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die bank 08 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT Silodenken in Banken erfolgreich überwinden PROZESSMANAGEMENT Viele Programme und Methoden (z. B. Lean Management und Six Sigma) wurden bereits durchgeführt, um Banken schlanker und wettbewerbsfähiger zu machen. Um jedoch langfristig das klassische Silodenken in den Organisationen überwinden zu können, müssen Mitarbeiter lernen, prozessorientiert zu denken und zu handeln. Die Autoren haben den Langzeiterfolg einer Trainingsmethode getestet, die Mitarbeitern prozessorientiertes Denken und Handeln mithilfe eines professionellen Rollenspiels beibringen soll. Michael Leyer | Ann-Kathrin Hirzel Keywords: Prozessorientiertes Denken, Rollenspiel, Unternehmensführung, Organisation Unternehmen, die ein prozessorientiertes Unternehmensdesign haben, gelten als wettbewerbsfähiger. Durch den Fokus auf Prozesse sind diese Organisationen kundenorientierter, weisen geringere Kosten und eine höhere Ergebnisqualität auf. Die Vorteile einer Prozessorganisation können jedoch nur realisiert werden, wenn die einzelnen Mitarbeiter des Unternehmens sich auch in ihrem Arbeitsalltag prozessorientiert verhalten. Im Vergleich zu einer Funktionsorientierung – auch Silodenken genannt – zeichnet sich prozessorientiertes Arbeiten durch eine starke Kundenorientierung aus. Zudem arbeiten die Mitarbeiter als Team auch über die Abteilungsgrenzen hinweg zusammen. Allerdings ist dafür ein anderes Verständnis der Aufgabenerledigung bei Mitarbeitern nötig, da diese nicht losgelöst vom Ergebnis oder anderen beteiligten Kollegen erledigt werden sollen. So arbeiten Angestellte in der Kreditsachbearbeitung beispielsweise gemäß Silodenken Aufträge nach vorgegebenen Schemata ab, ohne den Kontext der Kundenbeziehung weiter zu beachten. Aufträge kommen im Posteingang des Workflowsystems an, werden bearbeitet und dann per Klick weitergegeben. Im Gegensatz dazu wird bei einer prozessorientierten Herangehensweise der Gesamtprozess im Auge behalten, eventuelle Abstimmungen mit Kollegen, z. B. im Markt, können unkompliziert vorgenommen werden. Dimensionen der Prozessorientierung Prozesse beschreiben die Abfolge aller Aktivitäten, die Ressourcen abteilungsübergreifend in einer Organisation kombinieren, um Produkte und Services zu produzieren. Prozessorientierung ist ein normatives Ideal, das die Organisation und Bearbeitung von Aufgaben entlang der wertschöpfenden Prozesskette beschreibt. Im Gegensatz zu einer Funktionsorganisation, die sich verstärkt auf die einzelnen Funktionssilos fokussiert, ist eine Prozessorganisation vertikal entlang der End-to-End-Prozesse ausgerichtet. Für ein prozessorientiertes Verhalten sollten Mitarbeiter neben der Tätigkeit in ihrem eigenen Arbeitsbereich den gesamten End-to-End-Prozess kennen und sich mit ihren Kollegen entlang des gesamten Prozesses koordinieren. Um eine solche Prozessorientierung zu entwickeln und sie in die tägliche Arbeitsroutine umzusetzen, brauchen Mitarbeiter das nötige Wissen (bzgl. der Aufgaben und deren Einbettung im Prozess), die Fähigkeiten sowie den Willen (intrinsische und extrinsische Motivation), die eigene Arbeitsweise anzupassen. Das Verhalten von Mitarbeitern im Sinn einer Prozessorientierung kann mit vier Dimensionen erfasst werden: ó Prozesswissen: Um ein Unternehmen entlang der vertikal verlaufenden Prozesse zu managen, ist es nötig, dass die einzelnen Mitarbeiter den gesamten Prozess jenseits ihres eigenen Arbeitsbereichs kennen und verstehen. Ohne dieses Wissen ist es schwer für Mitarbeiter, Veränderungen im Prozess nachzuvollziehen oder Verbesserungspotenzial zu identifizieren. ó Prozessbewusstsein: Das Bewusstsein der Mitarbeiter für Kundenbedürfnisse und betriebliche Schlüsselkennzahlen ist ein weiterer Faktor der Prozessorientierung. Die Mitarbeiter sollten sich des Zusammenhangs zwischen ihren Aktivitäten im Unternehmen und dem Nutzen für den Kunden bewusst sein. óAbteilungsübergreifende Abstimmung: Aufgaben sollten in Absprache mit den Kollegen bearbeitet werden. Die abteilungsübergreifende Abstimmung ist dabei besonders für die Prozessorientierung wichtig. Es fördert die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern und 54 diebank 08.2016

