REGULIERUNG wertberichtigungen für Länderrisiken bezogen auf das Auslandskreditvolumen anzugeben. 11 Die Höhe der Länderrisikovorsorge wurde in Abstimmung mit den Wirtschaftsprüfern und der Aufsicht festgelegt. Die Aufsicht könnte bei der ESG-Risikovorsorge sogar einen Schritt weiter gehen als bei der Länderrisikovorsorge und einen festen Prozentsatz bezogen auf eine angemessene Bemessungsgrundlage festlegen. Als Grundlage für eine ESG-Risikovorsorge bietet sich beispielsweise die Summe der von ESG-Faktoren betroffenen bilanziellen und außerbilanziellen Bilanzpositionen (Buchwerte) an. Auch andere Bemessungsgrundlagen sind denkbar (wie risikogewichtete Aktiva). Gesetzgeber, Banken, Wirtschaftsprüfer und Aufsicht müssten gemeinsam eine Methode für die Ermittlung eines adäquaten ESG-Risikovorsorgepuffers, also den Prozentsatz, in Abhängigkeit der gewählten Bezugsgröße entwickeln. Da bestimmte Wirtschaftssektoren schon derzeit als kritischer angesehen werden als andere, könnte ein pauschaler ESG-Risikovorsorgepuffer als zu „grob“ erscheinen. Vor dem Hintergrund der Komplexität des Themas der Bestimmung von erwarteten ESG-Verlusten ist aus unserer Sicht das pauschalierte System vorzuziehen. Die betroffenen Parteien würden erfahrungsgemäß eine ESG-Risikovorsorge festlegen, die von den Banken auch dargestellt werden kann. Möchten bestimmte Banken aufgrund einer detaillierteren Analyse einen höheren Vorsorgebetrag für ihre erwarteten ESG-Risiken in ihren Bilanzen bilden, können sie dies jederzeit tun. Eine auf diese Weise ausgestaltete aufsichtliche Vorgabe hätte den Vorteil, dass den ESG- Risiken nicht willkürlich – je nach Ertragssituation der Bank – mittels angepasster interner Parameter zur Ermittlung des erwarteten Verlusts bzw. Management Overlays oder Adjustments Rechnung getragen würde. Eine für alle Banken anzuwendende pauschalierte ESG-Risikovorsorge in der Rechnungslegung würde dem Gläubigerschutz und der Kapitalerhaltung dienen. Damit würde die Widerstandsfähigkeit des einzelnen Instituts sowie der gesamten Bankbranche gestärkt und für die Marktteilnehmer transparent und vergleichbar gemacht. 46 09 | 2023
REGULIERUNG FAZIT UND AUSBLICK Die Rechnungslegungsstandards nach HGB und IFRS wurden ursprünglich entwickelt, um Finanzund Geschäftstransaktionen in den Bilanzen der Unternehmen transparent zu machen. Die dynamische, unberechenbare und oft langfristige Natur der ESG-Faktoren stellt jedoch eine Herausforderung für diese traditionellen Rechnungslegungssysteme dar. Diese Systeme sind oft nicht ausreichend flexibel oder adaptiv genug, um die spezifischen, zukunftsorientierten und oft komplexen Risiken und Verluste, die sich aus ESG-Faktoren ergeben, vollständig zu berücksichtigen. Die Einführung einer pauschalen ESG-Risikovorsorge in Form eines festen Prozentsatzes der bilanziellen und außerbilanziellen Bilanzpositionen einer Bank wäre ein gangbarer Weg zur Berücksichtigung von erwarteten Verlusten in den verschiedenen Rechnungslegungsstandards. Eine derartige Risikovorsorge würde den Banken helfen, sich gegen erwartete Verluste aus ESG- Faktoren zu wappnen. Gesetzgeber, Aufseher und Banken müssten sich auf einen angemessenen Prozentsatz einigen. Eine solche bankaufsichtlich initiierte Integration in bestehende Rechnungslegungsstandards ist sowohl technisch als auch politisch herausfordernd und könnte dauern, um breite Zustimmung und Implementierung zu finden. Autor:in Prof. Dr. Hermann Schulte-Mattler, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft und Controlling, sowie Seniorprofessor für Nachhaltigkeitsrisiken und Künstliche Intelligenz an der Fachhochschule Dortmund. Hiltrud Thelen-Pischke, ehemals Direktorin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, bietet heute als Senior Expert in ihrem eigenen Unternehmen Beratung zu aufsichtsrechtlichen Fragestellungen bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistern an. 1 Vgl. Heinemann, R. (2022), Auswirkungen von Klimarisiken auf die IFRS- und HGB-Bilanz, Finbridge, https://www.finbridge.de/aktuelles/2023/01/17/klimarisiken-in-der-bilanz#_ednref2. 2 Vgl. z.B. Schulte-Mattler, M.; Schulte-Mattler, H.: Entwurf zur MaRisk 8.0: ESG-Risiken rücken in den Fokus, in: „die bank“ 10.2022. 3 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (2020), Risikovorsorge für vorhersehbare, noch nicht individuell konkretisierte Adressenausfallrisiken im Kreditgeschäft von Kreditinstituten („Pauschalwertberichtigungen“), Stellungnahme IDW RS BFA 7, Stand: 28. Januar 2020. 4 Vgl. z. B. ING Group (2023), Annual Report 2022, S. 118. 5 Vgl. Flick, P., & Thelen-Pischke, H. (2018). Kreditrisiken und Risikovorsorge – Vereinbarkeit von aufsichtsrechtlichen Vorgaben und Rechnungslegung nach IFRS bzw. HGB, Die Wirtschaftsprüfung, 7, S. 421- 428. 6 Vgl. Neisen, M.; Schulte-Mattler, H. (2021), The effectiveness of IFRS 9 transitional provisions in limiting the potential impact of COVID-19 on banks, in: Journal of Banking Regulation, Vol. 22, No. 4 (December 2021), S. 342-351. 7 Vgl. Deutsche Bundesbank (2019), Monatsbericht Januar 2019, S. 88. 8 Verfügbar unter: https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/ blog/2023/html/ssm.blog230526~29af0452d6.en.html. 9 Vgl. IFRS Foundation (2023), Effects of climate-related matters on financial statements, Juli 2023, https://www.ifrs.org/content/dam/ifrs/ supporting-implementation/documents/effects-of-climate-relatedmatters-on-financial-statements.pdf, sowie IFRS Foundation (2023), Effects of climate-related matters on financial statements prepared in accordance with the IFRS for SMEs Accounting standards, Mai 2023, https://www.ifrs.org/content/dam/ifrs/supporting-implementation/ documents/effects-of-climate-related-matters-on-financial-statements.pdf. 10 Vgl. https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2023/html/ecb. sp230905~8617fdf411.en.html. 11 Vgl. Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (1999), Jahresbericht 1998, S. 162 und 164, und Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (2001), Jahresbericht 2000, S. 47. 09 | 2023 47
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