MANAGEMENT 3. Festlegung eines Preisauf-/abschlags aufgrund des ESG-Standings für jede dieser Gegenparteien 4. Bildung einer preissortierten Liste inklusive dieser Preisauf-/abschläge 5. Auswahl der auf dieser Liste führenden Gegenpartei als Partner für die Transaktion (eingedenk der üblichen Prüfungen der Limitauslastungen etc.) Im Ergebnis wird jene Gegenpartei für die Transaktion ausgewählt, die unter Beachtung ihres ESG-Standings (ausgedrückt durch den institutsinternen Preisauf-/abschlag) den vorteilhaftesten Preis aufgerufen hat. Der Preisauf-/abschlag drückt hierbei mithin jenen Betrag aus, den das Institut gewillt ist zu zahlen bzw. verlangen würde für ein Geschäft mit einem Derivatepartner mit entsprechendem ESG-Standing. Es sei noch einmal angemerkt, dass die grundsätzliche Ausstattung (also bspw. Cashflow-Struktur oder Nominalverlauf) des abgeschlossenen Derivats unverändert bleibt. Das Sustainability Valuation Adjustment (SVA) Wie können die oben eingeführten Preisauf-/abschläge konkret bestimmt werden? Das Pricing einer Derivatetransaktion (etwa eines Swaps) enthält neben dem reinen Underlying-induzierten Wert (mark-to-model) verschiedene Aufschläge für (Risiko-)Kosten, die in der Regel über Bewertungsanpassungen (sogenannte Valuation Adjustments) ausgedrückt werden. Üblich ist insbesondere die Beachtung von Gegenparteiausfallrisiken (Credit/Debit Valuation Adjustment), Finanzierungskosten (Funding Valuation Adjustment) und Eigenmittelkosten (Capital Valuation Adjustment). In Erweiterung dieses Standardpricings schlagen wir vor, oben genannte Preisauf-/abschläge über eine gesonderte, einmalige Be- wertungsanpassung – das Sustainability Valuation Adjustment (kurz SVA) auszudrücken. Hierdurch bleibt das ursprüngliche Pricing unberührt und der Effekt des internen Steuerungswerkzeugs stets sauber separiert. Als Grundlage des SVA schlagen wir die in der Transaktion über ihre Laufzeit gebundenen Eigenmittel, also eine ähnliche Bemessungsgrundlage wie beim Capital Valuation Adjustment (KVA), vor. Hierdurch wird der grundsätzlich gesuchte Beitrag des Derivatehandels ein Beitrag zur ESG-konformen Nutzung der Eigenmittel des Instituts insgesamt. Die Preisauf-/abschläge werden so zu einem Auf-/Abschlag auf die zu erwirtschaftenden Eigenmittelkosten. Der praktische Vorteil liegt darin, dass die erwarteten, gebundenen Eigenmittel in Anlehnung an bestehende KVA-Rechnungen ermittelt werden können (wobei es hier auf die institutsspezifische Operationalisierung, bspw. das Abstellen auf ökonomische oder regulatorische Eigenmittel etc. ankommt). Im einfachsten Fall eines nach Gegenpartei (i) differenzierten, aber zeitlich konstanten Auf-/ Abschlags auf die Eigenmittelkosten, berechnet sich der SVA als wobei E[K] die erwarteten, über die Laufzeit gebundenen Eigenmittel bezeichnet. Praktische Herausforderungen Wie kann die Bestimmung des Gegenparteiindividuellen Auf-/Abschlags auf die Eigenmittelkosten aussehen? Hierzu ist zunächst eine Einschätzung des ESG-Standings im obigen Sinne für jede Gegenpartei notwendig. Es ist also zu beurteilen, inwiefern sich der Derivatepartner bezüglich seines Geschäftsmodells, Verhaltens, Auftretens etc. nachhaltig in den Dimensionen ESG aufgestellt hat. Dies sollte im Rahmen der bestehenden institutsweiten Bemühungen zur ESG-Transparenz adressiert werden und schlussendlich in einer einfachen Kennzahl wie einem institutseinheitlichen ESG-Ratingfaktor münden. Entsprechend einer daraus abgeleiteten Ratingskala wird pro Ratingstufe ein Auf-/ Abschlag, ausgedrückt als (annualisierter) Auf-/Abschlag auf die Standard-Eigenmittelkosten, festgelegt. Diese Festlegung kann vom Derivatehandel im Rahmen seines Auftrags bestimmt werden. Hierbei sollte nach Möglichkeit eine Einbettung in einen institutsweit austarierten Appetit bzw. entsprechende Leitplanken erfolgen. Die Werte sollten regelmäßig rekalibriert werden – dies kann insbesondere auch im Rahmen der unten beschriebenen Kostenkontrolle erfolgen. Nach diesen Vorarbeiten reduziert sich