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die bank 07 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BANKING Spezialfeld

ó BANKING Spezialfeld Beamten- Banken Unmittelbar nach der zweiten Ölkrise gründete Jörg Woltmann in Berlin die Allgemeine Beamtenbank Kreditkasse AG. Die unkündbaren Beamten sowie die Angestellten im öffentlichen Dienst lockt das Institut bis heute mit günstigen Konditionen, langen Laufzeiten und hohen Auszahlungsbeträgen. Zahlreiche Online- Portale listen die günstigsten Anbieter auf. Unter ihnen finden sich auch namhafte Adressen wie Deutsche Bank, Consorsbank, Santander, Targobank, Postbank oder ING-DiBa, also Institute, die sich nicht auf diese Klientel spezialisiert haben. Wie Woltmanns Bank hat sich zum Beispiel die genossenschaftliche BBBank eG in Karlsruhe auf den Kundenkreis spezialisiert, der nicht mit einer Kündigung rechnen muss und deshalb ein wirtschaftlich geringes Risiko darstellt. Das war nicht immer so. Die Badische Beamten-Genossenschaftsbank eGmbH, wie die BBBank 1921 bei ihrer Gründung hieß, entstand aus einer Notlage heraus. Ein Kollege des Gründers und Postinspektors Gotthold Mayer wollte ein Haus bauen, bekam aber keinen Kredit. Staatsdiener galten zu der Zeit noch als wenig kreditwürdig. Mayer wollte deshalb Beamten die Möglichkeit geben, einen Teil ihrer nicht gebrauchten Bezüge sicher und verzinst anzulegen. Der gesamte Zahlungsverkehr sollte kostenfrei sein. Kredite für Beamte mit Einlagen für Beamte zu finanzieren, dieses Geschäftsmodell war Anfang der 1920er-Jahre ein Novum. Schnell stand fest, dass es Privatkunden und nicht Institutionen sein müssten. Unsere nächste Frage war dann: Wo finden wir Privatkunden in sicheren Verhältnissen, Kunden, die ein geringes Risiko bedeuten? In Berlin gab es zu der Zeit kaum Arbeitslose und sehr, sehr viele öffentliche Bedienstete mit sicheren Arbeitsplätzen. Und für diese Klientel gründeten wir schließlich eine Bank, die Geld verwaltet und Kredite vergibt – zu günstigen Konditionen. diebank: Damals gab es noch kein Internet und Online Banking schon gar nicht. Eine Bank musste ihre Kunden persönlich akquirieren. Mit wie viel Mitarbeitern sind Sie gestartet? Woltmann: Mit zwölf in einem Gebäude in Berlin in der Rankestraße gegenüber der Gedächtniskirche, wo wir noch heute eine von drei Filialen betreiben. Anfangs hatten wir keine Vollbanklizenz. Teile der Kredite haben wir weiter verkauft, um Provisionserträge zu erzielen. Aber so haben wir immer schwarze Zahlen geschrieben. diebank: Ihr Geschäftsmodell hat sich bis heute als tragfähig erwiesen. Trotzdem gab es im vergangenen Jahr einen Relaunch. Warum und was waren die wichtigen Eckpfeiler? Woltmann: Wir haben die Bank von Allgemeine Beamtenkasse Kreditbank AG in Allgemeine Beamten Bank AG unbenannt. Bei dem Wort Kasse haben die Menschen zu oft an Krankenkasse gedacht. Neben der Namensänderung war es uns wichtig, eine klare Marken- und Positionierungsstrategie zu entwerfen, die der Bank verbindliche strategische Leitplanken für die Zukunft gibt. Die klare Fokussierung auf den öffentlichen Dienst wurde verbunden mit einer generellen Modernisierung des Erscheinungsbilds. Insbesondere der Online-Auftritt wurde von Grund auf neu konzipiert. diebank: Arbeiter und Angestellte können also bei Ihnen nicht Kunde werden? Woltmann: Doch. Anfangs hatten wir nur Beamte als Kunden. Heute stehen sie immer noch für 85 Prozent des Geschäfts, aber wir zählen auch Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes zu