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die bank 07 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT Risiken

ó FINANZMARKT Risiken erkennen und bewerten INTERVIEW Der Risikomanager Téva Perreau sieht umfangreiche Informationen über alle wichtigen Entwicklungen auf den Weltmärkten als wichtigen Bestandteil des Risikomanagements an. „Wir wollen in der Zusammenarbeit mit Banken und unseren Kunden Forderungsverluste vermeiden“, erklärt der Deutschland- und Nordeuropa-Chef von Coface. diebank: Herr Perreau, politische Entwicklungen – wie z. B. der Russland-Ukraine- Konflikt – stellen Export-orientierte Unternehmen vor große Herausforderungen. Wie stellt sich die Situation für Sie als Kreditversicherer aktuell dar? Perreau: Wie wir am Beispiel Russland sehen, haben politische Konflikte unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die Unternehmen. In diesem Zusammenhang taucht das politische Risiko plötzlich wieder als Szenario auf. Aber wichtiger ist es, das „ganz normale“ wirtschaftliche Risiko nicht aus den Augen zu verlieren. Denn während Russland oder Griechenland im Fokus sind und jeder das Risiko dort erkennt, wächst das Bewusstsein für die Risiken in anderen Ländern nicht unbedingt mit. Dabei haben zum Beispiel in China im vergangenen Jahr 80 Prozent der Unternehmen Zahlungsverzögerungen erlebt, in der Region Asien-Pazifik waren es zusammengenommen 70 Prozent. Firmenkunden müssen dafür sensibilisiert werden. Wir müssen aber auch unser Risikomanagement, also die konkreten Kreditentscheidungen, darauf ausrichten. Denn es geht letztlich darum, die Unternehmen in diesen Konstellationen weiter begleiten zu können. diebank: Wie haben sich Ihre Länderbewertungen zuletzt verändert? Perreau: Zum einen haben wir die erwähnten Konfliktpunkte, wobei wir die Probleme zum Beispiel in der russischen Wirtschaft schon früh erkannt und die Länderbewertung herabgestuft haben. Im vierten Quartal 2014 ging es nochmal runter in C, die zweitschlechteste Stufe. Griechenland ist ein Fall für sich, während die anderen südeuropäischen Länder, besonders Spanien und Portugal, sich erkennbar erholen. Spanien haben wir Ende 2014 wieder in A4 heraufgestuft. Für die Eurozone erkennen wir, mit Ausnahme Griechenlands, insgesamt eine leichte Erholung. Sorgen machen uns dagegen Veränderungen in Südamerika. Hier wirkt sich der Ölpreisverfall stark aus. Insgesamt kann man sagen, dass die Industrie länder einen positiven Trend verzeichnen, in vielen Schwellenländern aber politische und finanzielle Probleme zunehmen. diebank: Was kann mit solchen Informationen konkret angefangen werden? Perreau: Die Hauptfunktion des Kreditversicherers ist das Risikomanagement. Unsere Aufgabe ist nicht die Vollkaskoabsicherung für unternehmerische Risiken. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Risiken zu erkennen, zu bewerten und ihre Geschäfte darauf auszurichten. Dafür betreiben wir einen immensen Aufwand. Wir analysieren Länder, Branchen und Unternehmen. Natürlich erfüllen wir auch die Versicherungsfunktion, 2014 mit rund 500 Mrd. € Deckungsvolumen weltweit. Im Vordergrund steht aber tatsächlich die Prophylaxe. Wir wollen in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden Forderungsverluste vermeiden. diebank: Dies liegt auch im Interesse der Banken. Perreau: Sicher. Vermitteln Banken Kreditversicherungen an ihre Firmenkunden, so erhöht dies die Werthaltigkeit der Forderungen des Bankkunden und somit auch die Sicherheit herausgelegter Kredite an die Firmenkunden. Da große Forderungsausfälle oft Auslöser von Insolvenzen sind, trägt eine Kreditversicherung beim Bankkunden zur Vermeidung eigener Kreditrisiken bei. Kreditversicherer machen das, was die Banken aus organisatorischen Gründen kaum darstellen können. Die Institute kennen ihre eigenen Kunden und können deren Bonität sowie deren Geschäftsgebaren einschätzen. Die Banken kennen oft aber nicht mehr die Kunden ihrer Kunden. Insbesondere dann, wenn es um Auslandsgeschäft oder auch kleinere und mittlere Unternehmen ohne Rating geht. Kreditversicherer ergänzen somit die Kompetenz der Banken, damit diese sich auf ihr Geschäft konzentrieren können. 20 diebank 7.2015

