REGULIERUNG bliert. FMIs stehen im Mittelpunkt der Abwicklung von Transaktionen an den Finanzmärkten sowie der Geldverschiebung weltweit. FMIs umfassen Zahlungssysteme (PS), zentrale Wertpapierdepots (CSDs), zentrale Kontrahenten (CCPs), Wertpapierabwicklungssysteme (SSS) und Trade Repositories (TRs). Zu jeder FMI werden Informationen zu folgenden Themengebieten abgefragt: Charakteristika (Systemtyp, Anbieter, Kerntätigkeit…) Quantitative Informationen (Volumen, Kunden, Anzahl Transaktionen…) Auswirkungen einer Abwicklung (Mapping auf kritische Funktion, Auswirkungen, Substituierbarkeit…). Der Report soll die Abwicklungsbehörden bei der Analyse der Vernetzung mit FMIs unterstützen. In Summe lässt sich konstatieren, dass neben dem Arbeitsaufwand zur tatsächlichen Erstellung des Abwicklungsplans viele Ressourcen durch die zusätzlichen Datenabfragen bei den Instituten im Einsatz waren. Zur Vermeidung von Redundanzen und Inkonsistenzen sollte daher weiter versucht werden, die verschiedenen Datenabfragen sowie die Informationen für den eigentlichen Abwicklungsplan selbst aus konsistenten Datenquellen befüllen zu lassen. Vorbereitende Tätigkeiten zur Umsetzung eines Bail-ins Ein weiteres Schwerpunktthema der Abwicklungsbehörden stellt die hypothetische Umsetzung des Bail-ins dar. Die Operationalisierung umfasst die Identifikation und Vorbereitung aller Tätigkeiten, die zur erfolgreichen Umsetzung eines Bail-ins notwendig sind, samt der damit verbundenen Zuständigkeiten. Es wird vereinfachend die Annahme getroffen, dass das betroffene Institut an einem Freitagabend in die Bestandsgefährdung eintritt. Der Bail-in wird daher am sog. „Abwicklungswochenende“ vollzogen. In der Folge ist das Institut am Montagmorgen vollständig rekapitalisiert und kann ohne negative Seiteneffekte auf die Finanzmärkte wieder eröffnen. Der Prozess umfasst zahlreiche Akteure innerhalb der Institutsgruppe sowie von externen Stellen. Neben Vertretern der Aufsichts- und Abwicklungsbehörden und des Instituts selbst wird u. a. ein unabhängiger Bewerter eingesetzt. Dieser wird von den Abwicklungsbehörden bestimmt. Darüber hinaus erfolgt die Einbindung von Clearstream als Zentralverwahrer für Deutschland bzw. von weiteren länderspezifischen Zentralverwahrern. Die Aktivitäten im Rahmen der Operationalisierung lassen sich zwischen der eher methodisch-konzeptionellen Bestimmung des notwendigen Betrags zur Herabschreibung bzw. Wandlung von Verbindlichkeiten und der anschließenden technischen Abbildung in den IT-Systemen und den FMIs unterscheiden. Die Bestimmung des notwendigen Bailin-Betrags ist eng mit den verschiedenen Bewertungsschritten verbunden, die im Rahmen einer behördlichen Abwicklung durchlaufen werden müssen. Diese stellen eine zwingende Bedingung für die Umsetzung eines Bail-ins dar und gliedern sich in drei unterschiedliche Aktivitäten: Bewertung 1: Überprüfung und ggfs. anschließende Bestätigung, ob ein Institut tatsächlich bestandsgefährdet ist und somit die Voraussetzungen für eine behördliche Abwicklung gegeben sind. Bewertung 2: Auswahl des effizientesten Abwicklungsinstruments. Dabei werden verschiedene Szenarien unter Anwendung verschiedener Abwicklungsinstrumente betrachtet. Bewertung 3: Von den Bewertungen 1 und 2 unabhängiger Prozess, der überprüft, ob ein Gläubiger bei der Anwendung des Bailin-Instruments im Vergleich mit einem regulären Insolvenzverfahren schlechter gestellt wird. Für die Operationalisierung des Bail-ins ist die Unterscheidung zwischen Abschreibung (auch: Verlustabsorption) und Wandlung (auch: Rekapitalisierung) von