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die bank 09 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT

ó FINANZMARKT diebank: Sie gelten als einer der Pioniere des Ratings in Deutschland. Wie bewerten Sie die Entwicklung in den vergangenen 15 Jahren sowie die Chancen und Herausforderungen für Moody’s in absehbarer Zukunft? Schmidt-Bürgel: Deutschland ist Europas größte Volkswirtschaft und ein wichtiges Finanzdrehkreuz in der Region. Es verfügt über einen in allen Segmenten – Industrie, Finanzinstitute, Pfandbriefe und strukturierte Finanzierungen – hochentwickelten Kapitalmarkt, und es ist aktuell Europas größter High-Yield-Markt nach Schuldtitelemissionen. Für die Zukunft rechnen wir mit einem stärkeren Engagement auch vonseiten regionaler und kommunaler Gebietskörperschaften sowie vermehrten Transaktionen im Rahmen von Infrastruktur- und Projektfinanzierungen. Das sind fantastische Rahmenbedingungen, und Moody’s fühlt sich diesem Markt in hohem Maße verpflichtet. Wir waren die erste Ratingagentur in Deutschland und feiern in diesem Jahr unser 25-jähriges Bestehen in Frankfurt, wo wir über 110 hochqualifizierte Mitarbeiter beschäftigen, die sämtliche Marktsegmente abdecken. Ich sehe natürlich auch, dass es neue Wettbewerber in der Branche gibt. Aber wir sind sehr gut positioniert, um uns diesem Wettbewerb zu stellen. Wirtschaftszweigen geben. Moody’s behält sich das Recht vor, unbeauftragte Ratings zu erteilen, etwa wenn wir der Meinung sind, dass unsere Einschätzung für die Marktteilnehmer einen Informationsmehrwert bietet oder wenn es sich um Schuldtitel oder schuldtitelartige Verbindlichkeiten in einer beträchtlichen Größenordnung handelt. Unbeauftragte Ratings können auch sinnvoll sein, wenn es sich um ein neuartiges Wertpapier handelt, wenn der Emittent am Markt debütiert oder wenn das Rating für andere Analysen, die wir dem Markt zur Verfügung stellen, analytisch relevant ist. Selbstverständlich müssen unbeauftragte Ratings dieselbe hohe Qualität aufweisen wie alle übrigen Ratings, und genau hierauf hat die EBA geschaut. Neben anderen Einflussfaktoren würden wir ein unbeauftragtes Rating nur erteilen, wenn wir zu der Feststellung gelangen, dass ausreichende Informationen vorliegen, die es uns ermöglichen, ein Rating zu erstellen und längerfristig zu unterhalten. diebank: Was sind hierfür die Erfolgsfaktoren? Schmidt-Bürgel: Aktuelle und hochwertige Einschätzungen, eine breite Marktabdeckung sowie erstklassige Servicequalität. diebank: Hat die EU-Regulierung den Ratingagenturen ein zu enges Korsett umgebunden, das wenige Bewegungsmöglichkeiten bietet? Schmidt-Bürgel: Die EU-Regulierung erkennt die Bedeutung von Unabhängigkeit an, und es ist sogar eines ihrer erklärten Ziele, die Unabhängigkeit zu fördern. In den meisten Ländern mit wichtigen Finanzmärkten gibt es ein aufsichtsrechtliches Rahmenwerk für Ratingagenturen. In der EU hat die Ratinggesetzgebung ganz allgemein zum Ziel, die Ratingqualität zu steigern, die Transparenz zu erhöhen, die Unabhängigkeit der Ratingagenturen und die Handhabung von Interessenkonflikten zu stärken sowie sicherzustellen, dass es solide Kontrollmechanismen und eine Rechenschaftspflicht gibt. Die Regulierung hat die Messlatte für alle Ratingagenturen in einer Vielzahl von Bereichen höher gelegt und viele unserer eigenen Initiativen zur Wahrung solider Abläufe und aufschlussreicher Analysen ergänzt. diebank: Die europäische Bankenaufsicht EBA lässt künftig auch nicht-mandatierte Ratings von mehr als 20 ECAIs zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen in Banken zu. Eigentlich hatte sich Moody‘s aus diesem Segment weitgehend zurückgezogen. Erleben die Unsolicited Ratings nun ihr großes Comeback? Schmidt-Bürgel: Es mag sehr gute analytische Gründe für die Erteilung unbeauftragter Ratings zu bestimmten Emittenten oder diebank: Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) wollte ursprünglich den Einfluss externer Ratings bei der Messung von Kreditrisikopositionen zurückdrängen. Nach dem überarbeiteten Kreditrisiko-Standardansatz (üKSA) sollen externe Ratings nun doch wieder Verwendung finden, allerdings in einer „nicht mechanischen Weise“. Erhöht sich der Einfluss der Bankenaufseher auf das Ratinggeschäft? Schmidt-Bürgel: Moody’s spricht sich seit langem schon für eine Reduzierung der mechanistischen Verwendung von Ratings in der Regulierung aus. In den letzten Jahren haben die Aufsichtsbehörden die Investoren dazu ermuntert, sicherzustellen, dass sie über eigene Ressourcen und Verfahren zur Beurteilung von Kreditrisiken verfügen. Die neuen Baseler Eigenkapitalrichtlinien sind nur 10 diebank 09.2016