FINANZMARKT ó Téva Perreau ist General Manager der Coface Nordeuropa und Chef der Coface-Niederlassung in Deutschland. Vor seinem Wechsel nach Mainz im März 2014 war Perreau Group Chief Risk, Organisation & IT Officer im Coface-Headquarter in Paris. Er arbeitete u. a. für Natixis Factor sowie als Managing Director für die VR Factorem in Eschborn. Die Coface-Gruppe ist weltweit einer der größten Kreditversicherer und bietet Unternehmen Lösungen für den Schutz vor Zahlungsausfallrisiken im In- und Ausland. Das Unternehmen beschäftigt 4.400 Mitarbeiter in 66 Ländern. In Frankreich wickelt Coface, eine Tochter des Allfinanzkonzerns Natixis, die staatliche Kreditversicherung für den französischen Staat ab. fi INTERVIEW diebank: Kommen wir einmal zu den Firmenkunden. Diese sind derzeit durch mögliche Insolvenz-Anfechtungen stark verunsichert, die durch eine neue Rechtslage und verschärfende BGH-Urteile der letzten Jahre möglich geworden sind. Wo liegt hierbei das Problem? diebank: Besteht aufgrund von Solvency II die Gefahr, dass Deckungen knapp werden? Perreau: Insolvenzverwalter können angefochtene – aber vor der Insolvenz schon lange bezahlte – Forderungen in Millionenhöhe geltend machen. Das Insolvenzanfechtungsrecht räumt dem Insolvenzverwalter eines insolventen Unternehmens das Recht ein, bis zu zehn Jahre nach einer erhaltenen Zahlung diese anzufechten und zurückzufordern. Geschäftspartner eines insolventen Unternehmens reihen sich mit ihrer längst sicher geglaubten Forderung nun erneut zwischen allen anderen Gläubigern ein. diebank: Mit dem Gesetz sollen unberechtigte Vermögensverschiebungen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens rückgängig gemacht werden. Das ist nicht falsch gedacht, oder? fl Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Risiken zu erkennen, zu bewerten und ihre Geschäfte darauf auszurichten. Perreau: Was in der Theorie gut gedacht ist, erweist sich in der Praxis allerdings als unangemessen hohes Risiko. Um diese Risiken zu beherrschen, benötigen Unternehmen zusätzlichen Deckungsschutz. Deswegen vermitteln die Firmenkundenberater in den Kreditinstituten zunehmend mehr Absicherungen angefochtener Forderungen. diebank: Wie kann eine solche Lösung aussehen? Perreau: Es existieren mittlerweile Risikoinstrumente, die in unsere Kreditversicherungsprodukte ergänzend eingeschlossen werden können. Der zusätzlich wählbare Deckungsschutz pro Versicherungsjahr ist in verschiedenen Stufen wählbar. Die Prämie ist abhängig von der gewählten Zusatz- Versicherungssumme sowie der Unternehmensgröße. Perreau: Nein, ganz sicher nicht. Zwar verlangt Solvency auch den Kreditversicherern einiges ab – so wie Basel III den Banken. Ich nehme daher an, dass insbesondere das Verhältnis von Preis zu Risiko zukünftig eine größere Herausforderung darstellen wird als in der Vergangenheit. Unsere Eigenkapitalausstattung ist aber sehr gut, und auch auf dem Rückversicherungsmarkt gibt es ausreichend Kapazitäten. Wir können also gut noch mehr Geschäft verkraften. Angesichts des riesigen unbesicherten Handelsvolumens ist auch genügend Potenzial vorhanden. Viele Unternehmen unterschätzen aber immer noch das Risiko aus dem Lieferantenkredit. diebank: Herr Perreau, vielen Dank für dieses Gespräch. 7.2015 diebank 21

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