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die bank 07 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG 1 |

DIGITALISIERUNG 1 | Kontinuum in der Monetarisierung einer Plattform Monetarisierung des Drittanbieters Monetarisierung des Kunden Traditionelles Geschäftsmodell z. B. Traditionelle Banken Gemischtes Geschäftsmodell z. B. BBVA, XING Reine Monetarisierung von Drittanbietern z. B. Google, Facebook bekommen und es nach erfolglosem Winken vom Gehsteig aus beim Fahrdienstleister Uber versucht, erfährt sehr anschaulich, wie dynamisches Pricing bzw. Surge Pricing funktioniert. Die Plattform reagiert in Millisekunden auf Nachfragespitzen und hat in die Preisfunktion eine deutliche Nachfragekomponente eingebaut. Zu Spitzenzeiten kann eine Fahrt deshalb deutlich mehr als das Doppelte kosten. Weitere prominente Beispiele digitaler Preismodelle sind u. a.: Z Auktion (die maximale Zahlungsbereitschaft wird vom Kunden selbst erfragt), Z neue Preismetrik (LinkedIn beispielsweise nutzt ein Preissystem mit einer Staffelung von Preisen je nach Senioritätsgrad, Klicks von Entscheidungsträgern auf Anzeigen sind besonders teuer), Z „Freemium“ (das Basisangebot ist gratis, Premium-Features hingegen kosten etwas). Gerade das „Freemium“-Preismodell hat sich, gut umgesetzt, in Consumer-Märkten als äußerst funktional zur Differenzierung des wahrgenommenem Werts (Value-to-Customer) und dessen Monetarisierung (Willingness-to-pay) erwiesen. Bausteine des Modells sind zwei diametrale Preisstrategien: Z Free: Der Konzern Alphabet (Google) hält seine Angebote für Endkunden gratis und verdient im B2B-Bereich mit der Zugkraft seines Suchmaschinen-Monopols Geld. Z Premium: Apple ist seit jeher ein Anbieter von Premiumprodukten mit entsprechenden Preisen und konnte in den vergangenen Jahrzehnten seine Innovationskraft entsprechend monetarisieren. Diese beiden Preisstrategien werden im „Freemium“-Preismodell kombiniert. Basisleistungen laden zur unverbindlichen und kostenfreien Nutzung ein. Im Rahmen der Nutzung werden dann Premium-Features angeboten und entsprechend bepreist. Ein im Bankenbereich umgesetztes „Freemium“-Beispiel ist die Online-Banking-Plattform „George“ der Erste Group. Das reguläre „George“- Abo ist kostenfrei, das „George Plus“ mit drei Zusatz-Plug-Ins und das „George Premium“ mit sechs Zusatz-Plug-Ins sind kostenpflichtig. Was das für Banken bedeutet Nehmen wir an, eine Bank hat sich dazu entschieden, ihre digitale Preisstrategie weiterzuentwickeln. In welcher Art und Weise soll die Schnittstelle zu Drittanbietern hin monetarisiert werden? Welches digitale Preismodell ist das richtige? Zentral ist, dass derjenige, der die Schnittstelle zum Kunden hin beherrscht, auch die Hoheit über das Geschäftsmodell hat. In der Anwendung der B2B-Geschäftsmodelle auf Banken kann grundsätzlich zwischen offenen und geschlossenen Formen des „Amazon-Modells“ sowie des „Facebook-Modells“ unterschieden werden: Z Beim „Amazon-Modell“, auch „Kooperationsmodell“, dient die Bank als Plattform für das Angebot von Leistungen Dritter. Dies kann entweder unter eigenem Markennamen oder mittels White- Label-Lösungen geschehen. Jedenfalls steht im Vordergrund, dem Endkunden ein möglichst breites Spektrum an Leistungen bzw. möglichst wertvolle Leistungen anzubieten, die die Bank nicht alle (kosteneffizient) selbst erstellen kann. Bei den „geschlosseneren“ Formen behält die Bank die volle Kontrolle darüber, welche Produkte von welchen Drittanbietern offeriert werden sollen. Ein Beispiel hierfür ist die Kooperation zwischen der Online-Vermögensverwaltung Scalable Capital und der ING-DiBa. Kunden können nur bei dem ausgewählten Anbieter anlegen. Bei den „offeneren“ Formen kann jeder Drittanbieter seine Produkte (unter der Auflage gewisser allgemeingültiger Bedingungen) über die Bankplattform vermarkten. Z Beim „Facebook-Modell“ oder „reinen Daten-/Schnittstellenverkaufsmodell“ kann der Drittanbieter die Kundendaten oder Schnittstellen für eigene Zwecke nutzen. Eine direkte gemeinsame Vermarktung oder ein Verkauf der Produkte findet nicht unbedingt statt. Ein Beispiel hierfür ist der „API-Market“ der spanischen BBVA. Drittanbieter können hier unter anderem APIs nutzen, die aggregierte und anonymisierte Statistiken zum Zahlungsverkehr zur Verfügung stellen, die Kundenidentifikation vereinfachen, sicherere Zahlungen auslösen, AliPay-Zahlungen ermöglichen und kundenspezifische Nutzerdaten (gegen Kundenzustimmung) zur Verfügung stellen. Das Modell ist also nicht rein auf den Datenverkauf beschränkt, sondern kann auch Zahlungsauslösedienste beinhalten, wie von PSD II vorgesehen. Das Preismodell ist im Grunde eine Anwendung des „Freemium“- Modells – es gibt zwei „Free“-Versionen und eine bepreiste „Premium“- Version. ÿ 2 56 07 // 2018