FINANZMARKT ó ein Beispiel für diese größere Flexibilität bei der Verwendung von Ratings. Dies geht in die richtige Richtung. Ich freue mich, dass Ratings weiterhin stark nachgefragt werden. Aber sie sollten nur als eines von vielen Werkzeugen im Werkzeugkasten und nicht als die alleinige Lösung angesehen werden. Funktionierende Kapitalmärkte florieren in einem Umfeld, das Meinungsvielfalt zu Kreditrisiken fördert und nicht nur nach einer allgemeingültigen Antwort sucht. diebank: Welche Fortentwicklungen des US Credit Rating Agency Reform Act von 2006 sind in Richtung auf Konvergenz der Regulierungen zu erwarten bzw. aus Ihrer Sicht erstrebenswert? Schmidt-Bürgel: Ich begrüße die aufsichtsrechtlichen Reformen, da sie „Best Practices“ fördern und das Vertrauen in die Branche stärken. In allen Ländern, in denen wir tätig sind – nicht nur in den USA – haben wir es seit vielen Jahren mit intensiver Regulierung zu tun. Eine Folge hiervon ist, dass Ratingaktivitäten mittlerweile überall auf der Welt der Regulierung unterliegen, darunter auch der US-Börsenaufsicht SEC und der ESMA in Europa. Die meisten Dodd-Frank-Regelungen zur Novellierung des Gesetzes von 2006 sind erst vor rund einem Jahr in Kraft getreten. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die Auswirkungen dieser Regelungen sowohl in den USA als auch in der EU und andernorts beurteilt werden können, bevor wieder neue Regelungen eingeführt werden. Das aufsichtsrechtliche Rahmenwerk, dem wir weltweit unterliegen, basiert auf dem IOSCO-Verhaltenskodex – einem nützlichen Mechanismus, um sich auf regulatorische Grundprinzipien zu einigen, und wir würden es begrüßen, wenn künftige Vorstöße zur Einführung zusätzlicher Regelungen auch in diesem Rahmen diskutiert werden würden. diebank: Für die Führung der Ratingagenturen präferiert die ESMA das aus den USA bekannte System des „Unitary Board“, der neben den exekutiven Direktoren auch die INEDs (Independent Non- Executive Directors) umfasst. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie für den Fall der Ratingagentur in der Trennung von Aufsichtsrat und Vorstand bei der AG bzw. Beirat und Geschäftsführung bei der GmbH? Schmidt-Bürgel: Das EU-Recht schreibt eine bestimmte Vorgehensweise bei der Führung und Kontrolle von Ratingagenturen in der EU vor, über deren Einhaltung die ESMA wacht. Die Kombination aus EU-Recht und nationaler Gesetzgebung führt dazu, dass Moody’s in unterschiedlichen EU-Staaten unterschiedliche Leitungs- und Kontrollstrukturen aufweist. Ich glaube nicht, dass eine bestimmte Struktur besser ist als die andere, oder dass die ESMA eine Struktur bevorzugt. Die Unterschiede ergeben sich aus den nationalen gesetzlichen Anforderungen. Eine Konsequenz der Regulierung ist zweifelsfrei, dass der organisatorische und administrative Aufwand steigt. Der Apparat zur Bewältigung regulatorischer Angelegenheiten ist stark gewachsen. Stefan Hirschmann und Oliver Everling trafen Kerstin Völkel, Pressesprecherin von Moody’s, und Jens Schmidt-Bürgel in Frankfurt (v.l.n.r.). Fotos: Bernd Schaller diebank: Herr Schmidt-Bürgel, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. 09.2016 diebank 11

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