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die Bank 09 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG 1 |

DIGITALISIERUNG 1 | Prozessablauf Digitale Baufinanzierung (1/2) Kundenakquisition Beratung und Antrag ... Elemente eines weitgehend digitalisierten Prozesses »» Allg. Infos, FAQs »» Baufi-Rechner zur Konditionsfindung und Ermittlung leistbarer Monatsraten »» Persönlicher Kontakt per Telefon, Chat, Video-Chat, Co-Browsing »» Terminvereinbarungsservice »» Web-Formulare für: Baufi-Ziel, Immobilienund Personendaten, Finanzierungsdetails, Unterlagen, Schufa-Anfrage »» Upload-Bereich für Unterlagen »» Beantragung Darlehen nach Upload Unterlagen »» Angabe Bearbeitungsstand Darlehen »» Kontakt zum Spezialisten, wenn gewünscht (stationär, Telefon, Chat, Video-Chat) Strategien einzelner Institute »» Mehrzahl der Institute mit Baufi-Rechner »» Bei manchen Instituten bewusster Verzicht auf Baufi-Rechner »» Video-Telefonie zur Einbindung von Baufinanzierungsspezialisten in Beratungsgespräche »» Vorabkontakt online oder durch Service-Center zum Machbarkeitscheck der Finanzierung und zur Einholung von Unterlagen chen Dokumente automatisch erstellt und später die notwendige Kontoanlage durchführt. Eine auf diese Weise erreichte schnellere Finanzierungszusage führt nicht nur zu niedrigeren Kosten, sondern vermindert auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde weitere Angebote von der Konkurrenz einholt. Für den Kunden in einem digitalen Prozess ist die Möglichkeit wichtig, den Bearbeitungsstand seines Darlehens einzusehen, verbunden mit einem Hinweis auf die voraussichtliche weitere Bearbeitungsdauer sowie eventuell noch fehlende Angaben oder Unterlagen. 4. Vertrag und Auszahlung In einem digitalen Prozess kann der Kreditantrag bei einer positiven Entscheidung automatisiert erstellt und dem Antragsteller online zum Download bereitgestellt werden. Die im Vertrag enthaltenen Konditionen sind individuell und verbindlich und spiegeln die auf Basis der eingereichten Unterlagen gemachten Angaben aus den vorherigen Prozessschritten wider. Der Antragsteller muss aufgrund des Schriftformerfordernisses bei Verbraucherdarlehen den Vertrag ausdrucken, unterschreiben und ihn an das Institut zurücksenden. Falls er noch kein Kunde des Kreditinstituts ist, muss zusätzlich auch noch seine Legitimation erfolgen, was inzwischen bei vielen Banken bereits per VideoIdent-Verfahren möglich ist. Mit der Unterschrift seitens des Instituts wird der Vertrag angenommen und somit rechtskräftig. Institute, die in der Beratung sehr großen Wert auf eine persönliche Beratung durch den Baufinanzierungsspezialisten legen, laden den Kunden teilweise zur Vertragsunterzeichnung zu einem weiteren Termin in die Bank ein, was auch der Reduzierung von Fehlern dient. Nach der Feststellung, dass die Grundschuld als Sicherheit für das Baufinanzierungsdarlehen korrekt eingetragen wurde, kann die Auszahlung beginnen. In einem digitalen Prozess kann der Kunde Auszahlungen online anfordern und im Upload-Bereich entsprechende Dokumente hochladen. Die Prüfung der Erfüllung der Auszahlungsvoraussetzungen kann dann (teil-)automatisiert erfolgen. Die meisten Institute sehen in der Digitalisierung der Auszahlung ein erhebliches Potenzial zur Senkung von Kosten, da dieser Schritt heute aufgrund vieler manueller Arbeitsanteile erhebliche Ressourcen bindet. Implikationen für Banken Die Digitalisierung des Baufinanzierungsprozesses bei Banken verfolgt zwei grundlegende Stoßrichtungen: Einerseits soll mit digitalen Angeboten verändertem Kundenverhalten Rechnung getragen werden; andererseits bietet die Digitalisierung die Möglichkeit, Prozesse effizienter zu organisieren und dadurch Kosten einzusparen. Im Hinblick auf das veränderte Kundenverhalten zeigt sich bei der Baufinanzierung idealtypisch das sogenannte ROPO-Verhalten (Research Online, Purchase Offline) von Kunden. Die Nutzer verschaffen sich zunächst online einen Marktüberblick über erhältliche Produktvarianten und Konditionen, um den eigentlichen Abschluss – gut vorbereitet und mit ausreichend Wissen über angemessene Preise – offline bei einem physischen Berater durchzuführen. Selbst die Banken, die bereits einen weitgehend digitalisierten Baufinanzierungsprozess anbieten berichten, dass die End-to-End- Nutzung des digitalen Prozesses durch Nutzer sehr niedrig ist und die meisten früher oder später zu einem physischen Berater wechseln. Insofern besteht die zentrale Herausforderung im Wettbewerb darin, das online verfügbare Informationsangebot so zu gestalten, dass möglichst viele Nutzer die Notwendigkeit einer Kontaktaufnahme zum Institut sehen, welche dann bequem und mit zeitgemäßen Kommunikationskanälen wie z. B. Video- Chat möglich sein sollte. Weniger dringlich 76 09 // 2017

