MANAGEMENT RISIKOMANAGEMENT MODELLIERUNG VON SICHTEINLAGEN IN EINEM SICH RAPIDE ÄNDERNDEN ZINSUMFELD Für die Modellierung von Sichtund Spareinlagen ist das Zinsumfeld schon länger eine große Herausforderung: Waren bisher jedoch vor allem flache Zinskurven und implizite Zinsuntergrenzen im Einlagenbereich Diskussionspunkte, so stehen mit dem aktuellen Zinsumschwung nun auch potenzielle Verschiebungen in der Einlagenstruktur im Fokus der Analyse. Vor diesem Hintergrund werden in diesem Beitrag methodische Ansätze für einen übergreifenden Einlagenmodellierungsrahmen vorgeschlagen und diskutiert. 26 10 | 2022
MANAGEMENT 1 | Zinsentwicklung verschiedener Referenzzinssätze 4 und der mittleren Kundenverzinsung Die Werte für die mittlere Kundenverzinung beziehen sich auf täglich fällige Einlagen (gemäß Bundesbankstatistik 5 ). In der Grafik rechts oben sind die Zinsstrukturkurven für vier Referenzzeitpunkte (31.12.2020, 31.12.2021, 30.06.2022, 29.07.2022) dargestellt. Man erkennt den steilen Anstieg und die dynamische Veränderung der Zinsstrukturkurve innerhalb weniger Monate. 6 5 4 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 - 0,5 - 1,0 SM 1M 3M 9M 1Y 2Y 3Y 4Y 5Y 6Y 7Y 8Y 9Y 10Y 12Y 15Y 20Y 25Y 30Y 40Y Tenor in Prozent (%) 3 2 1 0 -1 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 3M 10Y 30Y Kundenzins täglich fällig Quelle: d-fine. Auf den ersten Blick sind Sichteinlagen ein ausgesprochen einfaches Bankprodukt, dessen vertragliche Regelungen sich immer nur auf einen gegebenen Zeitpunkt beziehen und lediglich Nominal und Verzinsung umfassen. Auf dieser Basis lässt sich jedoch keinerlei Projektion der zukünftigen Nominal- und Zinsentwicklung ableiten, sodass Sichteinlagen nur auf Basis einer geeigneten Modellierung in die Risikorechnung integriert werden können. Vor diesem Hintergrund findet man in der Literatur vielfältige Modellierungsansätze. 1 Für die Steuerung des Zinsrisikos und die interne Verrechnung haben sich Replikationsansätze (mit zumeist sehr spezifischen Modellerweiterungen) als Marktstandard etabliert. Ausgangspunkt der Einlagenmodellierung ist in der Regel eine produkt- und kundenbasierte Segmentierung der Sichteinlagen sowie eine Stabilitätsanalyse zur Identifikation der zugehörigen Bodensätze, die für die Refinanzierung längerfristiger Aktiva herangezogen werden können. Auf der Basis eines Replikationsansatzes soll nun der stabile Anteil der Sichteinlagen (also der Bodensatz) über ein sich selbst replizierendes Portfolio von rollierenden Fixzinsgeschäften verschiedener Laufzeiten dargestellt werden. Die positiven Gewichte der einzelnen rollierenden Fixzinsanlagen ergeben in Summe eins und werden im Rahmen einer Optimierung so ermittelt, dass die Verzinsung der Kundeneinlagen zzgl. einer Marge möglichst genau nachgebildet wird. Für die Optimierung können verschiedene Kriterien herangezogen werden, zumeist wird die Varianz der Marge minimiert, oft unter Berücksichtigung weiterer Nebenbedingungen, beispielsweise bezüglich der Zinsbindung oder der geforderten Mindestmarge. Zinsumfeld und Kundeneinlagen Die Kalibrierung von Replikationsmodellen für Sichteinlagen basiert auf historischen Zeitreihen für die Kundenverzinsung und die verschiedenen Referenzzinssätze, auf denen die rollierenden Fixzinsanlagen des Replikationsportfolios basieren. Vor diesem Hintergrund haben die in den letzten Jahren massiv gesunkenen Referenzzinsen am Geld- und Kapitalmarkt (siehe dazu Abb. ÿ 1) auch zu sehr grundlegenden Schwierigkeiten in der Modellkalibrierung geführt. Zudem konnten effektiv negative Einlagenzinsen nur schwer am Markt in Form von Verwahrentgelten durchgesetzt werden (vgl. auch dazu Abb. ÿ 1): Einerseits erschwerte die zunehmend flache Zinskurve die der Optimierung des Replikationsansatzes zugrunde liegende Korrelationsanalyse, andererseits ist die besondere Bedeutung des Nullzinses modellseitig nicht abgebildet. 10 | 2022 27
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