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die bank 07 // 2021

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT konzentrieren sich

MARKT konzentrieren sich die meisten Analysten in Deutschland nun vornehmlich auf DAX-Titel, da für diese das Interesse – und somit der Erlös – am größten ist. In der Konsequenz haben sich viele Institute aus dem Equity-Geschäft und damit auch dem Research für kleinere und mittlere Unternehmen ganz oder teilweise zurückgezogen. Dazu zählen unter anderem die Deutsche Bank, die Commerzbank und das Bankhaus Lampe, um nur einige bekannte Namen zu nennen. Bei der Begründung für den Ausstieg fand beispielsweise das Bankhaus Lampe deutliche Worte: Das Equity-Geschäft des Instituts sei in den vergangenen Jahren zunehmend unter Druck geraten. „Umfassende regulatorische Anforderungen, steigender Wettbewerbsdruck und eine hohe Zyklizität im Transaktionsgeschäft haben uns vermehrt vor Herausforderungen gestellt“, schrieb das Düsseldorfer Institut im Juni 2020 in einem Brief an seine KundInnen. Durch die Corona-Krise habe sich die Lage noch einmal verschärft, wodurch es „keine wirtschaftlich tragende Perspektive“ mehr gebe. Die Bereiche Equity Sales, Equity Sales Trading, Equity Capital Markets und Equity Research hat das Bankhaus somit zum Ende des Jahres 2020 aufgegeben. So ist M.M.Warburg & Co mittlerweile eines von wenigen Häusern am Markt, das sich auf Research für deutsche Small- und Mid-Cap-Aktien konzentriert. So angenehm dies für die Marktposition der Bank auch sein mag: In der Summe ist das für den Kapitalmarkt eine dramatische Entwicklung. Da die wenigen verbliebenen Institute nicht alle Unternehmen covern können, die gern Analystenbegleitung hätten, stehen viele Small und Mid Caps nun vollkommen allein da. Das ist fatal. Einige institutionelle Investoren können oder wollen laut ihren Vorgaben keine Investitionen in Aktien tätigen, die nicht von mindestens zwei Analysten begleitet werden. Denn nur so sind sie in der Lage, sich ein Grundverständnis von einem Unternehmen zu verschaffen, seine Entwicklung zu verfolgen und laufend mit anderen zu vergleichen. Zahlreiche kleinere und mittlere Unternehmen haben somit zunehmend Schwierigkeiten, sich über den Kapitalmarkt zu refinanzieren. Bezahltes Research ist der Ausweg Dabei liegt der Ausweg auf der Hand: Das Modell Corporate Brokerage wie in England. Warum also sind die Deutschen so zurückhaltend? Zum einen, wie bereits geschildert, weil Investoren und Unternehmen hierzulande jahrzehntelang an transaktionsbezogene Zahlungen gewöhnt waren und daher nicht bereit sind, extra Geld für Research in die Hand zu nehmen. Zum anderen haftet bezahltem Research der Ruf an, nicht unabhängig zu sein – immerhin laute, so der Vorwurf, die Empfehlung von Analysten verdächtig oft „kaufen“ oder „halten“. Und dennoch greift das Vorurteil zu kurz – selbstverständlich kann Unabhängigkeit auch im Rahmen von Issuer Paid Research gewährleistet werden. Sehen wir uns dazu einmal genauer an, was gutes Research überhaupt ausmacht: Für die Studie zur Initiierung der Coverage lässt sich ein guter Analyst niemals einfach so von einem Unternehmen etwas in den Block diktieren. Ganz im Gegenteil: Ehe eine Studie entsteht, sieht er sich das Unternehmen, über das er berichtet, ganz genau an. Dazu gibt es konstante Gespräche mit dem Vorstand, bei denen das Geschäftsmodell und die Wahrnehmung der Führungsetage sehr genau abgeklopft werden. Dazu kommen auch alle Zahlen auf den Tisch. Und es werden entscheidende Fragen geklärt: Wie sieht sich das Unternehmen in der Außendarstellung? Beispielsweise als Einzelhändler oder als Tech-Plattform? Da kann es dann auch passieren, dass der Analyst sagt: „Sie sind ein Handelsunternehmen, nicht Teil der Tech- Branche“. Analysten sind Experten Eins ist klar: Analysten müssen Experten in ihrem Sektor sein. Deshalb ist es auch entscheidend, dass ein Analyst immer nur für einen Sektor zuständig ist, und nicht aus Ressourcenmangel mehrere Branchen betreuen muss. Denn bei allen Unternehmen seines Sektors muss der betreuende Analyst permanent am Ball sein und über Updates, aktuelle Geschäftszahlen und Entwicklungen auf dem Laufenden sein. Ad hoc ist das in der benötigten Analysetiefe nicht zu leisten. Wer, wie Warburg Research, 200 Werte und mehr covered, muss somit viele erfahrene und gute Analysten in seinen Reihen haben – und die gibt es nun einmal nicht umsonst. Gutes Research muss dieses Geld wert sein. Und nicht zu vergessen: Die Studien, die Analysten verfassen, sind keine Gefälligkeitsgutachten, in denen das steht, was die Auftraggeber gerne lesen möchten. Jede Bank, die 28 07 // 2021