DIGITALISIERUNG 2 | Beispiel für API-Pricing nach dem "Freemium" Preismodell API-Zugriffsoptionen Sandbox Basic Full Zugriffe (begrenzte Anzahl) Dauer (max. 1 Monat) Testdaten – – Echtdaten Preis kostenfrei kostenfrei Vertrag Free Free Premium Quelle: BBVA. Die kostenfreie „Sandbox“-Version stellt dem Drittanbieter für unbegrenzte Zeit eine Schnittstelle mit Test-Daten zur Verfügung. Der Nutzer kann die Schnittstelle in die eigenen Systeme integrieren und testen, wie die Übertragung der Daten über die Schnittstelle tatsächlich funktioniert und in welcher Art die Daten ankommen. Damit kann der Drittanbieter seine bestehenden Systeme auf die neue Schnittstelle ausrichten. Die kostenfreie „Basic“-Version bietet dem Drittanbieter dann zwar echte Daten, jedoch limitiert auf einen Monat und für eine begrenzte Anzahl an Zugriffen. Diese „Free-for-now“-Version zielt darauf ab, dass der Drittanbieter den vollen Nutzen (Value-to-Customer) testen und erste Erfahrungen mit Endkundendaten bzw. Geschäften machen kann. „Echte“ Ergebnisse erhöhen die Zahlungsbereitschaft (Willingness-topay). Diesen Effekt nutzt die BBVA dann mit der „Full“-Version. Möchte der Drittanbieter weiterhin echte Daten zur Verfügung haben, so muss er diese kostenpflichtige Version kaufen und einen Vertrag eingehen. Checkliste: Ist Ihre Bank für digitales Pricing gerüstet? Bankmanager, die über digitale Preisstrategien nachdenken, sollten sich zehn Fragen stellen: 1. Wie sieht die Plattform-Strategie in Bezug auf Drittanbieter aus? Soll der Monetarisierungsfokus auf dem B2B-Geschäft oder auf dem B2C-Geschäft liegen? 2. Nach welchen Kriterien soll entschieden werden, welche Drittanbieter-Produkte zugelassen werden sollen und in welcher Form (offen oder geschlossen)? 3. Welche Daten müssen in welcher Form aus regulatorischen Gründen immer kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, welche können monetarisiert werden? 4. Welche (potenziellen) Zielgruppen sprechen wir mit der API- Schnittstelle an? 5. Welche Preismetrik (pro Monat / pro Zugriff / pro Endkunde etc.) reflektiert den Wert der Schnittstelle für den Drittanbieter am besten? 6. Nach welchen Kriterien werden (neu entstehende) App-Features nach „Free“ und „Premium“ kategorisiert? 7. Welchen Wert haben die App-Features für die verschiedenen Zielgruppen bzw. welche Zahlungsbereitschaft resultiert hieraus? Wie soll diese ermittelt werden (pragmatisch vs. Expertenmeinung vs. Conjoint-Analyse)? 8. Steht ein Abrechnungsmechanismus für werthaltige Features in der App zur Verfügung? 9. Wie können Daten monetarisiert werden, ohne die Vertrauensbasis zu den Endkunden zu gefährden? Wie kann dies DSGVO-konform umgesetzt werden? 10. Welche zentralen Aspekte der Preispsychologie werden berücksichtigt (z. B. Tendenz zur Mitte, Endowment-Effekt)? FAZIT Digitale Preismodelle sind keine Selbstläufer. Neben strategischen Aspekten sollten auch Aspekte der Zahlungsbereitschaft sowie der Preispsychologie berücksichtigt werden. Je mehr von den obigen Fragen im Detail beantworten werden können, desto eher wird es gelingen, den Datenschatz der Bank zu monetarisieren und PSD II über das erforderliche „Pflichtenheft“ hinaus als strategische Chance zu nutzen. Autoren Dr. Benjamin Wellstein ist Director bei Simon-Kucher & Partners in Bonn. Sonia Fischer-King ist Director bei Simon-Kucher & Partners in Wien. 07 // 2018 57

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