unserer Klientel. Beim öffentlichen Dienst reicht das Spektrum vom Müllwerker bis zum Minister. Dieser Gruppe gilt unser Hauptaugenmerk. diebank: Welche Produkte bieten Sie Ihren Kunden? Woltmann: Etwas flapsig formuliert vergleiche ich unsere Bank gern mit einer Currywurstbude. Die hat auch nur wenige Produkte: Mit und ohne Darm, mit und ohne scharfe Sauce. Genauso übersichtlich ist auch unser Portfolio. Neben dem Einlagengeschäft bieten wir Kredite für Konsumenten, Kredite für Firmenkunden und Immobilienfinanzierung. Sein Vermögen kann man bei uns nicht verwalten lassen. Für unsere Kunden sind wir eher die Zweitbank. Wir sind eine schlanke Bank und geben die Kostenvorteile weiter. diebank: Welche Vorteile bietet Ihnen die Fokussierung auf den Öffentlichen Dienst? Woltmann: Dass wir unsere Klientel kennen und deshalb zum Beispiel sehr gut das Zahlungsverhalten der einzelnen Gruppen innerhalb des öffentlichen Dienstes abschätzen können. Da die Arbeitsplätze sicher sind, gehen wir generell ein geringeres Risiko als bei anderen Berufen ein. Deshalb können wir zum Beispiel lange Laufzeiten anbieten. Unser Online-Ratenkredit hat eine Laufzeit von bis zu 144 Monaten, einen Auszahlungsbetrag von bis zu 100.000 €. Der Beamte kann Darlehen bis zum 20-Fachen des monatlichen Familieneinkommens erhalten. Außerdem kann der Kunde Raten und Laufzeiten ändern sowie Sondertilgungen vornehmen, ohne Gebühren zahlen zu müssen. diebank: Die Branche wird aktuell von vielen Seiten in die Zange genommen. Unter anderem herrscht ein harter Wettbewerb mit der Folge von Fusionen, Übernahmen oder zumindest Kooperationen. Wer sind Ihre Wettbewerber? 26 diebank 07.2016

BANKING ó Woltmann: Zunächst einmal die Institute, die sich wie wir auf die Beamten fokussieren, also zum Beispiel die genossenschaftliche BBBank in Karlsruhe, aber auch die Sparda-Banken. Grundsätzlich kann man sagen, dass in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit Kunden mit sicheren Jobs für jede Bank interessant sind. Im Moment haben wir zwar am Arbeitsmarkt eine entspannte Situation, aber die Lage kann sich auch wieder ändern. diebank: Sie blicken auf eine fast 40-jährige Firmengeschichte zurück. Verglichen mit anderen inhabergeführten privaten Banken in Deutschland ist Ihre Bank zwar ein junger Hüpfer, aber für Sie persönlich ist sie Ihr Lebenswerk. Was waren die Milestones? Woltmann: Nach der Gründung waren das vor allem der Mauerfall und die Wiedervereinigung, in deren Folge zwei gänzlich unterschiedliche Systeme zusammengewachsen sind. Als Bank haben uns diese Ereignisse einen großen Schritt vorangebracht. Vor der Wende hatten wir rund 20.000 öffentlich Bedienstete, in den Folgejahren wuchs diese Zahl bis auf 100.000. Nach dem Mauerfall haben wir nicht nur eine starke Nachfrage nach Konsumentenkrediten verzeichnet, sondern auch nach Immobilienkrediten, weil viele West-Berliner in Brandenburg gebaut haben. diebank: Als gebürtiger Berliner, der hier nicht nur aufgewachsen, sondern in der Stadt auch immer gelebt und gearbeitet hat, waren Sie physisch und auch emotional sehr dicht dran an diesem geschichtsträchtigen 9. November 1989. Woran erinnern Sie sich besonders gut? Woltmann: Ich war begeistert und fand es großartig. Was hätte uns Besseres passieren können! Ich war zum Glück in der Stadt, und wir sind dann sofort zum Kudamm gegangen und am nächsten Tag erst zur Mauer. Vor unserer Filiale haben wir stundenlang Brötchen geschmiert und Sekt ausgeschenkt. Der Ku’damm war schwarz von Menschen. diebank: