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die Bank 09 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE klärt

BERUF & KARRIERE klärt werden. Zudem muss klar festgelegt sein, wie das Unternehmen mit etwaigen Gehaltsunterschieden umgehen will. Das EntgTranspG selbst enthält keine ausdrückliche Anspruchsgrundlage des Arbeitnehmers auf Erhöhung seines Arbeitsentgelts. Er wird bei seiner Anspruchsdurchsetzung auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verwiesen. Das bedeutet: Findet ein Arbeitnehmer heraus, dass er weniger verdient als die Vergleichsgruppe, ist ihm die Gehaltserhöhung keinesfalls sicher. Dennoch sollten die Unternehmen das Konfliktpotenzial möglicher Gehaltsunterschiede nicht unterschätzen: Studien zeigen, dass die Zufriedenheit von Mitarbeitern, die wissen, dass sie unterdurchschnittlich bezahlt werden, deutlich sinkt und dass sie das Unternehmen häufiger verlassen. Ebenso demotivierend wirkt es, wenn den Unternehmen die Möglichkeit der Leistungsdifferenzierung genommen wird. So darf das Gesetz auf der anderen Seite auch nicht zu Gleichmacherei führen. Gerade um eine wirklich leistungsabhängige Vergütung weiterhin zu ermöglichen, müssen die berücksichtigten Kriterien sehr genau geprüft, dokumentiert und nachvollziehbar kommuniziert werden. Geschieht dies nicht, kann das Unternehmen seine Hauptperformer nicht mehr angemessen entlohnen. Hinzu kommt: Stellt das Unternehmen im Rahmen des betrieblichen Prüfverfahrens fest, dass geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede bestehen, so fordert das Gesetz geeignete Maßnahmen zu deren Beseitigung – im worst case kann also eine komplette Überarbeitung bzw. Neuausrichtung des Mitarbeitervergütungssystems notwendig werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es aus Beratersicht überraschend, dass nur wenige Unternehmen die neuen Anforderungen als Problem erkannt haben. Hier besteht weitreichender Nachholbedarf. Gerade für Unternehmen der Finanzbranche gibt es jedoch auch eine gute Nachricht: Sie sind im Vergleich zu anderen Branchen durch die zahlreichen bereits bestehenden Regularien, allen voran die Institutsvergütungsverordnung, vergleichsweise besser auf die neuen Anforderungen vorbereitet. Sie können zur Gewinnung der benötigten Daten auf den im Rahmend der Vergütungsverordnung erstellen Job- und Risikoprofilen aufbauen. Und auch ihre Vergütungsmodelle haben die Finanzinstitute bereits durchleuchtet. Das bedeutet: Sie müssen mit einem deutlich geringeren Aufwand rechnen als Unternehmen anderer Branchen. Auch was die Berichtspflichten betrifft, sind sie aufgrund ihrer ohnehin schon hohen Standards besser aufgestellt. Anzeichen dafür gibt es auch in der Studie: So ist der Anteil der Unternehmen, die bereits Untersuchungen zur Entgeltgleichheit angestellt haben, in der Finanzbranche leicht überdurchschnittlich – 39 Prozent im Vergleich zu 35 Prozent über alle Branchen. Noch deutlicher ist der Unterschied bei der Frage, ob es im Unternehmen bereits eine Stelle gibt, die für die Entgeltgleichheit im Unternehmen zuständig ist. Hier antworten Finanzunternehmen zu 58 Prozent mit „ja“. In der Gesamtheit der Betriebe sind es 42 Prozent, im Maschinenbau nur 27 Prozent. Insgesamt ist es für die Unternehmen auch wichtig zu klären: Wie wollen wir Konflikte mit dem Betriebsrat und den Gleichstellungsbeauftragten vermeiden? Schließlich droht ein Imageschaden, wenn das Unternehmen mit Negativschlagzeilen in die Presse gerät. Und dass Equal-Pay-Fragen die Medien durchaus beschäftigen können, zeigt das Beispiel Google. Der Internetriese leistet sich derzeit einen Rechtsstreit mit dem US-amerikanischen Arbeitsministerium. Das Ministerium fordert Google auf, die Gehaltsdaten der Mitarbeiter offenzulegen. Google verweigert diese Auskunft und erklärt dies mit einem zu hohen Arbeitsaufwand, es müssten u. a. neue Systeme aufgebaut werden. Egal, ob nun der Vorwurf, es gebe bei dem Internetriesen gravierende Gehaltsunterschiede, oder ob es – wie Google selbst erklärt – keinen Gender Pay Gap gibt: Allein die ausgiebige Diskussion darüber ist ungünstig für das Ansehen der Firma. Genereller Nachholbedarf in Gleichstellungsfragen Bei der für die Firmen wichtigen Beschäftigung mit dem Entgeltgleichheitsgesetz sollte jedoch auch nicht vergessen werden: Der größte Teil der ungerechten Gehaltsverteilung beruht nicht auf ungleicher Bezahlung bei gleicher Arbeit. Er entsteht, weil viele Frauen gar nicht erst in vergleichbar hohe Positionen kommen wie Männer. Das liegt an gesellschaftlichen Gründen, denen die Unternehmen jedoch zumindest teilweise auch entgegenwirken könnten – wenn sie es denn wollten. So hat laut den Studienergebnissen bislang lediglich die Hälfte der befragten Unternehmen aller Branchen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern eingeführt. Von den Unternehmen, die mit „ja“ geantwortet haben, nennen als konkrete Maßnahmen 34 Prozent die Verankerung der Gleichstellung im Tarifvertrag, 19 Prozent der Unternehmen nehmen gleiche Eingruppierungen bei den Gehältern vor, nur jeweils 14 Prozent verfügen über Frauenförderpläne bzw. ein Förderprogramm für Frauen in Führungspositionen. FAZIT In nur fünf Prozent der Unternehmen wird ausdrücklich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geachtet, und drei Prozent der befragten Unternehmen bevorzugen Frauen bei gleicher Qualifikation der Bewerber für eine Führungsposition. Von großer Initiative der Firmen zeugen diese Zahlen nicht. Und das, obwohl Gleichberechtigung nicht nur gesellschaftlich wünschenswert, sondern aufgrund des drohenden Fachkräftemangels auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist. Autoren: Karl Wirth ist Partner, Joerg Wenzel ist Senior Manager bei Ernst & Young GmbH. 80 09 // 2017