die Berechnung des SVA auf einfache Multiplikationen, sodass im Pricing keinerlei zusätzliche nennenswerte Rechnungen und damit zeitkritische Vorgänge anfallen. Die ESG-adjustierte Auswahl der Gegenpartei führt bei einer konkreten Transaktion zu Mehrkosten, wenn nach Beachtung des SVA eine Gegenpartei ausgewählt wird, die vorher einen höheren Preis aufgerufen hat als die Gegenpartei, die sonst ausgewählt worden wäre. Für diese Kosten empfehlen wir ein Budget festzulegen, gegen das die Mehrkosten jeder Transaktion gebucht werden. Der Klarheit halber sei bemerkt, dass diese Mehrkosten nicht dem SVA entsprechen, da dieser eine rein interne Größe ist. Vielmehr bestimmen sich die Kosten als Preisdifferenz zwischen der inklusive und exklusive SVA ausgewählten Gegenpartei. 36 10 | 2022
MANAGEMENT Über das Budget bzw. dessen Ausschöpfung kann schließlich der grundsätzlich gesuchte Beitrag des Derivatehandels monetär quantifiziert und transparent gemacht werden. Weitere beachtenswerte Aspekte Der Vollständigkeit halber wollen wir noch einige Themen ansprechen, die bei der Operationalisierung und Implementierung des skizzierten Konzepts von Interesse sein könnten. Zunächst stellt sich die Frage, ob die durch das beschriebene Pricing-Verfahren kontrahierten Preise die Marktgerechtigkeit der Transaktion gefährden und mithin zu vermehrten Auffälligkeiten in der entsprechenden Prüfung führen. Dies ist aus unserer Sicht nicht zu erwarten, da im Regelfall alle überhaupt zur Auswahl stehenden Preise grundsätzlich marktgerecht sein werden. Eine Abweichung vom Prinzip des günstigsten Preises steht mithin nicht automatisch im Verdacht der mangelnden Marktgerechtigkeit und kann beispielsweise auch ausschließlich aus Erwägungen der Limitierung bereits heute und ohne SVA auftreten. Aufgrund des eingangs gesetzten Kontexts sehen wir im Übrigen auch keine Herausforderungen in Bezug auf Best-Execution-Anforderungen. Durch die bevorzugte Auswahl von Gegenparteien mit gutem ESG-Standing greift der SVA absehbaren Schritten des Regulators vor. Letztlich ist zu erwarten, dass zukünftig eine Eigenmittelunterlegung von Geschäft mit Partnern mit schlechtem ESG-Standing gefordert wird – also in gewissem Sinn eine Unterlegung von ESG-Exposure. Dieses Exposure wird durch das SVA-Verfahren systematisch reduziert bzw. möglichst geringgehalten. Insofern reduziert es auch einen perspektivischen Eigenmittelbedarf. Hinsichtlich der praktischen Umsetzung liegt die wesentliche Herausforderung unseres Erachtens nicht in der xVA-Infrastruktur– hier kann weitgehend auf das Bestehende zurück- gegriffen werden. Vielmehr ist die Feststellung des ESG-Standings jeder Gegenpartei herausfordernd und sollte in enger Abstimmung mit den in der Regel bereits bestehenden ESG- Datenprojekten angegangen werden. Autoren Stephan Blanke, Leiter Handel Derivate, CO2 bei der KfW. Er verantwortet den operativen Derivatehandel und begleitet dabei die Umsetzung von Produktinnovationen sowie regulatorischer Vorgaben in die Praxis. Dr. Hans Peter Wächter, Partner, d-fine GmbH berät die Finanzindustrie in allen Fragen zur Bewertung von Finanzinstrumenten, aktuell insbesondere in den Themen des Bewertungsrisikos und der ESG-Transformation. FAZIT Wir haben die Grundzüge eines Sustainability Valuation Adjustments skizziert, das es dem Derivatehandel (hier im konkreten Kontext der Risikosteuerung) ermöglicht, unter überschaubarer Erweiterung des Standards im Derivate- Pricing einen messbaren, positiven Beitrag zur ESG-Transformation zu leisten. Grundlage des SVA sind die in der Transaktion über ihre Laufzeit gebundenen Eigenmittel, sodass der positive Beitrag des Derivatehandels institutsintern ein Beitrag zur ESG-konformen Nutzung der Eigenmittel des Instituts insgesamt wird. Marktweit kann der Ansatz zu einer systematischen Bevorzugung von Gegenparteien mit im Marktvergleich gutem ESG-Standing beitragen, sodass auch ein institutsexterner positiver Effekt entsteht. 10 | 2022 37
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