MARKT FAZIT Der Wegfall von hochwertigem Research für deutsche Small und Mid Caps ist nicht im Sinne des Marktes. Corporate Brokerage wäre ein Ausweg – aber dazu bräuchte es in deutschen Unternehmen einen Kulturwandel, der es erlaubt, dass mehr Vorstände Research als das sehen, was es ist: eine wichtige Dienstleistung, die ihr Geld wert ist. Dass es Handlungsbedarf gibt, hat auch der Gesetzgeber erkannt. Die Regelung zur Bezahlung von Analystenhäusern steht nun auf dem Prüfstand. Selbst wenn MIFID II zurückgedreht oder zumindest adaptiert wird und Research am Ende wieder mit den Handelsgebühren beglichen werden darf: Auf die stetige Qualität der Arbeit von Analysten müssen sich sowohl Investoren als auch Unternehmen verlassen können. an einer nachhaltigen Geschäftsbeziehung interessiert ist, ist darauf bedacht, den guten Ruf ihres Hauses mit ehrlichem Research zu schützen. Und wenn Unternehmen wie Analysten transparent in den Prozessen bleiben, ist sichergestellt, dass es keine Verquickung von Research mit anderen wirtschaftlichen Interessen gibt. Zwar gibt es zwischen Analysten und Unternehmen bei der Neuaufnahme der Coverage lange Abstimmungsschleifen, ehe die Initiierungsstudie das Licht der Öffentlichkeit erblickt – dieser Prozess zieht sich in der Regel über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten hin. Falls der Vorstand einzelne Passagen moniert oder Änderungen verlangt, gibt es noch einmal Rücksprachen: Wo liegt das Problem? Hat der Analyst vielleicht etwas falsch verstanden? In der Regel lassen sich Missverständnisse so ausräumen. Aber was, wenn der Analyst überzeugt ist, dass das, was er geschrieben hat, so stimmt? Ein gutes Haus wird dann an seiner Sichtweise festhalten oder die Studie nicht veröffentlichen – auch auf die Gefahr hin, dass der Kunde unzufrieden ist. Diese Fälle sind zwar sehr selten. Aber genau diese unabhängige Haltung sorgt für eine hohe Qualität des Researchs. Und das wissen die Auftraggeber in der Regel zu schätzen und quittieren dies mit langjährigen Beziehungen zu ihren Analysten. Wird Research dagegen nur transaktionsbezogen erstellt, sind die Häuser ständig auf der Suche nach einem neuen Unternehmen, nach einem neuen Deal. Beständigkeit und Vertrauen können somit nicht wachsen – und das wirkt sich auch auf die Qualität der Arbeit aus. Zumal bei auf Deals bezogenem Research stets die Gefahr besteht, dass die Coverage für ein bestimmtes Unternehmen der Bank heute noch attraktiv erscheint, nach Beendigung des Deals hingegen nicht mehr. Investoren brauchen aber, wie geschildert, für ihre Anlageentscheidungen kontinuierliche Analysen, mit deren Hilfe sie die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens einschätzen können. Research als Gratwanderung Ein guter Analystenbericht ist dabei immer auch eine Gratwanderung: Auf der einen Seite hat das Unternehmen, über das berichtet wird, ein Interesse daran, in der Studie möglichst gut dazustehen. Auf der anderen Seite befinden sich die Investoren, die nicht an schönen Geschichten interessiert sind, sondern die die Papiere von vielversprechenden Firmen zu möglichst niedrigen Preisen einkaufen wollen. Werden bei einem Börsengang beispielsweise die Bücher eröffnet, erhoffen sich Investoren eine möglichst niedrige erste Kursnotiz – das Unternehmen möchte hingegen möglichst teuer verkaufen. Ein guter Analyst wird hier in der Regel beide Pole vermeiden – und zwar nicht aus eigenem finanziellen Interesse, sondern weil er einen fairen Marktpreis ermitteln möchte. Und der ist schon seinem Wesen nach ein Gleichgewichtspreis. Theoretisch kann sich das Gleichgewicht auch einmal extrem in eine Richtung verschieben, praktisch wird das nur sehr selten nachhaltig geschehen. Autor Matthias Rode ist als Head of Equities bei der Privatbank M.M.Warburg & Co tätig. 07 // 2021 29

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