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die bank 07 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE

BERUF & KARRIERE KOMMUNIKATIONSKULTUR Wenn Gespräche glücken sollen In jedem Gespräch gibt es einen unsichtbaren Teilnehmer: die Gefühle. Die emotionale Gesprächsdynamik bestimmt die Entwicklung des Gesprächs und dessen Ausgang. Es ist ratsam, sich ihrer bewusst zu sein. Robert H. Frank, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Cornell University in Ithaca (New York), ist überzeugt, Erfolg basiert vorrangig auf den Lebensumständen, ist also dem Glück zu verdanken und viel häufiger als gedacht tatsächlich Glückssache. Diese Überzeugung vertritt er in seinem Buch „Ohne Glück kein Erfolg – Der Zufall und der Mythos der Leistungsgesellschaft“. Glück als nicht zu unterschätzendes Gewicht auf der Erfolgswaage beschäftigte auch den preußischen Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke. Allerdings kam Moltke zu einer etwas anderen Schlussfolgerung als Frank. In seinen taktisch-strategischen Aufsätzen von 1871 findet sich in voller Länge das berühmte Zitat, das heute verkürzt als „Glück hat nur der Tüchtige“ verwendet wird: „An der unwiderstehlichen Gewalt der Verhältnisse scheitert selbst der beste Mann, und von ihr wird ebenso oft der mittelmäßige getragen. Aber Glück hat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tüchtige.“ Die Umstände und der Zufall spielen beileibe keine Nebenrolle im Berufsleben. Die Erfahrung spricht da unbedingt für Frank. Doch die ganze Wahrheit ist das nicht. Allein auf diese volatile Paarung zu vertrauen, ist leichtfertig, Moltkes Hinweis auf die Tüchtigkeit macht es deutlich. Mangelt es an Tüchtigkeit – zu interpretieren als Zusammenspiel von Wissen, Können, Einsatz und Verhalten – wird das Glück doch bedenklich herausgefordert. Vielfach unterschätzt, beeinflusst insbesondere das Gewicht des Verhaltens als wesentlicher Bestandteil der Tüchtigkeit den Ausschlag der Erfolgswaage erheblich. Insofern ist berufliches Glück zu einem guten Teil Verhaltenssache. Nirgendwo tritt das augenfälliger zutage als im unmittelbaren Zusammentreffen von Menschen in Gesprächssituationen. Ob in Führung, Beratung, Verkauf oder Service: Sollen Gespräche glücken, entwickelt sich dieses Glück auf der Verhaltensschiene. Die Idee der vier Ohren Dissonanzen in der Sache? Unvereinbare Zielvorstellungen? Überzogene Zumutungen? Mit dem falschen Bein aufgestanden? All das kann dazu beitragen, dass ein Wortwechsel entgleist. Doch der wirkmächtigste Auslöser für missglückende Gespräche, daran lassen Kommunikationspsychologen keinen Zweifel, ist das Gesprächsverhalten, die Art, sich in einem Gespräch zu geben oder gar aufzuspielen. Dieses „Wie“ wird außerordentlich sensibel und differenziert registriert. Mit vier Ohren, wie der Hamburger Psychologieprofessor Friedemann Schulz von Thun sagt: Mit dem Sach-, dem Beziehungs-, dem Appell- und dem Selbstoffenbarungsohr. Kommunikation, so Schulz von Thun, bekommt seinen Aussagewert und darüber seine Verhaltenswirkung immer im Zusammenspiel von vier Botschaften: eben der Sach-, der Beziehungs-, der Appell- und der Selbstoffenbarungsbotschaft. Das Sachohr vernimmt und bewertet, worum es geht; das Beziehungsohr, was die andere Seite von mir hält und wie wir zueinander stehen; das Appellohr, wozu sie mich veranlassen möchte; und das Selbstoffenbarungsohr, was die oder der andere von sich selbst kundgibt. Doch das Sachohr ist nicht der bestimmende und tonangebende Herr im Haus der Gesprächsführung. Missfallen die parallel zur Sache direkten oder indirekten (unterschwelligen) Botschaften den anderen drei Ohren, schlagen sie Alarm und rebellieren. Dann kann zwar immer noch irgendwie eine Einigung in Bezug auf die Sache erzielt werden, nur ist sie weder wirklich überzeugend noch wirklich haltbar. Beides bestätigt der mit dem betrieblichen Alltagsgeschehen vertraute Ingolstädter Dienstleistungsforscher Bernd Stauss. Fehlentwicklungen in Gesprächen wie auch bei der Umsetzung einer erzielten Einigung seien in aller Regel stets mit auf diese Zusammenhänge und die daraus entstehenden Probleme zurückzuführen. Professor Stauss verweist als Beispiel auf Ergebnisse der Beschwerdeforschung. Sie zeigten, die Zufriedenheit eines Beschwerdeführers hängt keinesfalls nur von der angebotenen Lösung ab, sondern davon, wie die Beschwerde-Kommunikation ablaufe und wahrgenommen werde. Entwickle sich in deren Verlauf das Empfinden, nicht wirklich ernst genommen, respektlos behandelt oder in die Rolle eines Bittstellers oder gar Betrügers gedrängt zu werden, löse das starke negative Emotionen aus. Und die ließen sich auch nicht durch eine als angemessen bewertete Problemlösung kompensieren. Kommunikative Fehler in Beratung, Verkauf und Service, so Stauss, konterkarierten die betrieblichen Interessen. Stets sind es die durch das Gesprächsverhalten hervorgerufenen Emotionen, die über die Gesprächswirkung und -entwicklung sowie den anschließenden Gang der Dinge bestimmen. Die im Gespräch mitschwingenden Gefühle sind einerseits sozialer Kitt, der Gesprächsführende zueinander führen und sie im Wollen und Wirken auf einen Nenner bringen kann, andererseits aber auch sozialer Sprengstoff, der einvernehmliches Wollen und Wirken stark behindern bis komplett unmöglich machen kann. Sollen Gespräche glücken, setzt das Verständnis für die heikle emotionale Dynamik eines Gesprächs voraus sowie die Bereitschaft, ihr Rechnung zu tragen. Spielt beides zusammen, lassen sich Fehlentwicklungen oder gar Crashs im Gespräch und all seinen Folgewirkungen merklich verringern. 70 07 // 2018