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó die Vernetzung zwischen den Abteilungen im Unternehmen. ó Kontinuierliche Verbesserung: Permanente Verbesserung bestehender Prozesse spielt auf einer individuellen Mitarbeiter-Ebene und auf einer kollektiven Team-Ebene eine wichtige Rolle. Es ist essenziell, dass einzelne Mitarbeiter ihre tägliche Arbeit sowie als Team den gesamten Prozess reflektieren, um Verbesserungspotenzial zu identifizieren und anzusprechen. Rollenspiele als Trainingsmethode zur Mitarbeiterschulung Um bestehende Routinen von Menschen zu ändern, existiert eine Vielzahl von Schulungsformaten, wie z. B. Klassenraum-Schulungen oder Arbeitsplatztrainings. Als besonders effektiv gelten jedoch Trainingsmethoden zum experimentellen Lernen („Learning-by-Doing“). 1 Eine erfolgsversprechende experimentelle Trainingsmethode ist das professionelle Rollenspiel. Ein Rollenspiel kann als ein interaktiver Prozess beschrieben werden, in dem die Teilnehmer bestimmte Aufgaben oder Charakteristika einer Rolle annehmen. Durch das interaktive Training führen Rollenspiele zu einer höheren Motivation und einem besseren Lernerfolg bei den Teilnehmern im Vergleich zu klassischen Schulungsformaten. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass der Einsatz von Rollenspielen zu langfristigen Verhaltensänderungen führt. 2 In der Literatur werden hauptsächlich zwei Arten von Rollenspielen unterschieden. Die Teilnehmer spielen sich entweder selbst in einer für sie ungewohnten Umgebung, die durch das Rollenspiel kreiert wird (z. B. Mitarbeiter der Kreditbearbeitung müssen in einer anderen Abteilung arbeiten). Oder die Teilnehmer nehmen in ihrer gewohnten Umgebung eine fremde Rolle an. Die erste Art von Rollenspielen wird besonders häufig verwendet, wenn es um die Veränderung des Verhaltens von Teilnehmern geht. Die Möglichkeit, durch ein Rollenspiel Teilnehmer physisch, mental und emotional anzusprechen, führt zu einer besonders intensiven Lernerfahrung. 3 Fallstudie des Rollenspiels KreditSim In einer Fallstudie haben die Autoren untersucht, ob ein Rollenspiel, das als Schulungsinstrument zum Erlernen von prozessorientiertem Denken entwickelt wurde, auch langanhaltende Verhaltensveränderungen bei Mitarbeitern einer Bank nach sich zieht. Verwendet wurde dazu das Rollenspiel „KreditSim“, das 2007 vom ProcessLab an der Frankfurt School of Finance & Management als Schulungsmethode für Mitarbeiter in der Finanzbranche entwickelt wurde. Darin wird der End-to-End-Prozess der Kreditbearbeitung einer fiktiven „Kreditbank GmbH“ nachgestellt. Die Teilnehmer werden in die Rolle von Kreditsachbearbeitern versetzt. Jeder Teilnehmer erhält eine Stellenbeschreibung zu einer im Prozess vorgesehenen Rolle, und muss dieser strikt folgen, ohne sich mit seinen Kollegen auszutauschen. Eine Schulung kann mit einer Gruppe von zwölf bis 18 Teilnehmern durchgeführt werden. Grundsätzlich lässt sich „KreditSim“ in drei Phasen unterteilen. Die erste Phase ist die Durchführung des vorgegebenen Kreditprozesses (Ist-Situation). Der Ausgangsprozess ist so konzipiert, dass eine Vielzahl von Fehlern entsteht und die Durchlaufzeit entsprechend den Vorgaben zu hoch ist. In der zweiten Phase können die Teilnehmer eigenständig den Prozess aufgrund ihrer Erfahrungen verbessern. Durch eine offene Diskussion zwischen den Teilnehmern nach der ersten Phase wird schnell deutlich, dass jeder Sachbearbeiter jeweils nur einen kleinen Teil der Prozesskette abdeckt und punktuelle Optimierungen in Einzelfunktionen weitestgehend wirkungslos sind. In der zweiten Phase entwickeln die Teilnehmer einen verbesserten End-to-End Kreditprozess. In der dritten und letzten Phase simulieren die Teilnehmer dann den neuen Prozess. Der Abgleich von Fehleranzahl, Durchlaufzeit und Qualität zwischen dem ursprünglichen und dem verbesserten Prozess macht die Wirksamkeit einer prozessorientierten Denkweise deutlich. Für die Fallstudie wurde das Spiel in einem Zeitraum von zwei Jahren in einer mittelgroßen Bank mit 500 Mitarbeitern eingesetzt. Insgesamt wurden 153 Mitarbeiter in mehreren Trainings geschult. Das prozessorientierte Verhalten wurde anhand der vier Dimensionen mit einem Fragebogen zu drei Zeitpunkten gemessen: vor der Schulung als Nullpunktmessung, vier Monate danach sowie zwei Jahre nach der Schulung. Zu diesem Zeitpunkt wurden dann auch Mitarbeiter befragt, die keine Schulung erhalten haben, um eine Kontrollgruppe zu erhalten. Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen einen statistisch signifikanten Trainingseffekt auf das prozess orientierte Verhalten der Mitarbeiter im Hinblick auf deren abteilungsübergreifende Abstimmung (Anstieg von 15,6 Prozent nach vier Monaten), ihr Prozesswissen (8,2 Prozent) und der Beteiligung bei der kontinuierlichen Verbesserung (4,3 Prozent) ” 1. Die Schulung hatte jedoch keinen signifikanten Effekt auf das Prozessbewusstsein der Teilnehmer. Eine mögliche Erklärung für dieses Ergebnis ist, dass die Dimension des Prozessbewusstseins einen starken Kundenfokus voraussetzt. Eine so ausgeprägte Kundenorientierung lässt sich schwer in einer halbtägigen Schulung erreichen. Hierfür sollten zusätzliche Schulungen oder Workshops angeboten werden (z. B. Kundengruppenworkshops). Zwei Jahre, nachdem die ersten Mitarbeiter mit dem Rollenspiel geschult wurden, haben wir die letzte Befragung durchgeführt. Die statistische Auswertung zeigt, dass sich das prozessorientierte Verhalten der geschulten Mitarbeiter – das man vier Monate nach der Schulung bereits beobachten konnte – nicht mehr verändert 08.2016 diebank 55

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