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die bank 10 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT 2 | Golddeckung

MARKT 2 | Golddeckung des Banknotenumlaufs 1876 bis 1913 Deutschland Reichsbank Großbritannien Bank of England Frankreich Banque de France 1876 42% 103% 62% 1877 31% 90% 47% 1878 33% 85% 42% 1879 33% 111% 34% 1880 31% 103% 31% 1881 28% 93% 24% 1882 28% 84% 33% 1883 38% 86% 34% 1884 38% 90% 35% 1885 38% 97% 39% 1886 48% 84% 47% 1887 55% 89% 44% 1888 65% 85% 41% 1889 59% 87% 40% 1890 53% 88% 41% 1891 61% 96% 42% 1892 63% 98% 49% 1893 54% 101% 49% 1894 62% 135% 53% 1895 64% 150% 58% 1896 56% 167% 55% 1897 55% 130% 53% 1898 52% 122% 51% 1899 50% 115% 49% 1900 50% 113% 52% 1901 56% 120% 59% 1902 59% 121% 61% 1903 52% 116% 58% 1904 53% 119% 60% 1905 56% 121% 65% 1906 49% 115% 62% 1907 43% 118% 56% 1908 52% 126% 63% 1909 50% 125% 72% 1910 48% 128% 65% 1911 50% 131% 61% 1912 49% 132% 61% 1913 55% 128% 59% Quelle: Otto Veit, Grundriss der Währungspolitik, 3. Auflage Frankfurt/Main 1969, S. 414 f. 30 10 // 2020

