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die bank 08 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BERUF & KARRIERE All

ó BERUF & KARRIERE All diese Faktoren sind insbesondere dort präsent, wo Erfolg finanziell belohnt wird und wo regelmäßig heikle Entscheidungen getroffen werden müssen, zum Beispiel in Handelsabteilungen von Banken. Die Hypothese, dass diese Faktoren einen Einfluss auf die Entscheidungen der verantwortlichen Teams und Einzelpersonen haben, ist hoch plausibel. Kurz: Risiken ergeben sich aus einer Kombination der persönlichen Neigung zum Risiko und einem riskantes Verhalten fördernden Kontext. Wann neigen Menschen dazu, Regeln zu verletzen oder gar kriminell zu handeln? Forensiker argumentieren, dass der Erhalt von Anerkennung und die Vermeidung von Tadel die wichtigsten Motivationen für extremes und nicht-konformes Verhalten in einem sozialen System sind. Daher nennen sie das Gehirn auch das „soziale Organ“. Zugleich spielen Metakompetenzen eine entscheidende Rolle beim Risikoverhalten. Sie ermöglichen es jedem Menschen, sein Verhalten unter Stress und in riskanten Situationen anzupassen. Zu den sogenannten „exekutiven Metakompetenzen“ gehören Impulskontrolle, Flexibilität, Umstellungsfähigkeit, Frustrationstoleranz und Problemlösungsorientierung. Während das limbische System des Gehirns ständig eine unmittelbare Beurteilung der Situation vornimmt, ist der Frontallappen für die bewusste Ausrichtung der Wahrnehmung und das logische Denken verantwortlich. Die Integrationsprozesse zwischen den beiden Teilen des Gehirns ermöglichen es, dass wir unser Verhalten variieren bzw. der jeweils individuellen Situation anpassen. Je besser die Metakompetenzen ausgebildet sind, desto ausgeprägter ist unsere Fähigkeit, flexibel und sinnvoll auf Herausforderungen zu reagieren. Metakompetenzen werden erlernt, aber sie lassen sich nicht unterrichten. Sie bilden sich auf Basis von Erfahrungen, die wir in emotional geprägten Beziehungen machen. In der Gesellschaft sind sie normal verteilt, das heißt, der Großteil weist eine durchschnittliche, ausgewogene Manifestation auf. 1 Die Menschen an den Rändern dieser Verteilung haben wenig ausgeprägte Metakompetenzen. Ihr Verhalten ist wechselhaft und wirkt extrem. Sie handeln in einem Entweder-Oder-Muster. Für diese Menschen geht es immer um alles oder nichts, um Sieg oder Niederlage, Zugehörigkeit oder Ausschluss aus einer Gemeinschaft, Anerkennung oder Verteufelung. Stabile und sichere Beziehungen in der frühen Kindheit sind sehr wichtig, um ein variables Muster in der neuronalen Integration im Erwachsenenalter auszubilden. Viele Studien weisen darauf hin, dass Menschen, die keine sicheren und stabilen Beziehungen in den ersten Jahren erlebt haben, im Erwachsenenalter signifikant mehr Probleme, Unfälle, Beziehungsabbrüche und Krankheitssymptome haben, als Menschen mit sicheren und stabilen Beziehungen. Entsprechend können extrem assimilierte, einfühlsame oder sensible Mitarbeiter, deren extreme Eigenschaften lange Zeit unentdeckt bleiben, ein Risiko darstellen. Gerade diese Mitarbeiter sind anfangs extrem loyal, übertrieben regelkonform und hoch engagiert mit dem Unternehmen und seinen Zielen identifiziert. Erstellung eines Risikoprofils (Profiling) Metakompetenzen treten in Aktionen und Interaktionen der Menschen zu Tage. Diese sind jedoch nicht immer in üblichen sozialen Situationen offensichtlich. Manche Menschen verfügen über eine besonders charmante und ablenkende Form der Kommunikation, sodass deren potenzielle Risiken nicht auffällig werden. Das in der Forschung nachgewiesene und ausführlich beschriebene „soziale Erwünschtheitsverhalten“ ist ein wesentlicher Nachteil von interviewbasierten Einschätzungen von Mitarbeitern gegenüber einem handlungsorientierten Profiling, um menschliche Handlungsmuster und Risiken aufzudecken. Die im Folgenden vorgestellte Profiling-Methode wurde ursprünglich entwickelt, um menschliche Frontalhirnfunktionen zu bestimmen (Frontalhirn-Funktionstest, FFT). Die Fähigkeiten, die diesem Hirnareal entspringen, können uns zu umsichtigen, verantwortungsvollen, regeltreuen und empathischen Menschen machen. In der Neurobiologie spricht man von der übergeordneten Kommando- und Steuerungszentrale im Gehirn. Über das Profiling wird abgeschätzt, wie riskant, rigide und fehlerhaft jemand handelt. Bei der Validierung dieses Tools hat die Gefährlichkeitseinschätzung von psychisch kranken Straftätern eine besondere Rolle gespielt. Je nachdem, wie der Beklagte seine Problemlösungskompetenz in dem Profiltest anwendet, kann der Gutachter die Neigung des Befragten zu seinem kriminellen Verhalten ableiten. Übertragen auf einen beruflichen Kontext lässt die in einem Profiltest gezeigte Problemlösungskompetenz auch Schlüsse über eine Tendenz zu problematischem Risikoverhalten zu. Der Test ist so aufgebaut, dass eine Manipulation des Ergebnisses nur schwer möglich ist. Man kann sich im Test zwar schlechter darstellen, aber die Ergebnisse können nicht bewusst verbessert werden. Das Profiling wird möglichst ungestört in einer virtuellen Arbeitsumgebung durchgeführt. Die Ergebnisse beruhen auf der Beurteilung von objektiv definierten Leistungsindikatoren. Jeder Teilnehmer bearbeitet maximal 89 Aufgaben innerhalb von 30 Minuten. Der gesamte Prozess erfordert wiederholt neue Strategien und Antworten (Adaption), ohne dass sich die Lösungswege der einzelnen Aufgaben wiederholen (Musterbruch). Während des Tests wird der Teilnehmer aufgefordert, einen optimalen Weg durch eine virtuelle labyrinthartige Matrix mit Hilfe von Mausklicks zu finden ” 2. Die individuellen Handlungsmuster zeigen, auf welche Aspekte der anfangs dargestellten Spielanleitung der Teilnehmer besonderen Wert legt: Werden die gegebenen Regeln gelesen, verstanden und befolgt oder nicht? 66 diebank 8.2015

