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die bank 07 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG MIFID II

REGULIERUNG MIFID II Unerwünschte Nebenwirkungen Die EU-Kommission versucht mit der Anfang 2018 in Kraft tretenden MiFID II-Richtlinie, den Anlegerschutz weiter zu perfektionieren. Ihr Leitmotiv dabei heißt Transparenz: Transparenz soll in Zukunft auch für das Angebot von Research-Leistungen gelten. Doch das wird nicht ohne Folgen für die Industrie bleiben. Werden bislang die Kosten für Research durch die Provisionen abgedeckt, die Fondsgesellschaften oder Vermögensverwalter an ihre Banken und Broker zahlen, so sollen in der neuen Welt die Gebühren für die Handelstransaktionen einerseits und jene für Analysen und Studien andererseits getrennt ausgewiesen und abgerechnet werden. Durch dieses sogenannte „Unbundling“ sollen Interessenkonflikte vermieden und Kosten gesenkt werden. Wenn Fondsgesellschaften über ihre Broker Wertpapiere kaufen oder verkaufen, wissen sie bislang nicht, welcher Teil ihrer Handelsgebühren auf die „Execution“ fällt und welcher Anteil für Zusatzleistungen wie Research, Roadshows usw. verwendet wird. Wir schätzen, dass es sich um ein Ein-Drittel-/ Zwei-Drittel-Verhältnis handelt, wobei bei einem wenig gehandelten Titel der Aufwand für die Ausführung größer ist als bei einem Auftrag auf eine liquide Aktie. Doch mit solchen Faustregeln ist den Ausweispflichten nach dem neuen Gesetz nicht Genüge getan, und so steht den Vermögensverwaltern erst einmal ein relativ hoher Verwaltungsaufwand bevor. Die Auswahl von bestimmten Analysten ist zu begründen, die Zahlungsabläufe sind zu dokumentieren, Controllingprozesse sind zu etablieren. Zusatzaufwand, der den Wettbewerb mit der ETF-Industrie weiter verschärfen wird, weil passive Produkte nun mal kein Research brauchen. Aufseiten der Banken zeichnet sich ab, dass die Reduzierung der Research-Kapazitäten weiter gehen wird. Die Banken haben schon in den vergangenen Jahren auf die allgemein zunehmende Regulierung und den damit merklich steigenden Aufwand im Research reagiert, indem sie ihr Aktienresearch in den letzten Jahren umstrukturiert und zumeist auch merklich verkleinert haben. Die britische Unternehmensberatung Frost Consulting schätzt, dass sich das Research-Budget von globalen Investmentbanken von 8,2 Mrd. US-$ im Jahr 2008 auf 4 Mrd. US-$ im Jahr 2016 halbiert hat. Nicht genug, dass der säkulare Trend der passiven Investments ohnehin zu einer sinkenden Nachfrage nach Marktanalyse führt – dank der von MiFID II ausgelösten Neuaufstellung der Abteilungen als Profit Center werden Kunden den Wertbeitrag der Analysten noch schärfer rechnen – und auch in vielen Fällen in Frage stellen. Der Prozess der Preisfindung beginnt, und er wird für die Zunft ähnlich schmerzhaft werden wie die Preisfindung für lange Zeit kostenlose Online-Dienste in der Medienbranche. Die Zahlungsbereitschaft für wenig differenzierende Analysen ist aufgrund der aktuell noch vorhandenen Überversorgung naturgemäß sehr gering. Vor ein paar Wochen machte eine Umfrage der Beratungsgesellschaft „Greenwich Associates“ unter Investmentgesellschaften die Runde, wonach Vermögensverwalter in Europa ihre Research Budgets in den nächsten Jahren um mehr als 100 Mio. € kürzen würden. Transformation mit unerwünschten Nebenwirkungen Dadurch könnte auf der Nachfrageseite eine Tendenz entstehen, mit nur noch wenigen etablierten globalen Playern zusammenzuarbeiten; kleinere Research-Häuser könnten unter 58 07 // 2017

REGULIERUNG Druck geraten. Für die Anbieter wird es damit immer wichtiger, sich mit klaren Alleinstellungsmerkmalen von der Konkurrenz abzuheben. Das können regionale Stärken sein oder die Spezialisierung auf bestimmte Branchen. Ohnehin zeichnet sich in Zeiten der Digitalisierung ab, dass der Mehrwert von Analysten weniger in der Vorhersage von Unternehmensergebnissen anhand von traditionellen Methoden liegt, sondern in der intelligenten Nutzung aller vorhandenen Daten zum Aufbau von Industrie-Know-how. Diese Transformation der Branche ist zunächst zu begrüßen, weil sie die Qualität der zur Verfügung gestellten Leistung verbessern wird. Dennoch: Es besteht die Befürchtung, dass dieser durch die MiFID II ausgelöste Prozess am Ende auch unerwünschte Nebenwirkungen zulasten des Anlegers entfalten könnte. Schon jetzt sehen wir, dass die Abdeckung von kleinen Firmen durch Analysten abnimmt. Wenn dieser Trend anhält, werden die kleinen Unternehmen dazu übergehen müssen, ihre Analysen selbst zu bezahlen. Hier ist aufgrund von Interessenkonflikten allerdings Vorsicht geboten. Auch die Meinungsvielfalt ist in Gefahr. Gerade Privatanleger wären ohne die Unterstützung durch fachkundige Analysten nicht in der Lage, fundierte Investmententscheidungen zu treffen. Das durch die extrem expansive Geldpolitik geprägte Niedrigzinsumfeld sorgt dafür, dass zumindest für den Privatanleger Investments am Anleihemarkt weitgehend uninteressant geworden sind. Chancen am Aktienmarkt zu erkennen und gegen die bestehenden Risiken abzuwägen, bleibt damit eine wichtige Aufgabe, die das Research für seine Kunden übernimmt. Wie sonst sollen sich Privatanleger eine Meinung bilden, wenn ihnen der Zugang zu Informationen aus erster Hand fehlt. Angesichts von Quartalsberichten mit vielen Hundert Seiten wird schnell klar, dass Research als Informationsinstanz und Unterstützung bei der Meinungsbildung unverzichtbar ist. Allein auf sich gestellte Anleger wären mit der Informationsflut heillos überfordert und hätten im Vergleich zu den institutionellen Investoren am Markt somit einen riesigen Informationsnachteil. Auch die Aufgabe, die politische und wirtschaftliche Entwicklung in den wichtigsten Ländern laufend zu verfolgen und einzuschätzen, was als Basis für jede Investmententscheidung dienen sollte, ist ohne ein Team von fachkundigen Ökonomen nicht zu bewältigen. FAZIT Volkswirtschaftlich gesehen, erhöht eine qualifizierte Diskussion und Meinungsbildung die Effizienz des Kapitalmarkts und hilft, die Allokation von Kapital zu steuern. Wichtig ist jedoch, dass die Unabhängigkeit der Research-Analysten in ihren jeweiligen Häusern unangetastet bleibt; eine im Rahmen der von der MiFID getriebenen Umorganisation erfolgende Zuordnung zu Sales-Abteilungen würde diese Unabhängigkeit gefährden. Nur wirklich unabhängiges Research liefert einen Beitrag zur „Demokratisierung“ des Kapitalmarkts. Autor: Stefan Bielmeier ist Vorstandsvorsitzender des DVFA e.V. 07 // 2017 59

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