Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 09 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BANKING

ó BANKING Regulatorische Kosten in der Anlageberatung PRIVATKUNDEN Die Finanzbranche beklagt die zunehmenden Kosten der Regulierung bei der Beratung und dem Verkauf von Finanzprodukten an Privatkunden. Was allerdings fehlt, sind konkrete Daten zu diesen Kosten. Der folgende Fachbeitrag gibt eine empirisch gestützte Aussage zum Aufwand für die Durchführung und Dokumentation der Prüfung der Angemessenheit und der Geeignetheit bei der Finanzberatung (Suitability & Appropriateness). Dazu führten die Autoren eine repräsentative Umfrage bei 1.600 deutschen Banken durch. Sandro Ricklin | Christoph Kley Keywords: Regulierung, Regulierungskosten, Anlageberatung, MiFID II Um die Finanzmarktregulierung zu harmonisieren und gleichzeitig den Anlegerschutz zu stärken, führte die europäische Union 2007 MiFID I ein. Trotz der getroffenen Maßnahmen erlitten Kleinanleger während der Finanzkrise u. a. durch den Konkurs der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers und den Madoff-Betrugsfall massive Verluste. Dies war der Anlass für eine Verschärfung der regulatorischen Eingriffe auf nationaler wie auch europäischer Ebene (MiFID II). Nun steht die europäische Richtlinie MiFID II vor der nationalen Umsetzung. Zusätzlich wurde in Deutschland im Jahr 2010 eine Protokollierungspflicht für das Beratungsgespräch eingeführt. Der Regulator argumentiert mit der Informationsungleichheit in Verbindung mit Interessenkonflikten, die nur durch eine transparente, standardisierte und dokumentierte Beratung behoben werden könnten. Die Finanzinstitute beklagen auf der anderen Seite den Aufwand für die regulatorischen Eingriffe und den ihrer Ansicht nach zweifelhaften Nutzen. Unter der Suitability-Prüfung oder auch Geeignetheitsprüfung werden die Prüfung der Kenntnisse und Erfahrungen, der finanziellen Verhältnisse, des Risikoprofils und die Erhebung der Anlageziele des Kunden verstanden. Die Appropriateness- Prüfung bzw. Angemessenheitsprüfung bezieht sich hingegen nur auf die Prüfung der Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden. Ob eine Geeignetheitsprüfung oder nur eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen ist, hängt von der Kundenart, der Geschäftsart und dem gewünschten Finanzinstrument ab. Die unterschiedlichen Ausprägungen werden deshalb nachfolgend kurz erläutert. Um den unterschiedlichen Erfahrungshintergründen der Kunden Rechnung zu tragen, differenziert die MiFID zwischen professionellen Kunden, nichtprofessionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien. óó Bei professionellen Kunden kann davon ausgegangen werden, dass die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen vorhanden sind und die Risiken entsprechend tragbar sind. Als professionelle Kunden gelten sämtliche Marktteilnehmer, die einer Aufsicht der Finanzmärkte (Kreditinstitute, Versicherungen, institutionelle Anleger, etc.) unterstellt sind. Ebenfalls als professionelle Anleger gelten große Unternehmen. óó Als geeignete Gegenparteien gelten beispielsweise Regierungen, Zentralbanken oder internationale Organisationen. Sie werden durch die MiFID am wenigsten geschützt. óó Als nichtprofessionelle Kunden gelten typischerweise Privatkunden. Diese Kundenart genießt den höchstmöglichen gesetzlichen Konsumentenschutz. Auf Wunsch des Kunden kann sich ein Kunde unter bestimmten Bedingungen umklassifizieren lassen, d. h. sich als professioneller Kunde dem höheren Schutzniveau eines Privatkunden unterstellen (Opting-In) oder als nichtprofessioneller Kunde wie ein professioneller Kunde behandelt werden (Opting-Out). Eine Angemessenheits- oder Geeignetheitsprüfung ist grundsätzlich nur in der Anlageberatung und Vermögensberatung für nichtprofessionelle Kunden vorgeschrieben. Bei Execution-Only-Geschäften, d. h. direkten Kundenaufträgen ohne vorherige Beratung, muss heute in der Regel keine Angemessenheits- oder Geeignetheitsprüfung durchgeführt werden. Eine Ausnahme sind komplexe Produkte, bei denen eine Angemessenheitsprüfung notwendig wird. Im Rahmen von MiFID II wird diese für mehr Produkte notwendig sein. Können die für die Angemessenheits- oder Geeignetheitsprüfung benötigten Informationen nicht eingeholt werden, darf die Dienstleistung nicht erbracht werden. 24 diebank 09.2016

BANKING ó ¾¾ ZEITAUFWAND FÜR GEEIGNETHEITSPRÜFUNG BEI KUNDENBERATERN ” 1 Zeitbedarf für das Beratungsprotokoll relative Häufigkeit 45 % 40 % 35 % 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 5 % 0 % 10 20 30 45 60 und größer Aufwand der Kundenberatung in Minuten 09.2016 diebank 25

die bank