BERUF & KARRIERE Emotionale Gesprächsdynamik Schulz von Thun zufolge spielen zwei Faktoren für die emotionale Gesprächsdynamik eine grundlegende Rolle: Die innere Haltung, mit der jemand in ein Gespräch hineingeht, und die Bereitschaft zuzuhören. Das eine wie das andere lässt sich auf die Frage zuspitzen: Lasse ich auch den anderen gelten oder nur mich? Diesbezüglich sind Beziehung- wie Selbstoffenbarungsohr und auch das Appellohr stets hellwach und immer bereit, auf Alarm zu schalten: Werde ich geachtet und respektiert oder von oben herab behandelt? Soll ich dirigiert oder gar manipuliert werden? Was diese Ohren „hören“, bestimmt die emotionale Gesprächsdynamik und baut die Kontaktbrücke – oder wirft einen Graben zum anderen auf. Im Gespräch nur sich selber zu sehen und gelten zu lassen und dieses Dominanzempfinden auch mehr oder weniger ungeschminkt auszudrücken, ist ein viel genutztes Mittel, andere „zu überzeugen“. Fraglos spielen Wissen, Können, Erfahrung und Status immer eine Rolle im Gespräch. Und ebenso natürlich ist der Versuch, auf dieser Schiene wie auch immer geartete Gefügigkeit zu erzielen, durchaus von auch von kurzzeitigem Erfolg gekrönt. Doch wer sich bewusst ist, wie das Gesagte auf der anderen Seite ankommt, verzichtet auf diese Art der Gesprächsführung. Sie deprimiert, verletzt und löst Wut aus. Diese emotionale Mischung wirkt nicht nur als Auslöser für alle nur denkbaren Widerspenstigkeiten auf der anderen Seite, diese Emotionen sind genau die Zutaten, die den Gedanken ins Leben rufen, miteinander noch eine Rechnung offen zu haben. Und diese offenen Rechnungen sind firmenintern wie im Kundenbezug Auslöser für alle nur denkbaren Querschüsse, Quertreibereien und genussvoll inszenierte Intrigen. Beeinflussen Selbsterhöhung und Selbstgefälligkeit die emotionale Gesprächsdynamik schon höchst negativ, lässt sich diese Wirkung durch ununterbrochenes Selberreden noch steigern. Dem eigenen Redefluss keine Zügel anzulegen, sich nicht zurückzunehmen, nicht den Drang zu beherrschen, der anderen Seite permanent ins Wort zu fallen, kurz: nicht zuzuhören, ist eine verbreitete Gepflogenheit, die die Signalwirkung des Zuhörens völlig außer Acht lässt. Zuhören signalisiert ja nicht nur Achtung und Interesse am Gegenüber, es drückt auch Verständnisbereitschaft aus. Ein glückendes Gespräch entwickelt sich immer aus Versuch und Bemühen, die An- und Absichten, die Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche der anderen Seite zumindest in ihren Umrissen zu erfassen. Weder ein akzeptabler Kompromiss noch eine tatsächliche Einigung lassen sich erzielen, mangelt es an dieser Grundlage – geschweige denn im Führungshandeln das bei der heutigen Veränderungsdynamik unverzichtbare Mitdenken und Mitüberlegen der Mitarbeiter zu gewinnen und es in der Volatilität und Unvorhersehbarkeit des Geschehens als stabilisierendes Element im Unternehmenshandeln zu nutzen. Autor Hartmut Volk, Diplom-Betriebswirt, bearbeitet seit 30 Jahren als freier Journalist an der Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft Themen aus dem Bereich der Unternehmensführung für Fachzeitschriften und Tageszeitungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 07 // 2018 71

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