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die Bank 09 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG CHATBOTS

DIGITALISIERUNG CHATBOTS MÜSSEN ERST LAUFEN LERNEN Schöne neue Welt Was haben IBM, Facebook und die CSU gemeinsam? Sie alle arbeiten neuerdings mit Chatbots. Diese textbasierten Dialogsysteme sollen IT-Nutzern das Leben noch leichter machen als bisher – informieren, helfen oder amüsieren. Entsprechend groß sind die Erwartungen – auch im Bankumfeld. Genauso hoch werden allerdings die Enttäuschungen sein, wenn Kreditinstitute sich zu viel auf einmal zumuten und Chatbots als reines IT-Thema betrachten. Die Geldhäuser sind dann erfolgreich, wenn sie die neue Technologie maßgeschneidert in ihr Gesamtangebot integrieren und sich selber und ihre Kunden dabei nicht überfordern. 66 09 // 2017

DIGITALISIERUNG Goldgräberstimmung kam im April 2016 auf, als Marc Zuckerberg ankündigte, den Facebook Messenger auch für Chatbots zu öffnen. Fast über Nacht ergab sich ein Milliardenpublikum. Rund 30.000 Bots fanden innerhalb von sechs Monaten ihren Weg in den Messenger, um den Usern das Leben noch leichter zu machen. Um ohne „App-Bruchkante“ den Status der letzten Bestellung zu erfragen, um freie Hotelzimmer zu finden, das Wetter am Reiseziel zu erfragen oder um im Dialog Produkte zu kaufen. Der erhoffte Aufstieg solcher Bots geht einher mit einem langsamen Abstieg der Apps. Die gibt es zwar auch erst seit zehn Jahren, trotzdem ist bereits eine Sättigung bei den Nutzern eingetreten. Viele User haben ihren Standardsatz an fünf bis sechs viel genutzten Programmen (darunter vor allem Social Media- Apps) – die große Mehrzahl an Apps nutzen sie hingegen selten oder gar nicht. Wie schön wäre da ein Programm, das in einer Oberfläche die Funktionen vieler Apps vereint und darüber hinaus noch ganz einfach zu bedienen ist. Genau hier setzen Chatbots an: Durch mündliche oder schriftliche Interaktion ermitteln sie den Wunsch des Nutzers durch Textanalyse und natürliche Sprachverarbeitung, greifen auf verschiedenste Datenbanken zurück, um ihn zu beantworten und spucken das Ergebnis wieder aus – sei es eine bloße Information oder die Bestätigung einer ausgelösten Aktion. Fluglinien setzen die Technik als digitalen Concierge ein, um Kunden den Status ihres Flugs oder Informationen zu den Gepäckrichtlinien zu übermitteln. Auch im Banking tauchen Chatbots vermehrt auf: Die Möglichkeiten reichen vom „einfachen“ Infobot, der allgemeine Kundenanfragen beantwortet, bis hin zum persönlichen Bankassistenten, der alle Funktionen des Bankgeschäfts abbilden kann – sei es im Messenger, in der Bankapp oder auf der Webseite des jeweiligen Instituts. Nur Tamtam? Für Kritiker ist der Hype um Bots genau das: ein Hype. Viel Tamtam ohne Substanz. Einen richtigen Nutzen können sie Bots nicht abgewinnen – sie seien die Lösung für ein nicht bestehendes Problem. Der Großteil von Bankgeschäften sei standardisiert und lasse sich perfekt und einfach online oder auf dem Smartphone erledigen. Hier böten Bots keinen Vorteil. Im Gegenteil: Einem Chatbot die Überweisung zu erklären, dauere mindestens so lange, wie das Klicken durch gutgemachte Apps. Für alles andere gäbe es Telefone – oder für ganz exotische Anliegen gar den Besuch in einer richtigen Filiale! Dazu kommt eine enorme Fehlerquote, wie im Februar dieses Jahres bekannt wurde: Nur rund 30 Prozent aller (einfachen) Kundenanfragen könnten die verschiedenen Facebook-Bots derzeit fehlerfrei beantworten. Zu wenig, um Kunden zufriedenzustellen – oder gar dauerhaft deren Vertrauen zu gewinnen. Das nämlich ist ein dritter Makel: die fehlende Kundenakzeptanz. Jeder zweite Online-Käufer kommuniziert ungern mit Chatbots. Zu unpersönlich, ungenau und umständlich, so die verbreitete Meinung. Allerdings hängt dieser Punkt eng mit dem vorigen zusammen: Dann und nur dann, wenn Chatbots einen hohen Anteil von Nutzerfragen verstehen und hierauf hilfreiche Antworten geben, werden sie von Kunden auch akzeptiert. Chatbots, die mit großen Erwartungen gestartet sind, droht ein jähes Ende. Entweder, weil sich die meisten Funktionen gar nicht so umsetzen lassen, wie anfangs gedacht. Oder, weil sich die Kunden dann doch lieber an die erprobten (und oft gar nicht einmal schlechten) Kommunikationswege halten. Banken, die Chatbots im Hauruckverfahren einführen wollen, laufen Gefahr, sich nachhaltig die Finger zu verbrennen. Wenn sie dann Chatbots aus Vorsicht lieber ganz meiden, entgeht ihnen die Chance, langfristig einen wichtigen Kanal zu besetzen. Und sie lohnen sich doch! Denn trotz aller Schwächen haben Chatbots auch für Banken klare Vorteile: Sie können die Reichweite steigern und die Bank rund um die Uhr ansprechbar werden lassen. Und das sowohl in sozialen Netzwerken als auch auf der eigenen Homepage und in der App. Die Bereitstellung von Informationen – seien sie statisch („Wie teuer ist das Kontomodell?“) oder kunden- und zeitspezifisch („Ist mein Gehalt schon eingegangen?“) – können Bots bequemer und schneller erledigen als bisherige Formate wie FAQ und Suchfenster. Besser als reine Formulare sind sie allemal, wenn sie den Kunden interaktiv durch den Eingabeprozess führen und benötigte Informationen erläutern. Die sprachliche Qualität lässt sich durch den Einsatz der „richtigen“ Technologien und kontinuierlicher 09 // 2017 67

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