BERUF & KARRIERE PROJEKTMANAGEMENT Die Grundpfeiler agiler Produktentwicklung Nachdem sich agile Produktentwicklung seit der Jahrtausendwende in der Technologiebranche durchgesetzt hat, ist dieser Trend auf viele andere Branchen übergesprungen, auch in der Finanzbranche ist seit einigen Jahren ein mehr an Agilität zu beobachten. Dies geschieht allerdings selten reibungsfrei, hat man doch bis dato hauptsächlich Erfahrung in klassischen Projektstrukturen und einem stark regulatorischen Umfeld gesammelt. Aus diesem Grund beleuchtet der Beitrag die Grundpfeiler agiler Produktentwicklung und zeigt auf, wie Probleme bei deren Umsetzung im Bankenumfeld erkannt und angegangen werden können. Betrachtet man typische erste Projekte, denen das Label „agile“ oder „Scrum“ gegeben wurde, dann findet sich eine Vielzahl von Artefakten aus dem agilen Umfeld wie zum Beispiel Stand-ups, ein (Product-)Backlog und manchmal sogar ein Scrum Master. In vielen Fällen helfen diese bloßen Artefakte der tatsächlichen Agilität des Projekts jedoch recht wenig und dienen eher der Außendarstellung als „agiles“ Projekt. Daher betrachten wir im Folgenden die Grundpfeilern agiler Projekte, d. h. die zugrunde liegenden Eigenschaften und deren Umsetzung. Grundpfeiler der Agilität In erster Linie gibt es zwei dieser Grundpfeiler, aus denen sich Rollen, Events, Artefakte und Regeln von agilem Vorgehen mehr oder weniger direkt ableiten lassen. Der erste Grundpfeiler ist die empirische Prozesskontrolle. Die grundlegende Idee ist dabei, dass, anstatt ein Projekt zu Beginn vollständig und möglichst detailliert zu planen und diesem Plan dann so genau wie möglich zu folgen, man stattdessen die während des Projekts gewonnen Erkenntnisse regelmäßig in die weitere Planung mit einfließen lässt. Der gegenüber dem klassischen Vorgehen leicht zu akzeptierende Unterschied ist der, dass die Validität der Annahmen, die in die Planung geflossen sind, zu regelmäßigen Zeitpunkten überprüft werden. Man führt sozusagen eine Art „Backtesting“ der Planungsannahmen durch. Eine größere Diskrepanz zum 09 // 2017 81

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