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die bank 09 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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ó FINANZMARKT Vom Nutzen des Informationsvorsprungs ANALYSTENPROGNOSEN Die Fundamentalanalyse eines Unternehmens steht am Beginn eines jeden Prozesses, der eine Schätzung des Gewinns pro Aktie (Earnings per Share, EPS) generiert. In diesem Beitrag wird ein Fehlbewertungsmaß vorgestellt, das Gewinnprognosen der Analysten in Kauf- bzw. Verkaufssignale für Aktien transformiert. Zwar werden derartige Empfehlungen von den Analysten auch direkt ausgesprochen; das diskutierte Maß setzt jedoch auf der Gewinnprognose als originärem Analyse-Output auf und liefert insofern einen unverzerrten Vergleichsmaßstab zwischen verschiedenen Aktien und Analysten. Exemplarisch für den US-amerikanischen Markt wird der Erfolg einer auf Basis dieses Maßes aufgesetzten Handelsstrategie gezeigt. 1 Rainer Baule | Hannes Wilke Keywords: EPS-Prognosen, Fehlbewertungsmaße, selbstfinanzierende Handelsstrategien Die Bedeutung von Finanzanalysten als Informationsintermediäre für ein breites Anlegerpublikum auf entwickelten Kapitalmärkten ist umstritten. Auf der einen Seite ist es die ureigene Aufgabe von Finanzanalysten, Informationen über die von ihnen analysierten Unternehmen zu beschaffen, auszuwerten und in Form von Kurszielen, Kauf- bzw. Verkaufsempfehlungen sowie anderen Kennzahlen zu verdichten und den Anlegern zugänglich zu machen. Auf Basis ihrer Kenntnis des Markts und der Unternehmen sollte den Analysten eine Rolle der Informationsführerschaft dahingehend zukommen, dass sie besser als andere Marktteilnehmer imstande seien, die zukünftige Entwicklung der Unternehmen und letztlich deren Wert zu beurteilen. Auf der anderen Seite steht die Auffassung, dass die Gesamtheit der übrigen Marktteilnehmer mindestens genauso gut oder sogar besser dazu fähig ist, diese Aufgaben wahrzunehmen. Gemäß der Effizienzmarkthypothese von Fama ist der Kapitalmarkt in der Lage, sämtliche Informationen unverzüglich zu verarbeiten, sodass auf effizienten Märkten Informationsintermediäre wie Finanzanalysten keine Existenzberechtigung haben. Entwicklung des Fehlbewertungsmaßes Q Sind die Märkte nicht vollkommen effizient, besteht die Möglichkeit, aus Analystenprognosen über- oder unterbewertete Aktien zu identifizieren. Die Idee des vorgestellten Fehlbewertungsmaßes basiert auf EPS-Prognoserevisionen von Finanzanalysten aufgrund neuer Informationen. Eine positive Prognoseveränderung kann als Signal interpretiert werden, dass Analysten den fundamentalen Wert einer Unternehmensaktie nun höher einschätzen als zuvor. Spiegelt der Markt die Revisionen von Analystenprognosen direkt wider, so sollte eine positive Prognoserevision mit einer positiven Aktienrendite über den betrachteten Zeitraum einhergehen. Diesem Ansatz folgend, lässt sich aus den Prognoserevisionen der Analysten relativ zu der vom Markt über diesen Zeitraum realisierten Rendite ein implizites Maß für die Fehlbewertung von Aktien aus Analystensicht konstruieren. Dieses Fehlbewertungsmaß definiert sich als das Verhältnis der Brutto-Prognoserevision zu der korrespondierenden Brutto- Aktienrendite: mit und ist die EPS-Prognose der Analysten im Zeitpunkt t, S t der korrespondierende Aktienkurs. Der Parameter k bestimmt die Länge der Formationsperiode in Monaten, über die die beobachteten Aktienrenditen und die Prognoserevisionen der Analysten miteinander verglichen werden. Im Rahmen dieser Studie wurde ein Fenster von k = 6 Monaten gewählt. Interpretation Fällt die tatsächliche Rendite einer Aktie (r tS ) hinter die Prognoserevision der Analysten (r tA ) zurück, sehen Analysten diese Aktie implizit als unterbewertet an; über- 12 diebank 09.2016