BERUF & KARRIERE ó Das Testdesign erlaubt sowohl eine geplante und gesteuerte Strategie als auch einen riskant-impulsiven Ansatz. Der Teilnehmer folgt intuitiv einem entweder qualitätsorientierten Ansatz mit einer minimalen Fehlerquote oder einem mengenorientierten Trial-and-Error-Ansatz. Da der Schwierigkeitsgrad ständig variiert, können die Aufgaben nicht mithilfe eines Routine-Musters fehlerfrei gelöst werden. Nach jeder Aufgabe wird dem Teilnehmer gezeigt, ob er sie richtig gelöst hat. Während des Tests wird eine Vielzahl von Indikatoren gemessen und aufgezeichnet. Die wichtigsten Indikatoren sind: Die Anzahl und die Reihe von gelösten Problemen (Richtig / Falsch / Total), Vorbereitungszeit, Ausführungszeit und Nachlaufzeit für richtige und falsche Lösungen. Auf der Grundlage der gemessenen Indikatoren können folgende Eigenschaften des Teilnehmers aufgezeigt werden: 1. Der Problemlösungsansatz des Teilnehmers (Planung, Entscheidung) 2. Die Geschwindigkeit der Fehlererkennung 3. Die Reaktion auf eigene Fehler Die Handlungsmuster der Teilnehmer lassen Rückschlüsse auf ihr Risikoverhalten zu. Beispielhaft beschreiben wir die Bandbreite von Lösungsstrategien anhand der beiden fiktiven Teilnehmer A (minimale Fehlerquote) und Teilnehmer B (maximale Anzahl an Versuchen). Teilnehmer A löst in 30 Minuten weniger als zehn Labyrinth- Aufgaben, er benötigt im Durchschnitt über zwei Minuten Vorbereitungszeit pro Aufgabe mit einer hohen Varianz in Abhängigkeit von der Komplexität des Labyrinths, löst die jeweilige Aufgabe dann aber üblicherweise innerhalb von zwanzig Sekunden. Zehn richtig gelösten Aufgaben steht nur ein Fehler gegenüber. Diese Spielstrategie zeigt eine große Zurückhaltung und Selbstbeherrschung von Teilnehmer A. Allerdings ist diese Lösungsstrategie für ein Umfeld, in dem schnelle Entscheidungen gefragt sind, zu zögerlich. Im Gegensatz dazu bewältigt Teilnehmer B alle 89 Labyrinth- Aufgaben innerhalb der vorgegebenen 30 Minuten. Seine Spielstrategie ist Trial-and-Error. Die Ausführungszeit pro Labyrinth liegt dabei ebenfalls bei durchschnittlich 20 Sekunden, jedoch benötigt Teilnehmer B praktisch keine Vorbereitungszeit. Mit dieser Strategie löst Teilnehmer B insgesamt 30 Labyrinth-Aufgaben richtig (und damit dreimal so viele wie Teilnehmer A), jedoch auch 59 falsch. In einem Umfeld mit niedriger Fehlertoleranz ist diese Lösungsstrategie zu riskant. Insgesamt besteht die detaillierte Profilauswertung aus einer Zusammenfassung der relevanten Metakompetenzen. Daraus kann abgeleitet werden, wie gut jeder Teilnehmer in den jeweiligen Kompetenzen ist: ó Denken und vorausschauend Handeln (strategische Kompetenz); ó Verstehen von komplexen Problemen (Problemlösung) – falls positiv, ist der Teilnehmer nicht auf eine riskante Trial- 2 Performanz-Indikatoren des Profilings Aktionsbasierte Profiling-Methodik Online-Spiel (30 Minuten) Sofortige Überwachung der Tätigkeit Auswertung und Feedback Bewertung der Fähigkeiten des Frontallappens (Integration von Emotion und Kognition) Ausführung Nachweis von sonst unsichtbaren Verhaltensmustern und Merkmalen Vorhersage der wahrscheinlichen Handlungen einer Person/eines Teams Spezifische Ableitung von Maßnahmen, Entwicklung von Einzelpersonen und Teams Zielprofil, angepasstes Team Weitere Bewertungskomponenten Fragebogen zur Selbsteinschätzung ≠ Tatsächliches Verhalten 8.2015 diebank 67

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