Der plötzliche Ansturm nach der Maueröffnung führte zu teils chaotischen Szenen, weil viele DDR-Bürger gleichzeitig ihr Begrüßungsgeld haben wollten. Manche Geschäftsstellen arbeiteten die Nächte durch. Wie sah es bei der ABK aus? Woltmann: An der Auszahlung haben wir uns nicht beteiligt. Aber die Mitarbeiter haben ein Schild gemalt mit der Aufschrift „Hier Beamtensparbuch mit 4,5 Prozent“. Schnell waren bei uns die Schlangen noch viel länger als bei den zahlreichen umliegenden Banken. Auch wir mussten dann die Nächte durcharbeiten, um die Kontoeröffnungen abzuarbeiten. diebank: Ganz so einfach ist es sonst nicht, neue Kunden zu bekommen. Als mittelständische inhabergeführte Privatbank verfügen Sie über ein begrenztes Marketingbudget. Sie geben keine Pressekonferenzen, veröffentlichen keine Pressemitteilungen, schalten wenig Anzeigen. Wie finden und binden Sie Kunden? Woltmann: Eine gute Werbung sind die zahlreichen Vergleichsportale im Internet, auf denen sich die Verbraucher über die Konditionen informieren. Hinzu kommt die Mund-zu-Mund-Propaganda von zufriedenen Kunden. Sehr erfolgreich laufen zudem unsere Aktionen „Kunden werben Kunden“. diebank: Was ist einem preußischen Banker ein neuer Kunde wert? Woltmann: Zwischen 300 und 500 €. Und manchmal gibt es auch ein Geschenk von KPM. diebank: Ihre Bank hat zwei Filialen in Berlin, eine im Osten, eine im Westen, und eine dritte in Potsdam. Planen Sie weitere Eröffnungen, und wo sitzen Ihre Kunden? Woltmann: Es bleibt bei den drei Filialen. Dank des Internets erreichen wir Kunden in ganz Deutschland. Im Ausland sind wir aber nicht präsent. diebank: Für viele Experten sind die Banken die Stahl- und Kohleindustrie des 21. Jahrhunderts. Bill Gates hat es treffend zugespitzt: „Banking is necessary, banks are not“. Wo sehen Sie die Branche in zehn Jahren? Woltmann: Das ist schwer zu sagen. Ich kann in keine Glaskugel schauen. Jüngst hat EZB-Chef Mario Draghi den Leitzins auf null Prozent gesenkt. Das sind politisch gewollte Niedrigzinsen. Wir sind ein Spielball der großen Finanzpolitik. Unser Geschäft basiert nicht mehr auf Wettbewerb. Dem Staat hingegen geht es gut, weil er wenig Zinsen zahlen muss. Gleichzeitig wird der kleine Mann enteignet, weil er für sein Guthaben keine Zinsen mehr bekommt. Ich betrachte diese Entwicklung mit großer Sorge. diebank: Bei deutschen Kreditinstituten stehen Zinserträge im Schnitt für drei Viertel der Einnahmen. Als Bank, die von ihren Sparern ausschließlich Geld einsammelt und es dann als Kredit weiterreicht, ist die Quote bei Ihnen noch höher. Was bedeutet die Entwicklung für Ihr Institut? Woltmann: Trotz des Dauerzinstiefs ist bei uns der Zinsüberschuss von 14,3 Mio. € auf 16,3 Mio. € im vergangenen Jahr gestiegen, während sich das Provisionsergebnis im selben Zeitraum von 1,1 Mio. € auf 773.000 € verringerte. Das Jahresergebnis kletterte von 2,1 auf 3,87 Mio. €. Die Bilanzsumme sank von 673,6 auf 642,9 Mio. €. diebank: Neben der Niedrigzinsphase leiden alle Banken unter den massiven regulatorischen Eingriffen. Die mittelständischen Banken klagen, dass die Regulierung nicht das Prinzip der doppelten Proportionalität berücksichtigt. Wie denken Sie darüber? Woltmann: Die mittelgroßen und die kleinen Banken müssen ausbaden, was die Großen uns eingebrockt haben. Die massive Regulatorik belastet uns viel zu stark. Wenn sie 35 Jahre eine VW-Käfer-Werkstatt betreiben und alle Mitarbeiter sollen plötz- 07.2016 diebank 27

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