte Meinung. diebank: Worin unterscheidet sich denn die Herangehensweise konkret – zum Beispiel bei Bank- und Unternehmensratings? Hinrichs: Wir haben als erste Ratingagentur die neuen Vorschriften zur Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD) vollständig in der Methodik abgebildet. Hinzu kommt, dass wir in der Analyse sehr stark auf prognostische Elemente abstellen, um den zukunftsgerichteten Charakter der Ratings zu stärken. Darüber hinaus hat Scope als erste Ratingagentur eine eigene Bewertungsmethodik für sogenannte Bank Capital Instruments geschaffen, die im derzeitigen regulatorischen Umfeld eine wichtige Rolle spielen. Analytisch relevant ist auch der Verzicht auf eine mechanistische Verlinkung von Länder- und Bankenratings. Einen Sovereign Cap gibt es bei Scope nicht. diebank: … und bei Corporates? Hinrichs: Hier setzen wir auf einen regionalen Ratingansatz, der europäische Besonderheiten bei der Unternehmensfinanzierung diebank: Sie investieren massiv in die europäische Expansion. Welche Länder stehen dabei im Fokus? Hinrichs: Wir haben im Jahr 2015 Repräsentanzen in Madrid und Paris eröffnet. Zusammen mit dem Frankfurter und Londoner Büro sowie dem Firmensitz in Berlin haben wir heute fünf Standorte in Europa. Darüber hinaus haben wir mit Roberto De Santis einen Scope-Repräsentanten in Italien. Wir sind damit in allen großen Märkten in Europa lokal vertreten. Das ist insbesondere für die Betreuung von Investoren und Emittenten sehr wichtig. diebank: Mit Ihrer Expansionsstrategie gehen Sie volles Risiko. Vor wenigen Jahren war zu beobachten, wie DBRS mit einem ähnlichen Ansatz in Europa gescheitert ist. Was sind die größten Unsicherheitsfaktoren in Ihrem Geschäftsmodell? Hinrichs: Das ist nicht miteinander vergleichbar. DBRS hat damals sehr stark auf Structured Finance Ratings gesetzt. Dies wurde 2007/2008 zum Problem, als der Markt drastisch schrumpfte. Auch wir haben mit unserem Structured Finance Team ein wichtiges Standbein in diesem Markt. Das von Scope bewerte Volumen 10 diebank 12.2015

FINANZMARKT ó von Structured Finance Transaktionen ist von 5 Mrd. € im Jahr 2014 auf rund 25 Mrd. € in diesem Jahr gestiegen. Dass der Markt für strukturierte Produkte nochmals ähnlich stark einbricht, ist unwahrscheinlich. Die Art der Strukturierung vor allem in Europa ist heute viel konservativer. Hoch komplizierte, mehrfach abgeleitete Produkte gibt es faktisch gar nicht mehr. Hinzu kommt, dass es mittlerweile wieder erklärter politischer Wille ist, den Verbriefungsmarkt zu beleben. EU Kommissar Jonathan Hill hat dies erst kürzlich im Rahmen seiner Pläne für eine Kapitalmarktunion bekräftigt. diebank: Hohe Investitionen haben Sie auch in Ihr Personal getätigt. Wie sieht es mit den Analysten aus? Hinrichs: Unsere Analysten-Teams sind noch internationaler als unsere Standorte. Wir haben u. a. Analysten aus Deutschland, Italien, Spanien, Österreich, Luxemburg, den USA und Frankreich an Bord. Ein wesentlicher Vorteil dieser Vielfalt ist, dass wir zahlreichen Emittenten damit Analysten in der Landessprache anbieten können. diebank: Sie haben erst kürzlich wieder neue Analysten von S&P zu Scope geholt. Wie sieht ihr Analysten-Portfolio denn mittlerweile aus? Hinrichs: Wir haben derzeit mehr als 40 Analysten und rund 80 Mitarbeiter in der Gesamtgruppe. Die Analysten verteilen sich nahezu gleichmäßig auf unsere vier Ratingsegmente, also: Financial Institutions, Corporates, Structured Finance sowie Alternative Investments. Die Ratingteams bestehen aus sehr erfahrenen und am Markt etablierten Leuten. Mehr als 20 Analysten sind in den vergangenen Jahren von den US-Agenturen zu uns gekommen. Unser Chefanalyst, Stefan Bund, kommt von Fitch aus London, wo er das Structured Finance Team führte. Sam Theodore, der unser Banken-Team leitet, hat zuvor lange Jahre das Rating der europäischen Banken bei Moody’s und DBRS verantwortet. Zu nennen wäre auch Olaf Tölke, der unser Corporate Team führt und zuvor mehr als 12 Jahre als Senior Director bei S&P tätig war. Oder auch Karlo Fuchs, der mehr als 15 Jahre bei S&P war und dort das Rating von Pfandbriefen leitete. Oliver Everling und Stefan Hirschmann trafen Torsten Hinrichs (Mitte) zum Interview in der Bank-Verlag-Niederlassung in Frankfurt/Main. diebank: Bringen derart viele Analysten nicht ein Stück Big-Three- Philosophie mit? Wie lässt sich mit dem alten Personal ein neuer Ratingansatz verwirklichen? Hinrichs: Sie kommen ja gerade deshalb zu uns, weil sie mit der Philosophie der Big Three unzufrieden waren und stattdessen auf einen europäischen Ratingansatz setzen. Und was die neuen Kollegen ohne Zweifel mitbringen, sind umfassende Erfahrung und Know-how – beides unerlässlich, um sich im Ratingmarkt dauerhaft zu etablieren. Hinzu kommt, dass sie bei Scope genau das methodisch umsetzen können, was sie bei ihren vorherigen Arbeitgebern nicht konnten und Ihnen damals harsche Kritik der hiesigen Emittenten und Investoren eingebracht hat. diebank: Neben prominenten Analysten gibt es auch einen prominent besetzten Beirat? Welche Rolle spielt dieser? Hinrichs: Unser Beirat setzt sich aus renommierten Vertretern aus ganz Europa zusammen. Die rund 30 Mitglieder stammen überwiegend aus dem Finanzbereich und begleiten uns beratend mit ihrer Erfahrung und ihrem Netzwerk. Dies ist vor allem im Zuge unserer europäischen Expansion von hoher Relevanz. Unser Beiratsvorsitzender ist Dr. Peter Gloystein, früher Vorstandsmitglied der Commerzbank und Vorstandssprecher der BHF-Bank. Mit dem Fokus auf den deutschen Markt steht uns Hans Peter Peters, ehemaliger CEO der Morgan Stanley Bank in Deutschland, beratend zur Seite. Für den österreichischen Markt beispielsweise haben wir Dr. Herbert Stepic, ehemaliger CEO der Raiffeisen International Bank, an Bord. In der Schweiz übernimmt Oswald Grübel, früher CEO der UBS und Credit Suisse, diese Funktion. Simon Fraser, früher Vorstandsmitglied der Barclays Bank, unterstützt unsere Aktivitäten in Großbritannien. In zahlreichen weiteren europäischen Ländern haben wir derartige Repräsentanten, die unsere Aktivtäten vor Ort unterstützen. diebank: Herr Hinrichs, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. 12.2015 diebank 11

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