DIGITALISIERUNG 2 | Prozessablauf Digitale Baufinanzierung (2/2) ... Bearbeitung und Entscheidung Vertrag und Auszahlung Elemente eines weitgehend digitalisierten Prozesses »» Entscheidungs- und Bearbeitungsunterstützung durch IT-Systemlösung »» Anzeige des jeweiligen Bearbeitungsstands »» Bereitstellung Darlehensvertrag im Download- Bereich »» Schriftliche Unterschrift durch Darlehensnehmer und Rücksendung an Institut »» Bei Nicht-Kunden Videolegitimation »» Sendung des durch Bank unterschriebenen Vertrags an Kunden »» Prüfung Grundschuldbestellung »» Anforderung Auszahlungen im Upload-Bereich Strategien einzelner Institute »» Automatisierte Erstellung Vertragsdokumente durch geeignete Software »» Großes Potenzial durch Digitalisierung der Auszahlungen erscheint aktuell das Angebot eines durchgängig digitalen Antragsprozesses für die Baufinanzierung. Gleichzeitig bestehen für viele Banken noch umfangreiche Möglichkeiten zur digitalen Ergänzung und zur Effizienzsteigerung im stationären Baufinanzierungsprozess. Wie skizziert, könnten initiale Beratungsgespräche reduziert werden, indem Rahmenbedingungen der Baufinanzierung sowie erforderliche Unterlagen vorab online oder unter Nutzung eines Service-Centers geklärt werden. Die flächendeckende Verfügbarkeit von Videotechnik könnte den Reiseaufwand von Baufinanzierungsspezialisten vermindern und deren Schlagzahl erhöhen. Ein Upload- bzw. Download-Bereich für Unterlagen könnte den Austausch von Unterlagen zwischen Bank und Kunde erleichtern und für eine bessere maschinelle Auswertbarkeit derselben sorgen. Die digitale Anforderung von Auszahlungen mit maschineller Prüfung der Auszahlungsvoraussetzungen könnte den Aufwand in der Auszahlungsbearbeitung verringern. Modulares Vorgehen denkbar Der Vorteil bei der Digitalisierung des Baufinanzierungsprozesses besteht darin, dass sie modular angegangen werden kann. Es gibt eine Vielzahl von Stellhebeln, mit der in einzelnen Prozessschritten Verbesserungen erreicht werden können, ohne dass in einem Big-Bang-Ansatz der gesamte Prozess auf einen Schlag neu gestaltet werden muss. Dennoch ist es erforderlich, den Blick noch weiter über den Tellerrand zu werfen. So zeigen Marktdaten aus den USA, dass dort bereits ein knappes Viertel aller Immobilienfinanzierungsdarlehen über das Internet nachgefragt wird. In dem Maß, wie jüngere Baufinanzierungskunden heranwachsen, könnte sich auch hierzulande das Bild verändern. Anbieter, die in der Lage sind, ihren Kunden einen einfachen und transparenten Baufinanzierungsprozess anzubieten, haben dann einen klaren Wettbewerbsvorteil. Zudem bestehen wirtschaftliche Potenziale darin, die Wertschöpfung über das eigentliche Produkt der Baufinanzierung hinaus zu erweitern, indem zusätzliche Dienstleistungen rund um die private Immobilie angeboten werden. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist das kürzlich durch die HypoVereinsbank gestartete Portal HVB Home. Mit einer solchen Erweiterung der Wertschöpfung könnten Banken nicht nur die Bindung bestehender Kunden verbessern, sondern zusätzlich auch noch über das eigentliche Bankgeschäft hinausgehende Non-Banking-Revenues erwirtschaften. FAZIT Die Digitalisierung des Baufinanzierungsprozesses steht weit oben auf der Agenda von Filialbanken. Dabei zielen die Institute darauf ab, einzelne Elemente des Baufinanzierungsprozesses zu digitalisieren sowie die Kanäle Filiale und Online im Sinn eines Omnikanalansatzes zu vernetzen mit dem Baufinanzierungsspezialisten als Dreh- und Angelpunkt des Geschäfts. Der wesentliche Grund hierfür ist, dass die meisten Kunden – auch bei Vorhandensein eines digitalen Endto-End-Antragsprozesses für die Baufinanzierung – weiterhin im Laufe des Verfahrens zu einem stationären Berater wechseln. Gleichzeitig bestehen zahlreiche Möglichkeiten, durch die Digitalisierung von einzelnen Elementen des Prozesses erhebliche Effizienzsteigerungen und Qualitätsverbesserungen zu erreichen. Autoren: Dr. Gösta Jamin ist Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Hochschule Ludwigshafen und Senior Advisor bei der ConMendo GmbH, Kronberg. Christian Weindel ist Absolvent des Masterstudiengangs Finance & Accounting der Hochschule Ludwigshafen. 09 // 2017 77

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