DIGITALISIERUNG PRIVATKUNDENBETREUUNG Digitale Baufinanzierung auf dem Vormarsch Banken arbeiten intensiv an der Digitalisierung ihrer Kundenbeziehungen und Prozesse. Ein Fokusprodukt als wesentlicher Ertragsbringer und risikoarmes Kreditprodukt ist dabei die private Baufinanzierung. Die meisten Filialbanken streben hier eine intelligente Verzahnung der Vertriebswege Filiale und Online im Sinn eines Omnikanal-Ansatzes an, um die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und gleichzeitig dem Kundenwunsch nach persönlicher Beratung bei einem wichtigen Produkt wie der Baufinanzierung zu entsprechen. Die Baufinanzierung ist ein Kernprodukt der im Privatkundengeschäft tätigen Banken. Mit einem Verkaufsvorgang verspricht sie stabile, gut planbare Erträge über einen langen Zeitraum. Durch die grundpfandrechtliche Besicherung und die in der deutschen Kreditwirtschaft traditionell vorsichtige Risikoprüfung stellt sie gleichzeitig ein geringes Risiko für Wertberichtigungen dar. Aktuell positive Treiber sind die insgesamt günstige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland mit hoher Beschäftigung und niedriger Arbeitslosigkeit sowie die aufgrund niedriger Zinsen und knappem Wohnraum in den Ballungsräumen steigenden Preise für Wohnimmobilien. Allerdings ist dieser Markt auch sehr wettbewerbsintensiv, wobei sowohl Banken als auch Bausparkassen und Nicht- Banken, wie Versicherungen in Konkurrenz stehen. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen stehen die Banken vor der Herausforderung, ihre Kundenschnittstellen und Prozesse zu digitalisieren, um einerseits veränderten Kundenerwartungen zu entsprechen und andererseits operative Kosten zu senken. Dank ihrer weitgehend standardisierten Prozesse eignet sich die Baufinanzierung dafür grundsätzlich sehr gut. Für den Kunden stellt sie andererseits oft die wichtigste wirtschaftliche Lebensentscheidung dar, was meist den Wunsch nach persönlicher Interaktion mit der Bank auslöst. Daher eignet sich der Baufinanzierungsprozess auch als Blaupause für andere beratungsintensive Prozesse, wo eine vollständige Digitalisierung – wie sie bei rein transaktionalen Prozessen möglich ist – zunächst noch ausscheidet. Filialbanken verfolgen bei der Digitalisierung unterschiedliche Strategien. Um diese zu identifizieren, wurden qualitative Interviews mit Baufinanzierungs- Verantwortlichen mehrerer Institute aus allen drei Säulen der deutschen Kreditwirtschaft durchgeführt. Die zentralen Ergebnisse werden im Folgenden zusammengefasst. Reine Direktbanken sowie Geschäft, das über Vermittlungsplattformen abgewickelt wird, waren nicht Gegenstand der Untersuchung. Wo sind digitale Schritte möglich? Grundsätzlich lässt sich der Prozess der Baufinanzierung weitestgehend digital ausgestalten. Selbstverständlich sind rechtliche und regulatorische Vorgaben einzuhalten, wie z. B. das Schriftformerfordernis beim Abschluss eines Kreditvertrags oder die Informationspflichten gemäß Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Die Frage, welche Schritte digital vollzogen werden können, entscheidet sich auf Basis der Geschäftsphilosophie des Kreditinstituts: Inwiefern besteht der Anspruch, den Kunden persönlich zu kennen und ihm weitergehende Beratungsangebote mit dem Ziel eines umfangreicheren Cross-Sellings zu machen? Andererseits hängt die Annahme digitaler Angebote auch von der Akzeptanzschwelle des Kunden ab. Laut Aussage der interviewten Experten besteht bei nahezu allen Kunden der Wunsch, in dieser wichtigen Entscheidung mit einem persönlichen Ansprechpartner zusammenzuarbeiten. Anhand des üblichen Ablaufs eines Baufinanzierungsprozesses wird in den Schaubildern ÿ 1 und ÿ 2 aufgezeigt, welche digitalen Angebote in den einzelnen Prozessschritten von der Kundenakquisition bis hin zur Vertragsunterzeichnung im Rahmen bestehender technischer und regulatorischer Rahmenbedingungen umgesetzt werden könnten. 