zentraler Bedeutung. Die Verlustabsorption entspricht einer Herabschreibung von Eigenmitteln oder berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten mit dem Ziel, einen Nettovermögenswert von Null zu erreichen. Sollte der Nettovermögenswert nach der Feststellung der Bestandsgefährdung und Verbuchung der Verluste weiterhin positiv sein, muss dieser Schritt nicht durchgeführt werden. Hierbei ist zu beachten, dass eine Auflösung von Gewinn- oder sonstigen Kapitalrücklagen keine Herabschreibung im Sinne der BRRD ist. Für Zwecke der Rekapitalisierung des Instituts können gemäß aufsichtsrechtlicher Vorgaben noch vorhandene Kapitalbestandteile sowie berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten in hartes Kernkapital gewandelt werden. Somit ist der Schritt der Verlustabsorption eng mit der Bewertung 1, die Rekapitalisierung eng mit der Bewertung 2 verknüpft. Die vorläufige Bewertung 3 hat jedoch unter Umständen Einfluss auf die geplante Wandlung von Kapitalinstrumenten und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten. Sollte hierbei festgestellt werden, dass Gläubiger bei einem Bail-in schlechter gestellt werden als im regulären Insolvenzverfahren (No-Creditor-Worse-Off- Prinzip), kann dies über eine Anpassung der Wandlungsquoten adjustiert werden. Die Wandlungsquoten ermitteln sich als Quotient der Eigenkapitalanteile des „neuen“ Unternehmens und der spezifischen Position am „alten“ Unternehmen vor Wandlung. Nach vollständiger Umsetzung des Bail-ins ist diese vorläufige Bewertung nochmalig final durchzuführen. Die Informationen zu den Ergebnissen der Bewertung sowie der Beträge zur Verlustabsorption bzw. Rekapitalisierung sowie die Wandlungsquoten sind Bestandteile der Abwicklungsanordnung, welche von der Abwicklungsbehörde erstellt wird. Darauf aufbauend kann die tatsächliche Umsetzung des Bail-ins samt Abbildung in den Systemen angestoßen werden. Auf Basis dieser Informationen muss in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Zentral- 54 10 // 2017
REGULIERUNG 1 | Übersicht über die aufsichtlichen Datenabfragen Liability Data Template Critical Functions Report Financial Market Infrastructure (FMI) Report » Auswertung der Verbindlichkeitenstruktur » Überblick sowie Aufstel-lung von allen passivischen Einzelpositionen » Ziel: Einschätzung zu MREL » Darstellung quantitativer Informationen sowie der impact und supply side analysis auf Basis von aufsichtlich vorgegebenen Funktionen » Ziel: Unterstützung bei der aufsichtlichen Analyse von kritischen Funktionen » Benennung der Beziehungen zu FMIs inklusive qualitativer und quantitativer Informationen » Ziel: Unterstützung bei der aufsichtlichen Analyse der Abhängigkeiten zu FMIs Teilweise redundante Zulieferung von Informationen an dieselbe Behörde. EBA Datenabfrage gem. Annex I – XII der DV (EU) 2016/1066 1. Organisationsstruktur 2. Governance and Management 3. Kritische Funktionen und wesentliche Geschäftsaktivitäten 4. Kritische Gegenparteien (Aktiva, Passiva und Hedges) 5. Verbindlichkeitenstruktur (Nicht relevant da LDT) 6. Verpfändete Sicherheiten 7. Außerbilanzielle Positionen 8. Zahlungs-, Clearing- und Settlementsysteme 9. Informationssysteme (allgemein Informationen und Mapping) 10. Abhängigkeiten 11. Aufsichtsbehörden 12. Rechtlicher Einfluss einer Abwicklung Quelle: verwahrern ein im besten Fall bereits etablierter und regelmäßig „geübter“ Prozess durchlaufen werden, der diese Positionen entweder abschreibt oder im Wert mindert. Bei den Zentralverwahrern lagern die Emittenten für gewöhnlich ihre begebenen Verbindlichkeiten. Anschließend