FINANZMARKT ó trifft die Rendite die Prognoserevision, gilt dies als Überbewertung. Die Funktionsweise von Q lässt sich anhand der Darstellung in ” 1 verdeutlichen: Für ein Anlageuniversum mit zwei Aktien A und B haben die Analysten ihre Prognose um jeweils 10 Prozent nach oben revidiert. Im selben Zeitraum hat Aktie A am Kapitalmarkt eine Rendite von 15 Prozent erzielt, Aktie B lediglich 5 Prozent. Bei einem linearen Zusammenhang (wie unterstellt) erwartet die Analystenseite für beide Aktien eine Kurssteigerung auf jeweils 110 Prozent des ursprünglichen Werts. Tatsächlich ist der Kurs für Aktie A jedoch bereits auf 115 Prozent gestiegen, für Aktie B dagegen erst auf 105 Prozent des Ausgangsniveaus. Demzufolge hat Aktie A bereits mehr als die prognostizierte Kurssteigerung erzielt und wird von Q als überbewertet eingestuft. Aktie B dagegen hat noch Aufholbedarf gegenüber der Prognose und gilt entsprechend als unterbewertet. Ein Händler, der auf Basis des Fehlbewertungsmaßes Q handelt, würde daher Aktie A (leer-)verkaufen und in Aktie B investieren. Datensatz Die Effektivität von Q sowie der Erfolg Q- basierter Investmentstrategien wird im Folgenden im hochliquiden Segment des US-amerikanischen Aktienmarkts (auf Basis des S&P-100 Index) untersucht. Die hohe Liquidität im gewählten Segment gewährleistet die problemlose Durchführbarkeit aktiver Handelsstrategien und stellt zudem ein verhältnismäßig niedriges Handelskostenniveau sicher. Die Betrachtungsperiode umfasst mehr als 35 Jahre; innerhalb dieses Zeitraums waren insgesamt 278 Unternehmen für mindestens einen Monat im Index gelistet. Die zentralen Variablen des Datensatzes sind monatliche Aktienrenditen und monatliche Prognoserevisionen der Analysten. Bereinigungen erfolgten aufgrund von Aktiensplits oder Kapitalerhöhungen sowie zur Abgrenzung zwischen dividendenlosen und Dividenden ausschüttenden Unternehmen. Auf Analystenseite werden Konsensprognosen des EPS verwendet, welche einen Durchschnitt der Einzelprognosen aller beteiligten Analysten beschreiben. 1 Zur Interpretation des Fehlbewertungsmaßes Q Aktie A Portfoliobildung und Investmentstrategien Die Indexzusammensetzung wird auf monatlicher Basis angepasst und enthält die jeweils aktuellen S&P-100-Indexmitglieder. In jedem Monat wird für alle Aktien das Ausmaß der Fehlbewertung basierend auf Q bestimmt und das Aktienuniversum absteigend nach Q sortiert. So stehen zu jedem Stichtag jene Aktien an oberster Stelle, die Analysten als am stärksten unterbewertet einstufen. In der weiteren Analyse wird ein Quintilportfolio-Ansatz verwendet: Das geordnete Anlageuniversum wird auf fünf gleichgewichtete Portfolios aufgeteilt, in absteigender Reihenfolge bezeichnet von High20- über Mid20- bis Low20-Portfolio. Sie werden über einen Einmonatszeitraum gehalten und ihre Zusammensetzung monatlich am Tag neuer Konsensprognosen angepasst. Basierend auf den fünf Quintilportfolios werden im Rahmen der weiteren Untersuchung außerdem zwei selbstfinanzierende Handelsstrategien konstruiert, die óó das High20-Portfolio kaufen und gleichzeitig das Low20-Portfolio leerverkaufen (High20-Low20-Strategie) oder óó das High20-Portfolio und das Mid- High20-Portfolio kaufen und gleichzeitig das Low20-Portfolio und das MidLow20-Portfolio verkaufen (High40-Low40-Strategie). Aktie B Prognoserevision +10 Prozent +10 Prozent Aktienrendite +15 Prozent +5 Prozent Q 110 Prozent / 115 Prozent = 0,957 110 Prozent / 105 Prozent = 1,048 Handelsentscheidung Verkauf, da überbewertet (Q < 1) Kauf, da unterbewertet (Q > 1) 2 Quintilportfolios 2000 % 1600 % 1200 % 800 % 400 % High20 Markt Low20 0 % 1978 2002 09.2016 diebank 13

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