1. Kundenakquisition Die Kundenakquisition dreht sich um die Frage, welche Informationen der Kunde braucht, damit er sich für eine weitergehende Beratung oder für die Beantragung eines Darlehens entscheidet. Prinzipiell wäre es möglich, dem Nutzer sämtliche für seine Entscheidung relevanten Informationen im Internet anzubieten. Dies könnte auch durch die Bereitstellung eines Baufinanzierungsrechners für die sich ergebende Kondition gelten – vorausgesetzt, die vom Kunden gemachten Angaben lassen sich später auf Basis der eingereichten Unterlagen verifizieren. Für diesen automatisierten Baufinanzierungsrechner müsste der Kunde allerdings sehr viele detaillierte Angaben machen, die im Stadium der allgemeinen Einholung von Informationen erklärungsbedürftig oder aufwendig zu beschaffen sind. Überall angeboten wird ein Terminvereinbarungsservice für Gespräche mit dem Kundenbetreuer oder Baufinanzierungsspezialisten in der Filiale. Zunehmend als Standard angesehen werden Möglichkeiten der persönlichen Kontaktaufnahme per Telefon, Chat, Video- Chat oder Co-Browsing, falls beim Nutzer Fragen auftreten. 74 09 // 2017
DIGITALISIERUNG 2. Beratung und Antrag In einem digitalen Antragsprozess können vom Nutzer Angaben zu Baufinanzierungsziel, zu Immobiliendaten, Personendaten und Finanzierung abgefragt werden. Weiterhin kann dem Nutzer aufgezeigt werden, welche Unterlagen er im Upload-Bereich bereitstellen muss, damit das Institut in die Darlehensprüfung einsteigen kann. Auf Basis dieser Angaben ist es möglich, einen oder mehrere konkrete Finanzierungsvorschläge zu unterbreiten. Hier ist allerdings anzumerken, dass diese Vorschläge in einem digitalen Prozess eher standardisiert sein werden und nicht alle theoretisch denkbaren Varianten – wie unterschiedliche Tilgungsrechte, Tilgungsersatzinstrumente, Förderdarlehen, etc. – beinhalten. Falls solche Varianten gewünscht sind, müsste weiterhin ein Termin mit einem Baufinanzierungsspezialisten vereinbart werden. Wenn sich der Nutzer für eine Finanzierungsvariante entschieden und alle Unterlagen hochgeladen hat, kann die Bank die Vertragsunterlagen erstellen. Bei den meisten Instituten findet in diesem Prozessschritt der Übergang zu einem persönlichen Berater bzw. Baufinanzierungsspezialisten statt. Die Institute haben unterschiedliche Philosophien hinsichtlich der Anzahl der erforderlichen Beratungsgespräche. Manche sind der Auffassung, dass es zwei Termine beim Baufinanzierungsspezialisten geben muss: Einen, um die grundsätzlichen Rahmenbedingungen einer Baufinanzierung zu erläutern, und einen zweiten, um den Finanzierungsvorschlag zu diskutieren, offene Fragen vor der Vertragserstellung zu klären und die Informationspflichten gemäß der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu erfüllen. In der Zwischenzeit reicht der Kunde die notwendigen Unterlagen ein, und es wird bereits eine Schufa-Auskunft eingeholt. Andere Institute versuchen, mit einem einzigen ausführlichen Beratungsgespräch auszukommen, bei dem der Finanzierungsvorschlag besprochen und die Vertragserstellung vorbereitet wird. Das Erstgespräch kann demnach entfallen, wenn dem Kunden anderweitig die grundlegenden Rahmenbedingungen der Baufinanzierung sowie die erforderlichen Unterlagen übermittelt werden können. Das könnte durch ein Online-Formular geschehen, ergänzt durch ein spezielles Service-Center, welches mit dem Kunden vorab telefonisch oder per Video-Chat Kontakt aufnimmt, diesem notwendige Informationen übermittelt und die erforderlichen Unterlagen einholt. Zunehmend üblich ist die Nutzung von Videotechnik, um einen Baufinanzierungsspezialisten von einem zentralen Standort zu einem in der Filiale stattfindenden Beratungstermin hinzuzuschalten. 3. Bearbeitung und Entscheidung Dieser Prozessschritt erfolgt weitgehend institutsintern auf Basis der vom Kunden bereitgestellten Unterlagen. Dazu erfolgt bei einer bestehenden Immobilie eine Objektbesichtigung. Sämtliche Institute arbeiten in diesem Prozessschritt an einer Automatisierung der Entscheidungsunterstützung, beispielsweise einer maschinellen Prüfung eingereichter Unterlagen, um schneller zu urteilen und Kosten zu senken. Die Arbeiten gehen hier in Richtung von Workflow-Systemen, bei denen eine Software die Erfüllung der bankinternen Kreditvergaberichtlinien automatisiert prüft, die erforderli- 09 // 2017 75
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