müssen neue Aktien hinterlegt werden, die den von der Wandlung betroffenen Gläubigern ausgehändigt werden. Je nach regionaler Tätigkeit des Instituts unterscheidet sich dabei der Aufwand signifikant. Weitergehend müssen Datendienstleister in den Prozess eingebunden werden, um nach Umsetzung der Wandlung die notwendigen Informationen (z. B. neue gültigen Nennwerte, Aktienkurse usw.) den übrigen Finanzmarktteilnehmern und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die kurze Beschreibung zeigt bereits die Komplexität des Prozesses. Sowohl eine effiziente Vorbereitung als auch die erfolgreiche Durchführung des Prozesses kann nur unter zentraler Koordination durch eine Stelle erfolgen. Diese Funktion kann beispielsweise die Abwicklungsbehörde selbst übernehmen. Sie umfasst insbesondere die Koordination der Prozessvorbereitung bzw. -umsetzung sowie die Kommunikation mit dem deutschen Zentralverwahrer. Zahlreiche Marktteilnehmer schätzen es jedoch aktuell noch als eher unwahrscheinlich ein, den vollständigen Prozess (Durchführung der Wandlung und Ausgabe neuer Anteilsscheine) an einem Abwicklungswochenende erfolgreich durchführen zu können. FAZIT UND AUSBLICK Es bleibt die Aufgabe der Abwicklungsbehörden, die Abwicklung krisenhafter Banken und Finanzinstitute mit möglichst geringen Auswirkungen für die Realwirtschaft und die Finanzmarktstabilität zu gewährleisten. Durch die BRRD auf europäischer Ebene sowie die Überführung ins deutsche Recht wurde zwar ein Rahmenwerk etabliert, die Vorbereitung von ersten Abwicklungsplänen zeigt jedoch, dass die operative Umsetzung noch weitaus konkreter erörtert und geregelt werden muss. Da die strukturelle Abwicklung einer Bank auf Basis der neuen Vorgaben (mit Ausnahme der Banco Popular in Spanien) jedoch bisher noch nicht praktisch umgesetzt wurde, ist die Aussagekraft hinsichtlich des Erfolgs weiterhin rein hypothetisch. Die Pläne wurden wie erwartet im Jahr 2017 deutlich weiterentwickelt. Diese Entwicklung wird noch mehrere Jahre dauern, da sich aus den Arbeiten in diesem Jahr zahlreiche weitere, aufwendige operative Herausforderungen ergeben haben. Es ist davon auszugehen, dass neben einer Detaillierung der bestehenden Informationen die Operationalisierung des Bailin und die Separierbarkeitsanalyse noch weiter in den Fokus rücken werden. Bei letzterer wurde bereits deutlich, dass viele – insbesondere rechtliche – Fragen mit Blick auf eine Trennung einzelner Unternehmensbereiche noch sehr schwierig und zumeist nicht eindeutig zu beantworten sind. Autoren: Dr. Andreas Igl war bis September geschäftsführender Partner bei der 1 PLUS i GmbH und ist jetzt an einer Hochschule tätig. Sven Warnecke ist Berater bei der 1 PLUS i GmbH, Nürnberg. 1 Vgl. die Bank 01/2017: „Das mögliche Ende gründlich planen“, S. 34 ff. 2 Die Abwicklungsstrategie setzt sich aus dem Abwicklungsansatz (Single Point of Entry vs. Multiple Point of Entry) sowie dem verwendeten Abwicklungsinstrument zusammen. Bei zahlreichen Instituten beinhaltet die präferierte Abwicklungsstrategie die Anwendung des sogenannten Bail-In-Instruments (Gläubigerbeteiligung). 3 Das Abwicklungsszenario 2016 umfasste zumeist einen sofort wirkenden, idiosynkratrischen Schock auf die jeweilige Institutsgruppe. 4 Hierbei ist jedoch anzumerken, dass der Grund für die Abwicklung der Banco Popular Espanol eher im Bereich der Liquiditätsprobleme lag. 5 Vgl. Anhang zu der Durchführungsverordnung 2016/1066 der europäischen Kommission. 10 // 2017 55
NR. 10 Oktober 2017 ZEITSCHRIFT FÜ
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