MARKT in konstanten Preisen von 553 Mark 1891 auf 652 Mark 1896) ging es in der Folge mit den Preisen kontinuierlich aufwärts, verstärkt nach der Jahrhundertwende. 1913 lag das Verbraucherpreisniveau um fast 40 Prozent über dem des Jahres 1896. Für ein stabiles Preisniveau konnte die Goldwährung offensichtlich nicht sorgen. Inflation unbekannt Der Begriff „Inflation“ war den Menschen damals allerdings auch noch nicht geläufig. In Meyers Großem Konversations-Lexikon, erschienen in den Jahren 1908 bis 1913 in 24 Bänden, sucht man das Stichwort „Inflation“ vergeblich. Auch in dem um 1900 herausgegebenen Handwörterbuch der Staatswissenschaften, das damals die Volkswirtschaftslehre mitumfasste, gab es keinen Beitrag zum Thema „Inflation“. Die Geldauffassung der damaligen Zeit unterschied sich deutlich von der heutigen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein herrschte die Vorstellung, Geld müsse grundsätzlich einen eigenen, inneren Wert haben. Gold und Silber schienen dafür bestens geeignet, da sie allgemein wertgeschätzt, hochwertig und beständig waren. Seit der Erfindung der Münze im 7. Jahrhundert v. Chr. waren Gold und Silber in geprägter Form bevorzugte Zahlungsmittel. Banknoten wurden nicht als Bargeld, sondern als Geldsurrogat angesehen und waren folgerichtig in Edelmetall einlösbar. Beim Goldstandard war das international anerkannte, ultimative Zahlungsmittel Gold. Selbst bei den Scheidemünzen achtete man auf einen hohen inneren Wert. In Deutschland zum Beispiel erhielten die Silberscheidemünzen bei Einführung der Goldwährung einen Edelmetallgehalt, der nur zehn Prozent unter der Silberparität zum Gold lag. Das Markstück besaß demzufolge einen Silberwert von 90 Pfennig. Erst mit dem Verfall des Silberpreises nahm die Unterwertigkeit der Scheidemünzen faktisch zu. Goldangebot begrenzt Geldmenge Inflationen mit starker Geldentwertung, wie sie von Papierwährungen bekannt sind, waren beim Goldstandard nicht möglich, denn die Geldmenge war abhängig vom Goldangebot. Gold aber war und ist nicht beliebig vermehrbar, eine übermäßige Geldmengenvermehrung somit nicht möglich. Banknoten konnten zwar die Geldmenge über den Goldmünzenumlauf hinaus ausdehnen, doch begrenzte die vorgeschriebene Golddeckung für ausgegebene Banknoten eben auch die Menge umlaufender Banknoten. Gold stellte im Zeitalter des klassischen Goldstandards nicht nur die Grundlage der Währung dar. ÿ 1 Goldmünzen waren auch das wichtigste Umlaufmittel im Zahlungsverkehr bis 1914. ÿ 2 Doch Goldmünzen waren ein knappes Gut. So standen in Deutschland je Einwohner nur etwa drei bis vier Goldmünzen zur Verfügung. In anderen Ländern war es ähnlich. Noch knapper freilich waren Banknoten. In Deutschland kam 1880 eine Banknote auf sechs bis sieben Einwohner. Auch nachdem Reichsbanknoten 1910 gesetzliche Zahlungsmittel geworden waren (aber weiterhin auf Verlangen des Besitzers in Gold eingelöst wurden), blieb der Papiergeldumlauf nach heutigen Maßstäben sehr bescheiden. Im Jahr 1913 kamen auf drei Einwohner Deutschlands zwei Banknoten. Heute sind in der EU mehr als 50 Banknoten pro Kopf der Bevölkerung in Umlauf. Der Erste Weltkrieg beendet den klassischen Goldstandard Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 endete das Zeitalter der klassischen Goldwährung. Die Einlösung von Banknoten in Gold wurde in fast allen Ländern aufgehoben. Goldmünzen verschwanden aus dem Zahlungsverkehr, wurden von Privaten und Staaten gehortet. Papiergeld dominiert seitdem den Geldumlauf. Das 1944 geschaffene Währungssystem von Bretton Woods sah nur noch für den US- Dollar eine offizielle Golddeckung vor, die für die USA freilich nicht dauerhaft durchzuhalten war. Anhaltende Zahlungsbilanzdefizite führten zu erheblichen Vertrauensverlusten, 1971 stellten die USA die Goldkonvertibilität des Dollars ein. Damit endeten die letzten Ausläufer des Goldstandards. Seitdem lebt die Welt mit Papierwährungen. Die Erfahrung zeigt, dass diese leichter manipulierbar sind, mit der Folge mehr oder weniger starker Geldentwertungen. Aktuelle Beispiele dafür sind Venezuela mit einer Inflationsrate von etwa 19.900 Prozent, Simbabwe mit über 250 Prozent und Argentinien mit gut 53 Prozent (Werte jeweils für 2019). Obwohl die offizielle Golddeckung des Banknotenumlaufs längst Geschichte ist, horten die Notenbanken bis heute riesige Goldbestände, insgesamt dürften es weltweit etwa 35.000 t sein. Allein die Deutsche Bundesbank besitzt über 3.300 t Gold – ein Vielfaches dessen, was ihr Vorläufer, die Reichsbank zu Zeiten der Goldwährung in Deutschland gehalten hat: Im Jahr 1913 betrug der durchschnittliche Goldvorrat der Reichsbank gerade einmal 383 t (1.068 Mio. Mark), im Jahr 1900 waren es 205 t Gold. Angesichts der Preisentwicklung in den vergangenen 50 Jahren lagen die Notenbanken mit ihrer „Goldpolitik“ offensichtlich goldrichtig: Seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems 1971 stieg der Preis für die Unze Gold von 35 auf über 2.000 US-$ im Sommer 2020. FAZIT Der internationale Goldstandard sorgte für Währungsstabilität nach außen, nicht aber für innere Geldwertstabilität. Solange die Staaten sich an die Spielregeln hielten und nicht übermäßig Papiergeld ausgaben, führte die feste Goldbindung der Währungen automatisch zu festen Wechselkursen. Für ein stabiles Preisniveau konnte die Goldwährung dagegen nicht sorgen. Es gab sowohl inflationäre als auch deflationäre Phasen, wobei trotz Deflation beachtliches Wirtschaftswachstum möglich war. Starke Inflationen waren unter der Ägide der Goldwährung freilich ausgeschlossen. Autor Dr. Bernd Sprenger ist Diplomvolkswirt, Wirtschaftshistoriker und Numismatiker. 10 // 2020 31

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